Pille danach: Fachgesellschaften für die Entlassung aus der Verschreibungspflic

BERLIN (sw). Die postkoitale Verhütung durch die "Pille danach" gilt international als sichere und effektive Methode, um nach ungeschütztem bzw. unzureichend geschütztem Geschlechtsverkehr eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und die Deutsche Gesellschaft für Familienplanung (pro familia) haben auf einer Informationsveranstaltung in Berlin am 20. Februar über den aktuellen Stand informiert.

Die Pille danach ist eine Maßnahme für den Notfall, kein Verhütungsmittel zur regelmäßigen und dauerhaften Anwendung. Sie verhindert bis zu drei Tage nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr mit großer Wahrscheinlichkeit eine ungewollte Schwangerschaft. Die heutigen Präparate enthalten das Hormon Levonorgestrel, sie sind sicher und nebenwirkungsarm. Das Mittel sollte möglichst schnell (am besten innerhalb von zwölf bis 24 Stunden) eingenommen werden.

Nach bisherigen Erkenntnissen hemmt Levonorgestrel die bevorstehende Ovulation. Ob es auch die Einnistung einer befruchteten Eizelle verhindert, ist noch nicht erwiesen. Die Pille danach wirkt somit nicht abortiv. Als möglicher Wirkmechanismus wird die Reduktion der Zahl von Spermien im Uterus diskutiert, die Immobilisierung der Spermien, eine Viskositätserhöhung des Zervikalschleims und eine veränderte Zusammensetzung der uterinen Flüssigkeit.

Vier von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführte Studien mit ca. 5000 Frauen haben die hormonelle Postkoitalverhütung mit 1,5 mg Levonorgestrel als sichere und gut verträgliche Methode eingestuft, die nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr das Schwangerschaftsrisiko um 60 bis 90 Prozent reduzieren kann.

Unterschiedliche Abgabemodalitäten

Wie Frauen ein Levornorgestrel-Präparat bekommen können, haben die Länder unterschiedlich geregelt: Abgabe über den Kauf aus dem Regal (z. B. in Dänemark, Estland, den Niederlanden, der Slowakei, Schweden, Norwegen), Abgabe durch den Apotheker mit mehr oder weniger Beratung (z. B. in Bulgarien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Luxemburg, Großbritannien) oder nur nach Verschreibung (z. B. in Deutschland, Bulgarien, Tschechien, Polen, Russland, Spanien). Nach den vorliegenden Untersuchungen hat die Abgabe als OTC-Präparat in Europa keine Hinweise für eine Verschlechterung des Verhütungsverhaltens ergeben.

Sachverständige dafür

Das Pharmaunternehmen Hexal hat beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Aufhebung der Verschreibungspflicht für das Präparat Duofem® beantragt. Das heißt, Levonorgestrel müsste bei der Anwendung als Notfallkontrazeptivum von der Verschreibungspflicht ausgenommen werden. Der Sachverständigenausschuss für die Verschreibungspflicht des BfArM hat im Jahr 2003 den Sachverhalt geprüft und sich für die Aufhebung der Verschreibungspflicht ausgesprochen. Das verantwortliche Bundesministerium für Gesundheit ist an die Empfehlungen nicht gebunden. Bisher wurde eine Verordnungsänderung für Levonorgestrel nicht in den Bundesrat eingebracht mit der Begründung, dass eine positive Entscheidung derzeit nicht zu erwarten sei.

Fachgesellschaften dafür

Die DGGG und pro familia sprechen sich für einen OTC-Status dieses Präparats in Deutschland aus: Dies stärke das Selbstbewusstsein der Frauen, fördere die reproduktive und sexuelle Gesundheit und erspare Schwangerschaftsabbrüche. Die Frauen sollten aber nach der Anwendung zum Arzt gehen, um eventuelle andere Begleitfaktoren oder Komplikationen (extrauterine Schwangerschaften, Infektionen etc.) auszuschließen.

Berufsverband der Frauenärzte dagegen

Der Berufsverband der Frauenärzte ist dagegen der Meinung, dass die hormonale postkoitale Kontrazeption ein klarer ärztlicher Notfall ist und nicht zum Aufgabengebiet des Apothekers gehören kann. Die Beratung wird als ärztliche Aufgabe angesehen. Aufgrund fehlender Erfahrungen und Ausbildung sei die notwendige Beratung über die Pille danach und deren rezeptfreie Abgabe durch den Apotheker nicht in Schnellkursen erlernbar. In der Offizin oder durch den Notdienstschalter sei die Beratung schwer vorstellbar. Bei Falschinformation könne sich im Versagensfall der Apotheker mit erheblichen Haftungsansprüchen konfrontiert sehen. Da die Einnahme bis 72 Stunden nach dem ungeschützten Verkehr erfolgen kann, sei die ausreichende Zeitspanne für eine ärztliche Beratung gegeben.

Pharmazeuten widersprechen zum Teil, da sicher am Wochenende in den Notfallpraxen auch keine ausführliche Beratung stattfinde. Außerdem läge der Verordnungsgipfel bei Mitte 20, da würden sich die Frauen mit den Mitteln auskennen und bräuchten nicht alle eine Beratung. Es gibt auch Fälle, in denen Frauen eine lange Odyssee hinter sich haben, bis zu 40 Stunden, bis sie endlich ein Rezept erhalten haben. An Wochenenden passiert es, dass die Apotheken keine Pille danach vorrätig hatten und keine abrufbare Lieferung erfolgen kann.

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