Insulinanaloga: BPI fürchtet weitere Ausgrenzungen

BERLIN (ks). Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) muss derzeit viel Kritik einstecken: Sein Vorhaben, kurzwirksame Insulinanaloga aus dem GKV-Leistungskatalog zu streichen, so lange sie teurer sind als Humaninsuline, wird seitens der Industrie, der diabetologischen Ärzte und der Selbsthilfe entschieden abgelehnt. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) beklagt insbesondere die "zweifelhafte Auswertungsmethodik", auf die der G-BA seine geplante Entscheidung stützt. Bislang zeigt sich der G-BA allerdings von der Kritik unbeeindruckt.

Die erste Arzneimittel-Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sorgt nach wie vor für Unruhe: Nach der Studie des Instituts ist ein medizinischer Zusatznutzen der teureren kurzwirksamen Insulinanaloga im Vergleich zu Humaninsulin zur Behandlung von Typ 2-Diabetikern nicht belegt. Die Konsequenzen dieser Erkenntnis für die vertragsärztliche Versorgung hat nun der G-BA zu ziehen. Ende Februar gab dieser einen Vorschlag zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinien in die Anhörung. Danach sollen Insulinanaloga nur noch solchen GKV-Versicherten erstattet werden, die bereits auf das Präparat eingestellt sind und bei denen individuelle Gründe einer Umstellung auf Humaninsulin entgegenstehen. Im April will der G-BA entscheiden, ob er erstmals ein Arzneimittel aus rein ökonomischen Gründen von der GKV-Erstattung ausschließt. Er könnte sich auch mit einem vergleichsweise milder wirkenden Therapiehinweis begnügen.

Der G-BA Vorsitzende Dr. Rainer Hess betonte am 15. März in Siegburg, dass der G-BA bei seiner Entscheidung der Verantwortung gerecht werden müsse, die er für die dauerhafte Finanzierbarkeit medizinisch notwendiger Leistungen der GKV zu tragen habe. Der G-BA nehme zugunsten der Insulinanaloga an, dass deren Nutzen für den Patienten genauso groß ist wie derjenige des Humaninsulins. "Dann dürfen Insulinanaloga zu Lasten der GKV aber nur verschrieben werden, wenn sie nicht teurer als Humaninsulin sind", folgert Hess. Anderenfalls würde die Versichertengemeinschaft mit unnötigen Ausgaben belastet und dem GKV-System Geld entzogen, das zur Finanzierung notwendiger Leistungen dringend benötigt werde. Dies, so Hess, sei nicht vertretbar.

Patienten 2. Klasse

Beim BPI hält man das Vorhaben des G-BA für eine willkürliche Kostendämpfungsmaßnahme: "Insulinanaloga stellen eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität dar", betonte der BPI-Vorsitzende Dr. Bernd Wegener am 16. März in Berlin. Insbesondere weil sie die Patienten - anders als bei der Einnahme von Humaninsulin - nicht an streng festgelegte Medikamenten-Ernährungs-Intervalle binden. Wegener verwies darauf, dass selbst die Disease-Management-Programme für Diabetes mellitus Typ 2 als Blutglucose-senkende Therapie eine Behandlung mit kurzwirksamen Insulinanaloga vorsehen. Als diese Programme vor rund drei Jahren entwickelt wurden, habe man durchaus auch die Kosten vor Augen gehabt.

Mit der Ausgrenzung der modernen Insulin-Therapie für Patienten, die bislang noch mit Humaninsulin behandelt werden, diskriminiere der G-BA diese zu Patienten zweiter Klasse, erklärte Wegener. Der BPI sieht hierdurch die Grundrechtsprinzipien der Gleichbehandlung und der Entscheidungsfreiheit verletzt. Er fürchtet zudem, dass der Verordnungsausschluss von kurzwirksamen Analoginsulinen erst der Anfang weiterer Ausgrenzungen von Arzneimitteln aus dem GKV-Leistungskatalog sein könnte.

Methodenkritik

Es sind vor allem die vom IQWiG angewandten Methoden, die der Industrie zuwider laufen. Lediglich kontrolliert randomisierte klinische Studien lässt das Institut gelten. Einzige Parameter sind Morbidität und Mortalität - Aspekte der Lebensqualität bleiben außen vor. BPI-Geschäftsführerin Prof. Barbara Sickmüller wies darauf hin, dass derartige Studien zwar wichtig für den Beleg der Wirksamkeit seien - nicht jedoch zur Bewertung des Nutzens. Insbesondere nicht bei der von Besonderheiten geprägten Insulintherapie. Hier täte Versorgungsforschung Not - doch die liegt in Deutschland brach. Der Ausschluss der Insulinanaloga aus der GKV-Verordnungsfähigkeit würde die Datenlage noch verschlechtern. Sickmüller überzeugt auch das Kostenargument nicht: Mit 99 Cent lägen die täglichen Kosten der Therapie mit Analoginsulin nur um 30 Cent höher als bei einer Behandlung mit Humaninsulin. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sich bei Analoga die Dosis um 10 Prozent verringere.

FDP fragt nach

Die FDP-Bundestagsfraktion hat den möglichen GKV-Erstattungsausschluss von Insulinanaloga unterdessen in einer Kleinen Anfrage hinterfragt. Sie will von der Bundesregierung unter anderem wissen, wie sie diesen Ausschluss aus der vertragsärztlichen Versorgung bewertet. Dazu fragt die Fraktion auch, worin "der Unterschied in der Wirkweise der kurz wirksamen Humaninsuline und der rasch wirkenden Insulinanaloga besteht". Die FDP-Abgeordneten rechnen damit, dass ein Erstattungsausschluss die heimische Arzneimittelforschung schwächen würde. Angefragt wird zudem, ob das Bundesgesundheitsministerium bei seiner Prüfung der Entscheidung des G-BA auch die Leitlinien der International Diabetes Federation (IDF) einbezieht. Diese Expertenkommission hat den Einsatz von Insulinanaloga bei Typ-2-Diabetikern erst vor wenigen Monaten in ihren Richtlinien empfohlen.

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