Arzneimittelversorgung: Ulla Schmidt begrüßt Blisterverfahren

MERZIG (ks). Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat am 7. März die weltweit erste industrielle Anlage zur Herstellung von Wochenblistern besucht. Im saarländischen Merzig gab ihr Edwin Kohl, Geschäftsführer der kohlpharma-Gruppe, Einblick in seine Vorstellung von einer modernen und kostengünstigen Arzneimittelversorgung: Die assist Pharma GmbH, ein Unternehmen der kohl-Gruppe, will ab Anfang kommenden Jahres so genannte "7 x 4-Wochenblister" im großen Stil über Apotheken vertreiben. Schmidt zeigte sich beeindruckt. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Hermann S. Keller, warnte indes davor, die individuelle Arzneimittelversorgung aufzugeben.

Kohl gab der Ministerin eine Einführung in seine Geschäftsidee, die den Namen "7 x 4 med" trägt: Er will chronisch Kranken, die mehrere Medikamente zugleich einnehmen müssen, das Leben erleichtern. Statt sich die Pillen selbst aus unterschiedlichen Blistern drücken zu müssen, können sie ihre Medikamente nun in einem gemeinsamen Groß-Blister erhalten - geordnet nach Einnahmetag und -zeitpunkt. Kohl versicherte Schmidt, dass die Blister "natürlich auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten zugeschnitten" seien. Diese zeigte sich von der Idee beeindruckt: "Diese Innovation ist ein Beitrag zu einer effizienteren und gezielten Arzneimittelversorgung". Sie zeigte sich überzeugt, "dass sich die sichere Einnahme auf dieser Basis in Deutschland durchsetzen wird." Zudem sieht die Ministerin die Chance, dass mit dem Konzept Medikamentenmüll vermieden werden kann.

Täglich bis zu 100.000 Wochenblister

Die bundesweite Markteinführung der industriellen Wochenblister ist für Anfang 2007 geplant. Täglich will assist Pharma dann bis zu 100.000 Blister produzieren und an die deutschen Apotheken abgeben (s. auch DAZ 2005, Nr. 38, S. 54, Interview mit Edwin Kohl). Bis Ende 2007 könnten rund 600.000 Patienten auf diese Weise versorgt werden, vermeldet das Unternehmen. Kohl kündigte zudem an, dass sein neues Projekt 600 neue Arbeitsplätze schaffen werde. Konkret soll das Verfahren folgendermaßen ablaufen:

Der Arzt verordnet wie bisher die Arzneimittel. Dabei berücksichtigt er mithilfe eines Praxisprogramms eine Medikamenten-Liste des Unternehmens und gibt auf dem Rezept die Dosiervorschrift an. Der Patient bringt alle seine Rezepte in eine Apotheke, die den Verblisterungs-Service anbietet. Der Apotheker überprüft die gesamte Medikation auf Kontraindikationen, Wechselwirkungen und Doppelverordnungen. Anschließend übermittelt er die in der Medikamentenliste der assist Pharma enthaltenen Verordnungen an das Unternehmen. Die Sortierung der verschiedenen Arzneimittel auf die vier Einnahmezeiten des Tages übernimmt dort die neue computergesteuerte Anlage. Der fertige Blister wird frühestens am nächsten Tag an die Apotheke geliefert, wo ihn sich der Patient abholen kann.

Bereits im Januar hat sich assist Pharma mit dem Generikahersteller TAD auf eine Zusammenarbeit verständigt. TAD soll einen wesentlichen Teil der generischen Arzneimittel für die Blisteranlage liefern. Jörg Geller, Mitglied der Geschäftsleitung der assist Pharma, erklärte, das Konzept sorge dafür, dass chronisch kranke und ältere Menschen möglichst lange zuhause versorgt werden können. Der Wochenblister erleichtere ihnen den Umgang mit Tabletten. Zudem sparten die Kassen Geld, das sie sonst für Arzneimittelmüll und Krankenhausaufenthalte ausgeben. Das Unternehmen wies die Befürchtung zurück, die Abgabe der Wochenblister werde eine Domäne der zur Kohl-Gruppe gehörenden AVIE-Apotheken. Mitmachen könnten alle Apotheken, "die genügend unternehmerisches Engagement mitbringen und bereit sind, die notwendige Software zu installieren".

Kostensenkung ist Augenwischerei

DAV-Chef Keller betrachtet das neue Projekt mit großer Skepsis: Er hält insbesondere das Versprechen, mit dem Verfahren könnten Kosten gesenkt werden, für eine "glatte Augenwischerei". Keller verwies darauf, dass die niedergelassenen Apotheker bei Bedarf bereits heute eine individuelle Versorgung mit Medikamenten sicherstellen. "Dabei steht uns das komplette Spektrum der Fertigarzneimittel zur Verfügung und nicht nur die orale Darreichungsform wie bei der industriellen Verblisterung", betonte Keller. Assist Pharma will sich hingegen auf 400 der rund 50.000 zur Verfügung stehenden Präparate beschränken - anderenfalls rechnet sich die industrielle Verblisterung nicht. "Von einer Versorgung, die sich an den Bedürfnissen der Patienten orientiert, kann dabei nicht mehr die Rede sein", so der DAV-Vorsitzende. Wenn die Produktion der Industrieblister keine Auswahl zulasse, müssten sich kranke Menschen den Erfordernissen einer Maschine anpassen. Für Keller eine unmögliche Vorstellung.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.