Italien: OTCs im Supermarkt?

(bah/diz). Die italienische Regierung schlägt weitreichende Veränderungen des Vertriebs rezeptfreier Arzneimittel vor: Sie sollen bald auch außerhalb von Apotheken verkauft werden dürfen.

Die neue italienische Regierung hat in der 26. Kalenderwoche den Entwurf eines Gesetzes verabschiedet, der weitreichende Änderungen beim Vertrieb von rezeptfreien Arzneimitteln vorsieht. Wie der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) in Erfahrung gebracht hat, soll das Gesetz innerhalb von 60 Tagen vom italienischen Parlament endgültig verabschiedet werden. Der Gesetzentwurf sieht u. a. folgende Maßnahmen vor:

  • Alle rezeptfreien Arzneimittel sollen künftig auch außerhalb von Apotheken abgegeben werden dürfen. Davon sind sowohl die öffentlich bewerbbaren als auch diejenigen rezeptfreien Arzneimittel erfasst, für die Öffentlichkeitswerbung gegenwärtig verboten ist.
  • Rezeptfreie Arzneimittel dürfen nur in einem abgegrenzten Teil der jeweiligen Verkaufsstelle, z. B. Supermarkt, abgegeben werden und nur unter der Voraussetzung, dass ein qualifizierter Apotheker, der Mitglied der italienischen Apothekerkammer ist, anwesend ist.
  • Der Verkauf unter Einstandspreisen bzw. die Werbung damit ist verboten. Nach der gegenwärtigen Regelung sind die Abgabepreise auf der Arzneimittelpackung angegeben, der Apotheker kann hierauf einen Rabatt von bis zu 20% gewähren. Diese 20%-Regel wird ersetzt durch ein System der freien, aber transparenten Rabattgewährung.
  • Arzneimittelhersteller dürfen die Preise für rezeptfreie Arzneimittel nur jedes zweite Jahr erhöhen.
  • Die Verpflichtung des Großhandels, mindestens 90% der Arzneimittel im Sortiment zu vertreiben, soll künftig nur für erstattungsfähige Arzneimittel gelten.

    Aus für das Fremd- und Mehrbesitzverbot in Italien?

    Außerdem werden Änderungen beim Großhandels- und Einzelhandelsvertrieb angekündigt, die den Vorgaben der Europäischen Kommission in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien Rechnung tragen sollen. So hat die Europäische Kommission Ende 2005 wegen des in Italien bestehenden Fremd- und Mehrbesitzverbotes bei Apotheken ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

    Ausweislich einer Pressemitteilung vom 28. Juni 2006 hat die Kommission im Vertragsverletzungsverfahren nunmehr den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen. Denn nach Auffassung der Kommission verstößt das italienische Fremd- und Mehrbesitzverbot gegen die Niederlassungsfreiheit und ist nicht durch Gründe des öffentlichen Gesundheitsschutzes gerechtfertigt, weil es nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichend sei, wenn ein Apotheker bei der Abgabe von Arzneimitteln in der Apotheke anwesend sei. Konsequenterweise müsste die italienische Regierung dann, wenn sie der Kommissionsauffassung folgen will, das Fremd- und Mehrbesitzverbot von Apotheken abschaffen.

    Im Übrigen bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen das italienische Gesetz auf das Vertragsverletzungsverfahren wegen des Fremd- und Mehrbesitzverbotes beim Europäischen Gerichtshof hat. Nach Einschätzungen des BAH ist es fraglich, ob das Vertragsverletzungsverfahren fortgeführt werden kann bzw. muss, wenn die von der Kommission beanstandete Regelung EG-konform geändert worden ist. Unmittelbare Auswirkungen auf das Distributionssystem von Arzneimitteln in Deutschland sind nicht gegeben, da ein nationales Fremd- und Mehrbesitzverbot von Apotheken erst dann abgeschafft werden muss, wenn vorher ein entsprechendes EuGH-Urteil ergangen ist.

    Auch Österreich und Spanien unter EU-Beschuss

    Darüber hinaus hat die Europäische Kommission wegen nationaler Ausgestaltungen des Apothekenrechts auch gegen Österreich und Spanien die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens eingeleitet und die beiden Länder aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten begründete Stellungnahmen zur Frage der EG-Konformität der nationalen Regelungen einzureichen.

    Die beanstandeten spanischen Regelungen betreffen den Gebietsschutz von Apotheken sowie das Fremdbesitzverbot. Gegenüber Österreich beanstandet die Kommission eine Reihe von Maßnahmen, u. a. die Diskriminierung ausländischer Apotheker, Regelungen über die Rechtsform von Apotheken und auch das Fremdbesitzverbot.

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