Vorsicht bei unklaren Verordnungsmengen: Bundessozialgericht sieht Rahmenvertrag

KASSEL (ks). Bei ungenauen Mengenangaben auf Arzneimittelverordnungen ist ein klärender Anruf beim Arzt ratsam: Ein Apotheker, der ohne eine solche Rücksprache mehrere Arzneimittelpackungen an einen Patienten abgegeben hatte, um die verordnete Menge zu erreichen, blieb nun auf einem Teil seiner Kosten Ų rund 8900 Euro Ų sitzen. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel gab der beklagten Krankenkasse Recht, die sich nur zur Bezahlung der größten abgegebenen Einzelpackungen verpflichtet sah. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass sich die Abgabe nachträglich als sachgerecht erwiesen hat. (Urteil des BSG vom 3. August, Az.: B 3 KR 7/05 R)

Das BSG hatte über den Fall eines Apothekers zu entscheiden, der gesetzlich Krankenversicherte auf ärztliche Verordnung einer Universitätsklinik mit Hormonpräparaten versorgt hat. In drei Fällen waren den Versicherten jeweils 15 bzw. 13 Ampullen Norditropin verschrieben worden. Im Handel waren aber nur Packungsgrößen mit 20, zehn und einer Ampulle erhältlich. In einem Fall wurden 15 Ampullen Humatrope verordnet. Dieses Präparat war lediglich in Packungen zu zehn, fünf und einer Ampulle verfügbar. Der Apotheker händigte den Versicherten in einem Fall 15 Packungen a einer Ampulle aus, in den anderen Fällen kombinierte er die Zehnerpackung mit einer Packung zu fünf Ampullen bzw. drei Einzelampullen. Die Krankenversicherung bezahlte zunächst die vollen Beträge für die abgegebenen Arzneimittel. Später nahm sie jedoch eine Retaxierung vor. Sie vertrat die Auffassung, dass sie lediglich zur Erstattung jeweils einer Zehnerpackung verpflichtet war, da sich der Apotheker unwirtschaftlich im Sinne des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung verhalten habe. Den darüber hinaus gehenden bereits gezahlten Betrag verrechnete die Kasse daher mit späteren Forderungen des Apothekers. Der Apotheker erhob daraufhin Klage gegen die Krankenkasse auf Rückzahlung der aufgerechneten Beträge.

Das Verfahren ging bis zum BSG – und endete hier mit einer Klageabweisung. Das BSG sah – wie die Krankenkasse – die Vorschriften des Rahmenvertrages verletzt. Darin war zum Zeitpunkt der Geschehnisse in den Jahren 1997 und 1998 vorgesehen, dass in Fällen, da die verordnete Menge vom Inhalt einer Packung abweicht, nur die nächst kleinere Packung oder ein Vielfaches dieser Packung – jedoch nicht mehr als die verordnete Menge – abzugeben und zu berechnen ist. Anderes gelte nur, wenn der Arzt durch einen besonderen Vermerk auf die Abweichung von den handelsüblichen Packungsgrößen hinweise. Die ausgestellten Rezepte im vorliegenden Fall enthielten einen solchen Hinweis nicht. Daher habe der beklagten Krankenkasse ein Rückforderungsanspruch nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zur ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB) zugestanden, den sie gegen die späteren Forderungen des Apothekers aufrechnen konnte. Dieser Anspruch diene allein dem Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung, nicht aber der Sanktionierung, heißt es im Urteil. Dass die Retaxierung in solchen Fällen weder im bundesweit gültigen Rahmenvertrag noch im landesrechtlichen Arzneimittellieferungsvertrag ausdrücklich erwähnt ist, sei daher ohne Belang. Die Richter verwiesen darauf, dass der Kaufvertrag zwischen Krankenkasse und Apotheker nur dann zustande komme, wenn die in den gesetzlichen und vertraglichen Regelungen niedergelegten Abgabebestimmungen eingehalten werden. Dies sei vorliegend gerade nicht geschehen, die Vermögensverfügung erfolgte daher ohne Rechtsgrund. Dass nachträgliche Auskünfte der Universitätsklinik ergeben haben, dass eine zielgenaue Verordnung vorgelegen habe, ändere an dieser Beurteilung nichts. Denn mit den vereinbarten Abrechnungsregeln sollten die mit einer nachträglichen Aufklärung verbundenen Schwierigkeiten gerade vermieden werden. Heute dürfte ein solcher Fall anders zu beurteilen sein. Die hier einschlägige Vorschrift ist so nicht mehr im Rahmenvertrag enthalten (s. auch Kasten "Was steht drin?").

Dennoch: Im Zweifel sollte Zeit für einen kurzen Anruf beim Arzt sein.

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