Lauterbach: Gesundheitsfonds ist "Scheininnovation"

BERLIN (ks). Seitdem die Parteivorsitzenden Angela Merkel, Kurt Beck und Edmund Stoiber in der vergangenen Woche ihr Eckpunktepapier zur Gesundheitsreform vorgestellt haben, reißt die Kritik am geplanten Fondsmodell nicht ab. Nicht nur die Opposition, Ökonomen und Verbände des Gesundheitswesens lehnen den gefundenen Kompromiss ab. Auch innerhalb der Regierungsfraktionen ist die Begeisterung für das Finanzierungsmodell bescheiden. Die große Koalition verabschiedete sich mit einem handfesten Streit in die parlamentarische Sommerpause.

Den Stein ins Rollen brachte SPD-Fraktionschef Peter Struck. Er warf Merkel noch vor der offiziellen Präsentation der Eckpunkte einen Wortbruch in der Frage der Steuerfinanzierung vor. Vizekanzler Franz Müntefering und Johannes Kahrs, Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, stimmten als erste in die Kritik mit ein. Sie hielten Bundeskanzlerin Merkel vor, vor den Unions-Ministerpräsidenten eingeknickt zu sein.

Insbesondere Edmund Stoiber hatte sich vehement gegen neue Steuern für den Gesundheitsfonds ausgesprochen, obwohl sich Merkel diesem SPD-Ansinnen gegenüber zunächst aufgeschlossen gezeigt hatte. CSU-Generalsekretär Markus Söder fühlte sich daraufhin von Struck genervt und empfahl ihm, sich in seinem Sommerurlaub in Skandinavien wieder abzukühlen. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil versuchte unterdessen, die Wogen zu glätten - wenngleich auch er betonte, dass sich die SPD gewünscht hätte, in der Frage der Steuerfinanzierung weiterzugehen.

Während innerhalb der Union vor allem der Nachwuchs die beschlossenen Eckpunkte zur Finanzreform kritisierte, bemühte sich die gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Annette Widmann-Mauz, um eine positive Darstellung der Verhandlungsergebnisse: Auf einer "Handelsblatt"-Konferenz zur aktuellen Reform am 6. Juli in Berlin sprach sie von einem "tragfähigen Kompromiss", der die Handschrift der Union deutlich erkennen lasse. Das Fondsmodell sei der Einstieg in die Abkopplung der Arbeits- von den Gesundheitskosten und damit in eine nachhaltige Finanzierung. Zudem belebe es den Wettbewerb unter den Kassen und sorge für mehr Wahlmöglichkeiten der Versicherten.

Auch Widmann-Mauz bedauerte, dass die Union nicht alle ihre Vorstelllungen habe durchsetzen können - etwa im Hinblick auf die Ausgrenzung privater, selbstverschuldeter Unfälle. Dennoch zeigte sie sich überzeugt, dass sich die Reform - nicht zuletzt die Strukturreform - als wirkungsvoll erweisen wird.

Lauterbach sieht Fonds noch nicht kommen

Der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach, der ebenso wie Widmann-Mauz mit in der 16-köpfigen Arbeitsgruppe zur Gesundheitsreform saß, teilt mit ihr nur die positive Einschätzung der Strukturreform. Wie Struck beteuerte er, dass es mit der Kanzlerin bereits abgemachte Sache gewesen sei, den Weg über mehr Steuermittel zu gehen - doch dieser sei kurzfristig und überraschend verschlossen worden. Angesichts der "homöopathischen Dosen" der nun beschlossenen Steuerfinanzierung erklärte Lauterbach die Finanzreform für klar gescheitert. Wäre der Fonds ein Arzneimittel, so würde es sich Lauterbach zufolge um eine "Scheininnovation" handeln: Man greift auf die gleichen Mittel, die gleiche Beitragsbasis, zurück und verteilt diese nur anders.

Darüber hinaus äußerte der SPD-Politiker Zweifel, ob der Fonds überhaupt je kommen wird. In den Eckpunkten wurde beschlossen, dass der Einstieg zum 1. Januar 2008 erfolgen soll. Zu diesem Zeitpunkt sollen auch die letzten Kassen ihre Schulden abgebaut, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge gesetzlich festgeschrieben und erstmals ein Steuerzuschuss für die Finanzierung der Kinder in Höhe von 1,5 Mrd. Euro gezahlt werden.

Lauterbach erinnerte an die elektronische Gesundheitskarte, die zu Beginn diesen Jahres eingeführt werden sollte, das flächendeckende Mammographie-Screening, das bereits 1996 beschlossen wurde und den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich, dessen Einführung sich die Politik vor vier Jahren auf die Fahne geschrieben hat. Angesichts der Erfahrungen mit diesen Projekten sei kaum damit zu rechnen, dass der Fonds pünktlich starten könne oder, dass man mit der Einführung ausgerechnet im Wahljahr 2009 beginne. Positiv an der Entscheidung für das Fondsmodell sei lediglich, dass es den Weg für weitere Reformen nicht verbaue, so Lauterbach.

FDP: Apotheker werden erpresst

Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Daniel Bahr, konnte sich der Kritik des SPD-Politikers nur anschließen - auch wenn er wenig Verständnis dafür zeigte, dass die Regierung gleich die "Opposition mitmacht". Auch sehen die Alternativen des Liberalen anders aus: Wenn man sich schon entscheide, Steuergelder für die Krankenversicherung zu verwenden, so sollte man dies mit einem wirklichen Systemwechsel verbinden, der die Gesundheitskosten wirklich von den Arbeitskosten abkoppelt - sprich: einem Umstieg auf ein echtes Prämiensystem.

Bahr glaubt nicht daran, dass mit dem Fondsmodell ein Einstieg in die Gesundheitsprämie erfolgen wird - selbst die "kleine Pauschale" sieht er nicht kommen. Die Bedingungen, insbesondere, dass die Pauschale ein Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigen darf, machten es den Krankenkassen nahezu unmöglich, diese Möglichkeit überhaupt zu nutzen. Er äußerte Zweifel, ob der Zusatzbeitrag tatsächlich für mehr Wettbewerb unter den Kassen sorgen wird. Denn um eine zusätzliche Belastung ihrer Versicherten zu vermeiden, würden die Kassen zunächst ihre Satzungsleistungen streichen - ein Wettbewerb um Qualität sei dies nicht.

Kritik übte Bahr auch an dem Plan, die Apotheker zu einem erhöhten Kassenrabatt heranzuziehen, wenn sie im kommenden Jahr das Einsparziel von 500 Mio. Euro nicht erreichen. Grundsätzlich könne man über eine Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung auf Höchstpreise zwar diskutieren. Die Drohung an die Apotheker schaffe jedoch keine Verhandlungssituation, sondern sei eine "Erpressung" mit vorgegebenem Ergebnis.

Auch Widmann-Mauz äußerte sich auf Nachfrage zu den Neuerungen, die auf die Apotheker zukommen: So sieht sie keinen Widerspruch zwischen den Rabattbeschränkungen des AVWG und den nun von den Apotheken geforderten Rabattvereinbarungen. Die CDU-Politikerin schloss auch nicht aus, dass es im Rahmen von Verträgen zwischen Apotheken und Krankenkassen zu direkten Zuweisungen von Versicherten an bestimmte Apotheken kommen könnte. Vorausgesetzt, der Versicherte habe sich frei entschieden, einen entsprechenden Vertrag zu akzeptieren. "Da ist viel drin", betonte Widmann-Mauz und warf damit eine Reihe neuer Fragen auf. Wie die neuen Preisvereinbarungen zwischen Kassen und Apotheken letztlich aussehen werden und wie sie mit den Bestimmungen des AVWG in Einklang zu bringen sind, ist kaum einem Beobachter der Szene klar - hier wird erst das Gesetzgebungsverfahren zeigen, wohin der Hase läuft.

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