Ministerin Schmidt: Die Ausgabenseite hat Vorrang

BERLIN (ks). Am 1. Mai wollte die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Gesundheitsreform ihre ersten Zwischenergebnisse vorlegen. Wie weit die Fachpolitiker und die von ihnen beauftragten Experten tatsächlich gekommen sind, war Ende vergangener Woche noch nicht absehbar. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt machte allerdings deutlich: Bevor über eine andere Finanzierung des Gesundheitswesens entschieden werden kann, muss sich die Politik zunächst den wenig effizienten Strukturen der Ausgabenseite widmen.

Das von Unions-Fraktionschef Volker Kauder vor Ostern ins Spiel bebrachte Reform-Modell eines Gesundheitspools ist in den vergangenen zwei Wochen kontrovers diskutiert worden. Während Schmidt Sympathie für den Vorschlag zeigte, fürchtet die SPD-Linke eine "Kopfpauschale durch die Hintertür". Denn das Fonds-Modell sieht vor, dass Krankenkassen eine Extra-Abgabe von ihren Versicherten erheben können, wenn sie mit dem Fixbetrag aus dem Pool nicht auskommen.

Auch innerhalb der Union trifft das Kauder-Modell nicht nur auf Zuspruch. So befürchtet Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU), dass privat Versicherte zu sehr belastet werden. Die gesetzlichen Krankenkassen sehen den Gesundheitspool ebenfalls kritisch - sie sehen einen erheblichen bürokratischen Aufwand auf sich zukommen.

Verkrustete Strukturen weiter aufbrechen

Angesichts dieser "bunten Diskussion" über die Mittelaufbringung bemüht sich Schmidt nun die Akzente zu verschieben und verweist auf die ebenfalls geplanten Strukturreformen. In einem Beitrag für die "Frankfurter Rundschau" (Ausgabe vom 27. April) betont die Ministerin, dass es vor allem wichtig sei, die "verkrusteten Strukturen des Gesundheitswesens weiter aufzubrechen, Innovationen zu fördern und den Einsatz der Ressourcen zu optimieren". Schmidt: "Wer will, dass unser Gesundheitswesen eine gute Chance hat, auch in der Zukunft die nötigen Leistungen bereitzustellen, der muss Mittelaufbringung und Mittelverwendung als gleichrangig ansehen. Erst die Strukturreform, dann die Finanzreform."

Keine überraschenden Reformansätze

Schmidts konkret geäußerte Ideen für die Strukturreform sind allerdings nicht sehr überraschend. Etwaige Strukturveränderungen im Apothekenbereich spricht sie nicht an. Für akut notwendig hält sie es hingegen, Raum zu schaffen für mehr Verhandlungslösungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, um in Ballungsgebieten Überkapazitäten abzubauen. Der Unterversorgung in ländlichen Gebieten will die Ministerin mit finanziellen Anreizen begegnen. Darüber hinaus sollen die Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung überwunden werden - vor allem hier finde eine "Verschwendung der Ressourcen" statt.

Auch den Wettbewerb zwischen ambulanter und stationärer Versorgung will Schmidt intensivieren. Hochspezialisierte Leistungen und besonders aufwendige Therapien, die in der Regel auch besonders hohe Medikamentenkosten verursachen, sollen künftig in besonders qualifizierten Zentren konzentriert werden. Weiterhin nannte Schmidt die Neuordnung der ärztlichen Honorierung als Reformziel. Dabei müsse man auch darüber nachdenken, fachärztliche Leistungen, die sowohl ambulant als auch im Krankenhaus erbracht werden können, zu vergleichbaren Konditionen zu honorieren - etwa analog der Fallpauschalen.

Darüber hinaus will die Ministerin in den Gremien der Selbstverwaltung aufräumen. Reformen seien sowohl bei den Krankenkassen (etwa durch die Ermöglichung kassenartübergreifender Fusionen) als auch den Kassenärztlichen Vereinigungen nötig.

"Reform aus einem Guss" fraglich

Schmidt deutet an, dass eine Gesundheitsreform der großen Koalition auch schrittweise erfolgen könnte: "Unser Gesundheitssystem lässt sich weder mit wenigen konzeptionellen Festlegungen noch mit sprunghaften Änderungen auf die Beanspruchungen der Zukunft vorbereiten. Eine notwendige Rundum-Modernisierung muss stetig erfolgen."

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