Kommentar

Entschleunigung

Im aufgeregtern Geschnatter vor einer neuerlichen Gesundheitsreform lohnt es innezuhalten. Zu leicht verliert sich im Getümmel der Tagespolitik - konfrontiert mit all dem, was dringend erscheint - der Blick auf das Wichtige:

Erstens:

Entschleunigung ist anzuraten. Nicht nur in der Gesundheits-, Sozial- und Steuerpolitik, aber dort besonders. Zuviel wurde mit heißer Nadel gestrickt. Dass dabei handwerkliche Fehler passiert sind, ist verständlich. Zu oft hat die Politik der Ministerialbürokratie nicht die notwendige Zeit gelassen. Im Stakkato schneller Reformen hat sich viel an gesetzestechnischem Pfusch aufgestaut, der uns allen teuer zu stehen kommt. Die Körperschaftsteuer- und Hartz-Reformen gingen nach hinten los. Mehr als 40 Milliarden Euro wurden ohne oder mit kontraproduktiven Effekten verplempert. Bei den Spargesetzen für das Gesundheitswesen schauen nur noch wenige Experten durch. Der Instrumentenkasten ist unaufgeräumt, das kakophonische Stimmengewirr, das ihm entweicht, frustriert Leistungserbringer und Patienten; es sorgt für Wut und Resignation. Zukunftsplanungen und Investionen werden zum Abenteuer - und unterbleiben deshalb.

Zweitens:

Weil die notwendige Reform auf der Einnahmeseite an unüberbrückbaren Gegensätzen zwischen SPD-Bürgerversicherung und Unions-Bürgerprämie zu scheitern droht, könnten sich die gerade eingesetzte großkoalitionäre Arbeitsgruppe erneut in krude Kostendämpfungsrunde flüchten. Jeder weiß zwar, dass die Finanzierungsprobleme der GKV nicht an explodierenden Ausgaben liegen. Das Kostenwachstum bewegt sich im Rahmen der Steigerungen des Bruttoinlandsproduktes. Weniger geht nicht, jedenfalls solange ein alterndes Land seine Bewohner nicht vom medizinisch-pharmazeutischen Fortschritt fernhalten will. Unser eigentliches Problem sind die wegbrechenden Einnahmen. Sie sind die Folge der hohen Arbeitslosigkeit, der Zunahme von Erwerbsarbeit, für die - legal und illegal - keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Eine zunehmende Rolle spielt auch der wachsende Anteil Älterer, die aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, reduzierte Beiträge zahlen, aber mehr und länger Leistungen benötigen. Wer die schon heute sichtbare Rationierung nicht weiter verschärfen will, muss daher der GKV verbesserte Einnahmen verschaffen.

Klaus G. Brauer

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