Kassenmitarbeiter demonstrieren gegen Gesundheitsfonds

BERLIN (ks). In der vergangenen Woche folgten mehrere tausend Mitarbeiter von Krankenkassen dem Aufruf der Dienstleistungsgesellschaft ver.di und demonstrierten in fünf Städten gegen die Gesundheitsreform. Ver.di sieht durch die geplante Neuregelung des Beitragseinzugs im Rahmen des Gesundheitsfonds bis zu 30.000 Arbeitsplätze bei den Krankenkassen gefährdet. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt wies die Behauptungen zurück. Indessen zeigt sich auch, dass nicht alle Krankenkassen gegen den Fonds sind.

Nach Angaben von ver.di gingen am 26. und 27. Juli mehr als 20.000 Kassenbeschäftigte in Berlin, München, Bonn, Mainz und Hamburg auf die Straße. Im Zentrum der Kritik stand der Gesundheitsfonds, über den die Sozialversicherungsbeiträge künftig eingezogen werden sollen. Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Isolde Kunkel-Weber warf in Bonn der Bundesregierung vor, sie wolle "ein gut funktionierendes System zerstören, um parallel eine neue Bürokratie aufzubauen." In Berlin bezeichnete die stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Chefin des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen, Margret Mönig-Raane, die Reformpläne als "großen Murks". Sie betonte, dass die bisherigen Verwaltungsabläufe zum Beitragseinzug effizient und preisgünstig seien. Ver.di zeigte sich zugleich bereit, die Gespräche mit der Regierung fortzusetzen und will "den Sachverstand vieler tausend Beschäftigter für eine gerechte Reform anbieten." Am 28. Juli sollte ein Treffen im Ministerium stattfinden.

Im Vorfeld dieses Treffens bezeichnete Ministerin Schmidt die Angst vor dem Jobverlust als unbegründet: "Das sind ja Gespenster, die da an die Wand gemalt werden", sagte sie im WDR 2. Die heute für den Beitragseinzug zuständigen Mitarbeiter würden dies auch künftig tun – nur nicht für die Kassen, sondern für den Fonds. Zudem werde es bei den Kassen viele neue Aufgaben geben, etwa bei der Beratung der Versicherten und der Ausgestaltung neuer Tarife. Dass die Gewerkschaften und Krankenkassen derzeit so heftig reagieren versteht Schmidt: "Wir treffen ins Mark", sagte sie. Wenn die Krankenkassen wirtschaftlich mit den Geldern der Versicherten umgehen, müssten sie aber auch ihre Organisationsstrukturen in Frage stellen und optimieren. Man könne nicht immer nur Zuzahlungen erhöhen und Leistungen kürzen, so Schmidt. Für diese Woche hat sie verschiedene Kassenvertreter zu Gesprächen ins Ministerium eingeladen. Dort soll über den Plan der GKV-Spitzenverbände gesprochen werden, eine "Aufklärungskampagne" zur Reform zu starten. Ersatzkassen-Chefin Doris Pfeiffer machte bereits deutlich, dass die Aktivitäten aus dem gewöhnlichen Etat für Öffentlichkeitsarbeit bestritten werden sollen. Auch seien keine "werblichen Maßnahmen wie Plakate, Anzeigenschaltungen und Ähnliches" geplant, heißt es in einem Brief der Spitzenverbände ans Ministerium. In der Presse kursiert jedoch bereits ein 25-seitiges Strategie-Papier, das unter anderem einen Zeitplaner für bundesweite Aktionen, Auftritte von Kassen-Vorständen bei Talkshows und Parlamentarische Abende in den Berliner Landesvertretungen vorsieht. Zudem planen die Spitzenverbände Internetauftritte, Pressemitteilungen und "Hintergrundinformationen" für Zielgruppen.

Nicht alle Kassenchefs sind gegen den Fonds


Allerdings sprechen derzeit weder die Gewerkschaften noch die Krankenkassen mit einer Stimme. "Demonstrationen und Protestkundgebungen sind der falsche Weg", erklärte der Chef der Chemiegewerkschaft IG BCE, Hubertus Schmoldt, gegenüber dem "Handelsblatt".

Nötig sei eine Versachlichung der Debatte. Die Gewerkschaften müssten den konstruktiven Dialog mit der Regierung suchen. Auch unter den Kassen-Chefs gibt es den einen oder anderen, der den Gesundheitsfonds nicht vorschnell verteufeln will. So erklärte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen BKK, Ralf Sjuts, die Reform sei "ein Schritt in die richtige Richtung" und führe zu mehr Wettbewerb unter den Kassen. Er zeigte sich überzeugt, dass der Fonds als schlanke Behörde gestaltet werden könne. Ähnlich sieht es der Vorstands-Chef der IKK-direkt, Ralf Hermes: "Der Gesundheitsfonds wird kein bürokratisches Monster und kein Jobkiller", sagte er am 27. Juli in Berlin. Dies sei alles "Legendenbildung". Hermes rechnet vielmehr damit, dass der Fonds den Wettbewerb und die Kreativität im System anregen wird. Es komme nur darauf an, wie das Modell ausgestaltet werde. Damit die Kassen wirklich wettbewerbliche Spielräume erhalten, müsste die Überforderungsklausel für die Zusatzprämie angehoben werden – nach den derzeitigen Plänen soll sie bei ein Prozent des Haushaltseinkommens liegen. Auch die Kassenärztliche Vereinigung und der Apothekerverband Schleswig-Holsteins teilen diese Auffassung.

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