DocMorris-Apotheke muss Betrieb einstellen

SAARLOUIS (cr). Schwerer Nackenschlag für DocMorris und den umstrittenen saarländischen Justiz- (!) und Gesundheitsminister Josef Hecken: Per Eilentscheidung hat das Verwaltungsgericht des Saarlandes am Mittwoch, 13. September, angeordnet, dass die "Vor-Ort-Fremdbesitzapotheke" von DocMorris in Saarbrücken vorläufig geschlossen werden muss. Damit wurde den Anträgen von einer Apothekenleiterin und zwei Apothekenleitern stattgegeben, die gegen die Erteilung der Betriebserlaubnis an die niederländische Kapitalgesellschaft geklagt hatten. (Verwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 12. September 2006, Az.: 3 F 38/06)

Mit seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht im Eilverfahren die aufschiebende Wirkung der gegen das Hecken-Ministerium eingereichten Klagen wiederhergestellt. Die Saarbrücker DocMorris-Apotheke war deshalb sofort zu schließen. Am Donnerstag, 14.9.2006, hat sie ihren Betrieb eingestellt.

Offene Rechtsfragen

In seiner Begründung stellt das Gericht darauf ab, dass die Apotheker, die ihre berufliche Tätigkeit im Einzugsbereich der DocMorris-Fremdbesitzapotheke betreiben, geltend machen können, durch die Betriebserlaubnis an DocMorris wegen der "darin liegenden Veränderung der Wettbewerbsbedingungen zu ihrem Nachteil und ihrem Recht auf Chancengleichheit im beruflichen Wettbewerb verletzt zu sein". Ob sich im Hauptsacheverfahren eine solche Rechtsverletzung letztlich ergebe, könne noch nicht endgültig beurteilt werden. "Offen" sei insbesondere, ob das im deutschen Apothekenrecht geltende Fremdbesitzverbot durch den Europäischen Gerichtshof als eine "aus Gründen des Gesundheitsschutzes zulässige Beschränkung der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit angesehen würde". Wörtlich führte das Gericht aus: "Eine ausdrückliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit der einschlägigen deutschen apothekenrechtlichen Vorschriften mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht gibt es bisher noch nicht."

Zweifelhafte Übertragung der Optiker-Entscheidung

Zweifel äußerte das Verwaltungsgericht an der These, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Europarechtswidrigkeit des Fremd- und Mehrbesitzverbotes bei griechischen Optikern auf das deutsche Apothekenrecht übertragen werden könne. Diese Auffassung wird in dem von Hecken in Auftrag gegebenen Rechtgutachten des Münchner Europa- und Lebensmittelrechtlers Rudolf Streinz vertreten. "Nicht zu Unrecht" würden gegen diese Thesen jedoch erhebliche Bedenken geäußert. So sind, wie das Gericht feststellt, mit der Abgabe von Arzneimitteln weit höhere Risiken für die öffentliche Gesundheit verbunden als beim Betrieb eines Optiker-Geschäftes. Diese erhöhten Gesundheitsgefahren könnten unter Umständen weitergehende Schutzmaßnahmen rechtfertigen. Während der Betrieb eines Optiker-Geschäftes als im Wesentlichen handwerklich geprägter Beruf in der deutschen Handwerksordnung normiert ist, wird das Apothekenwesen als Teil der Gesundheitsvorsorge in einem eigenen Gesetz, nämlich dem Apothekengesetz, geregelt. Auch handelt es sich beim Beruf des Apothekers im Unterschied zu dem des Optikers um einen Heilberuf, der eine akademische Ausbildung voraussetzt. All diese Unterschiede, so die Verwaltungsrichter, "sprechen gegen eine unproblematische Übertragung der Optiker-Entscheidung des EuGH auf Apotheken".

Aufspaltung der Leitung nicht zulässig

Vor dem Hintergrund, dass sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Eilverfahren noch keine endgültige Aussage über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der angefochtenen Betriebserlaubnis treffen ließ, hatten die saarländischen Richter im Eilverfahren zu prüfen, ob das Interesse von DocMorris an der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Betriebserlaubnis das Interesse der benachbarten Apotheker an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage überwiegt. Das Verwaltungsgericht verneinte diese Frage und maß dabei dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der deutschen Rechtsvorschriften des deutschen Apothekengesetzes ausschlaggebende Bedeutung bei - ausgehend davon, dass Arzneimittel keine gewöhnlichen Waren sind, sondern die wichtigsten Hilfsmittel der ärztlichen Kunst zur Heilung und Vorbeugung von Krankheiten.

In ihrem Beschluss betonen die saarländischen Richter, dass dem Apotheker als besonderem, qualifiziertem Beruf des Gesundheitswesens eine große Verantwortung bei der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zukommt. Ausdruck des gesetzlich verankerten Leitbilds des "Apothekers in seiner Apotheke" ist danach neben der normierten Verpflichtung des selbständigen Apothekers zur persönlichen Leitung die Bestimmung des § 8 ApoG, nach der mehrere Personen zusammen eine Apotheke nur in der Rechtsform einer Gesellschaft Bürgerlichen rechts oder einer offenen Handelsgesellschaft betreiben dürfen. Das nach diesen Bestimmungen bestehende Verbot des Fremdbesitzes schließt die Errichtung von Apotheken aus bloßen Gründen der Kapitalanlage aus. Nach der Konzeption des Apothekengesetzes soll eine Aufspaltung der Verantwortung des Apothekers in eine gesundheitliche und eine wirtschaftliche Leitung gerade vermieden werden.

Keine Einflussnahme von außen

An dieser Konzeption hat der deutsche Gesetzgeber bisher festgehalten. Auch die deutschen Behörden sind deshalb daran gebunden. Solange der Europäische Gerichtshof nicht die Europarechtswidrigkeit des deutschen Fremdbesitzverbotes festgestellt hat, besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des deutschen Apothekenrechts. Bei der Gesundheit der Bevölkerung und der sachgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, so die Beschlussbegründung, handelt es sich nämlich um hohe Rechtsgüter, "mit denen nicht vorschnell oder gar leichtfertig umgegangen werden darf".

Eine eventuelle Abkehr vom Fremdbesitzverbot bedürfe "einer sorgfältigen Prüfung durch den Gesetzgeber", damit bei der Arzneimittelversorgung eine Einflussnahme von außen vermieden werde - zumal es die Kammer für nicht ausgeschlossen halte, "dass bei einer Erlaubniserteilung an Kapitalgesellschaften sachfremde Einflussmöglichkeiten (z.B. durch die finanzielle Beteiligung von Arzneimittelherstellern) die Arzneimittelversorgung bestimmen und damit finanzielle Interessen in widerstreit zu einer sachgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln treten".

Folgen der "Freigabe des Apothekenmarktes" offen

Demgegenüber maß das Verwaltungsgericht den Argumenten von Hecken/DocMorris keine entsprechende Bedeutung bei. Insbesondere die von Hecken gegenüber der Presse ins Feld geführte Senkung der Arzneimittelausgaben durch mehr Wettbewerb sei, wie sich aus Gutachten in Parallelverfahren ergebe, keineswegs unbestritten. Eine abschließende Bewertung, ob eine "Freigabe des Apothekenmarktes" tatsächlich zu einer erheblichen Kostensenkung führen würde,, könne im summarischen einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht erfolgen. Nach alledem bestehe deshalb - bis zu einer Klärung der offenen Frage der Gemeinschaftskonformität - ein erhebliches öffentliches Interesse an der "Einhaltung und Durchsetzung der nationalen Rechtsvorschriften des Apothekengesetzes".

Hecken reagiert gereizt

Dagegen ist für Hecken/DocMorris die Entscheidung eine schallende rechtliche Ohrfeige. Entsprechend gereizt fiel die Reaktion des saarländischen Ministers aus. In einer ersten Reaktion bezeichnete er die Entscheidung als "bloß formal" und "fehlerhaft". Hecken: "In der Hauptsache halte ich und die Saarländische Landesregierung (!) weiterhin an der Rechtsauffassung fest, wie sie in dem Gutachten von Professor Ulrich (gemeint wohl: Rudolf) Streinz dargestellt wurde." Hecken kündigte an, nach Zustellung des Beschlusses sofort Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einzulegen. Eine aufschiebende Wirkung hat die Einlegung des Rechtsmittels jedoch nicht, so dass die ausgesprochene Verpflichtung zur Schließung der Apotheke zunächst auf jeden Fall bestehen bleibt.

Däinghaus: "Einsame Entscheidung"

Als "einsame Entscheidung eines Verwaltungsgerichts" kritisierte Ralf Däinghaus den 29-seitigen Beschluss der Richter aus Saarlouis. Auf seiner Homepage, die ihn als "Visionär" ausweist, beklagt sich der DocMorris-Chef bitterlich: " Die Apotheker möchten uns mit allen Mitteln aus dem Markt drängen. Aber wir geben nicht auf, die Betriebserlaubnis ist einwandfrei. Wir werden weiter kämpfen. Ich erinnere mich noch gut an unsere Anfangszeit, als wir mit dem Versandhandel angefangen haben. Auch da gab es eine Vielzahl von Prozessen und Richtersprüchen gegen uns. Und am ende? Da waren wir die Gewinner. Und das werden wir jetzt auch wieder sein."

Pharmazieräte fühlen sich bestätigt

Mit seiner Entscheidung stoppte das Verwaltungsgericht das eigenmächtige und nach Auffassung von Beobachtern offen rechtsstaatswidrige Vorgehen Heckens. Mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird der Betrieb der Fremdbesitzapotheke bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren verboten. Dies bedeutet, dass die Saarbrücker Apotheke von DocMorris sofort nach Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses geschlossen werden muss. Damit können sich die saarländischen Pharmazierätinnen und Pharmazieräte, die aus Protest gegen das rechtswidrige Vorgehen Heckens ihre Überwachungstätigkeit eingestellt hatten, bestätigt fühlen.

ABDA begrüßt die Entscheidung

In einer Stellungnahme begrüßte ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf den gescheiterten Versuch Heckens, das deutsche Apothekenrecht unter Hinweis auf ein einzelnes, behördlich in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten auszuheben und zu missachten: "Dies ist ein wichtiger Sieg für die Rechtsstaatlichkeit. Dem bisher einmaligen Vorgang, mit dem sich die Verwaltung über den Willen des parlamentarischen Gesetzgebers hinwegsetzte, hat das Gericht Einhalt geboten.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.