Gesundheitsreform: BPI warnt vor neuer Kostendämpfung im Arzneimittelbereich

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) fordert von der Bundesregierung eine “echte und nachhaltige Struktur- und Finanzreform des Gesundheitswesens". Die anstehende Reform dürfe sich nicht in einem neuerlichen Kostendämpfungsgesetz erschöpfen, warnte der BPI-Vorsitzende Dr. Bernd Wegener auf der Hauptversammlung des Verbandes am 31. Mai in Berlin. Er warf der Politik vor, “durch eine polemische Arzneimitteldiskussion von der eigenen Konzeptlosigkeit" abzulenken.

Die Ausgaben der GKV für Medikamente sind im 1. Quartal 2006 wieder deutlich gestiegen. Einige Spitzenpolitiker der Regierungskoalition nahmen dies in den vergangenen Tagen zum Anlass, erneut Einsparungen im Arzneimittelsektor anzukündigen. Wegener beklagte, dass dabei keine dezidierte Analyse der Verordnungsdaten vorgenommen werde. Er verwies auf aktuelle Zahlen von IMS: Danach lag das Umsatzplus der pharmazeutischen Industrie im 1. Quartal bei 8,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Zurückzuführen sei diese Steigerung auf die Strukturkomponente: Während die Anzahl der verordneten Packungen um 0,5 Prozent zurückging und die Arzneimittelpreise stabil blieben, kletterte diese um 9,4 Prozent nach oben. Der Strukturanteil liege damit über den bislang üblichen sechs bis acht Prozent, räumte Wegener ein. Er betonte jedoch, dass die Strukturkomponente nicht nur als Ausgabenfaktor betrachtet werden dürfe. In ihr spiegelten sich auch Verschiebungen innerhalb von Produkten nach Packungsform und -stärke sowie zwischen Produkten. Als mögliche Einflussfaktoren für die steigenden Ausgaben nannte der BPI-Vorsitzende eine bessere Abbildung der Versorgungsrealität, die Schließung von Versorgungslücken, den Innovationsanteil sowie eine vermehrte Verschreibung von Generika aufgrund von Patentabläufen. Gerade im ersten Vierteljahr 2006 habe sich gezeigt, dass die Erhöhung des Generika-Anteils im Arzneimittelmarkt nicht zwangsläufig zu Einsparungen führe. Nachdem zu Jahresbeginn eine Reihe von Patenten abgelaufen seien, hätten viele Ärzte zu den neuen Generika gegriffen. Diese wurden auch solchen Patienten verordnet, die bislang nicht auf das entsprechende Original, sondern auf ältere und preiswertere Arzneimittel eingestellt waren – etwa aus Budgetgründen. Hinzu komme, dass gerade in der Einführungszeit die Preisunterschiede zwischen Original und Generikum noch nicht sehr groß seien. Erst im Laufe des Jahres sei damit zu rechnen, dass hier ein stärkerer Preiswettbewerb in Gang komme. Auch die Industrie leistet ihren Sparbeitrag Wegener verwies auch darauf, dass bei der Betrachtung der Ausgabenentwicklung AVWG-Vorzieheffekte zu berücksichtigen seien. Das 1. Quartal 2006 sei gekennzeichnet durch den Wegfall der Naturalrabatte und stärkere Zuwächse bei den Einkäufen als den Abgaben von Apotheken. Das Direktgeschäft wachse ebenfalls rasant: Im Januar 2006 lag hier die Steigerungsrate bereits bei 23 Prozent, im März kletterte sie nochmals auf 35 Prozent. Wegener erinnerte zudem an den Beitrag der Pharmaindustrie zur Dämpfung der Arzneimittelausgaben: 2004 hätten die Hersteller das Gesundheitswesen mit 1,8 Mrd. Euro, 2005 mit 560 Mio. Euro subventioniert. Volkswirtschaftlich stärkste Branche In den ersten drei Monaten 2006 liege der Zwangsrabatt bereits bei 147 Mio. Euro. Mit den AVWG-Rabattänderungen blieben letztlich nur noch 10 Prozent des Umsatzes im GKV-Arzneimittelmarkt ohne Rabattbelastung, betonte Wegener. Der BPI-Vorsitzende warnte weiterhin davor, die geplante Gesundheitsreform ausschließlich unter Kostengesichtspunkten zu diskutieren. Die deutsche Gesundheitswirtschaft sichere vier Millionen Arbeitsplätze bei einem Umsatz von rund 250 Mrd. Euro. Die Potenziale dieser volkswirtschaftlich stärksten Branche dürfe die Reform nicht behindern. Mehr Eigenverantwortung und mehr Wettbewerb Aus Sicht des BPI muss es das Ziel einer echten Strukturreform sein, die Beiträge zur Krankenversicherung vom Lohn zu entkoppeln und das Versicherungsangebot zu differenzieren. So sollte es eine obligatorische Grundsicherung mit optionaler Tarifwahl geben, die dem Versicherten eine Entscheidung darüber ermöglicht, welche Versorgungsabsicherung seinen individuellen Bedürfnissen entspricht. Im Bereich der Arzneimittel gelte es Innovationen zu fördern und zu erkennen, dass Medikamente auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen haben. Nicht zuletzt fordert der BPI mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen. Mittelständische Unternehmen und international agierende Multikonzerne sollten auf gleicher Augenhöhe konkurrieren können und gleiche Marktchancen haben, erklärte Wegener. Skepsis gegenüber neuem Generika-Management Den ABDA-Vorschlag zum Generika-Management bezeichnete der BPI-Vorsitzende als “diskussionswürdig". Allerdings müsse man eine Ausweitung der Großhandelsmacht und die Fokussierung auf wenige Hersteller befürchten, wenn man den Apothekern mehr Freiraum bei der Auswahl der Arzneimittel einräume. Dies laufe der vom BPI ebenfalls geforderten Arzneimittelvielfalt zuwider. Auf jeden Fall müssten die “Vertriebswege neu überdacht" werden, sollte die Politik den ABDA-Vorschlag aufgreifen, sagte Wegener..

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