VFA: Gesundheitsreform kein großer Wurf

BERLIN (ks). Mit der nächsten Gesundheitsreform wird voraussichtlich auch die Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln kommen. Selbst die forschenden Arzneimittelhersteller erkennen dies mittlerweile als Realität an und sind bereit, durch Versorgungsforschung ihren Beitrag dazu zu leisten. Hierfür sei es aber nötig, sich nach der Zulassung eines neuen Präparates mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) über die anschließend durchzuführenden Studien abzustimmen. Zudem plädieren die forschenden Hersteller für eine Liberalisierung des Arzneimittelmarktes im Rahmen der Integrierten Versorgung.

Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), rechnet nicht damit, dass die kommende Gesundheitsreform ein "großer Wurf" wird. Die derzeit diskutierten Reformmaßnahmen auf der Ausgabenseite erinnerten eher an "Kostendämpfung alter Prägung" als an eine wettbewerbliche Neuausrichtung, erklärte sie am 7. Juni in Berlin. Damit wirklich mehr Wettbewerb ins System kommt, schlägt der VFA drei vorrangige Instrumente vor: Eine sachgerechte Kosten-Nutzen-Bewertung, die den Zugang von Innovationen zur Versorgung sicherstellt, den Ausbau der Integrierten Versorgung und die Etablierung von Preisverhandlungen zwischen Krankenkassen und Pharmaunternehmen.

Abstimmung mit dem G-BA

Yzer betonte, dass die forschenden Arzneimittelhersteller ein hohes Interesse daran hätten, den Nutzen ihrer Präparate zu belegen. Allerdings könne sich die überwiegende Anzahl neuer Arzneimittel erst im Versorgungsalltag und nicht schon bei Markteinführung umfassend unter Beweis stellen. Daher führten die Hersteller nach der Zulassung von Innovationen Studien durch, um das Sicherheitsprofil zu vervollständigen und den Nutzen in der Praxis zu belegen. Die Erfahrung mit der ersten, vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) durchgeführten, Nutzenbewertung zu Insulinanaloga ernüchterten die Hersteller jedoch.

So gut wie keine ihrer Studien genügte den Ansprüchen der Experten, um in die Bewertung hineinzufließen. Um derartiges in Zukunft zu vermeiden, möchte der VFA diese Studien künftig in enger Abstimmung mit dem G-BA und dessen beauftragten Experten (z.B. IQWiG, DIMDI, AKdÄ) durchführen. Insbesondere das Studiendesign und die Studiendauer sollten dabei im konkreten Fall und unter rein qualitativen Gesichtspunkten vereinbart werden, erklärte Yzer. Die Industrie sei auch bereit, die dazu notwendige Versorgungsforschung zu finanzieren.

Einschränkung bei hochpreisigen Medikamenten

Darüber hinaus sei es langfristig vorstellbar, die Nutzenbewertung künftig auf europäischer Ebene vorzunehmen. Dann müsste sie sich an den internationalen Standards orientieren, die der VFA bei der Arbeit des IQWiG vermisst. Dabei sei zwangsläufig das schon jetzt angewandte zweistufige System beizubehalten; Nutzen und die Frage der Erstattung müssten also getrennt bewertet werden. Die Kostenfrage müsse in jedem Fall eine nationale Aufgabe bleiben. Keinesfalls dürfe die Nutzenbewertung aber an eine Nicht-Erstattung auf Zeit gekoppelt sein, betonte Yzer.

Für die Interimsphase zwischen Zulassung des Arzneimittels und dem Vorliegen valider Studienergebnisse sei aber eine vorübergehende Beschränkung bei der Verordnung möglich. Diese sollte sich auf hochpreisige Innovationen beschränken, deren Jahrestherapiekosten im fünfstelligen Bereich liegen. Denkbar sei, dass diese Präparate nur von Fachärzten oder von Hausärzten nach Einholung einer fachärztlichen Zweitmeinung zu Lasten der GKV verordnet werden dürfen. Yzer wollte diesen Vorschlag bewusst nicht konkretisieren, da eine solche Entscheidung nicht ohne die Ärzte getroffen werden könne.

Wegfall der Preisbindung der zweiten Hand

Weiterhin spricht sich der VFA für eine Deregulierung im Arzneimittelmarkt aus. So müssten Eingriffe in die Marktpreisbildung sowie Regulierungen der Leistungsgestaltung, des Verordnungsverhaltens und der Medikamentenabgabe abgebaut werden. Stattdessen sollten die Pharmaunternehmen und Kassen direkte Vereinbarungen über Preise, Mengen und Konditionen treffen können. Auf dieser Basis könnten die Kassen dann individuelle Erstattungslisten erstellen.

Ein gutes "wettbewerbliches Testfeld" für eine solche Umstellung wäre nach Auffassung des VFA die Integrierte Versorgung. Hier sollte man Festbeträge und Zwangsrabatte sofort außer Kraft setzen und in bilaterale Verhandlungen zwischen Kassen und Herstellern einsteigen. Die Preisbindung der zweiten Hand müsste dann fallen. Voraussetzung für derartige Vereinbarungen wäre allerdings, dass die bestehenden Kartellstrukturen auf Kassenseite beseitigt werden. Krankenkassen dürften nicht länger vom Wettbewerbs- und Kartellrecht ausgenommen sein, forderte Yzer.

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