Kommentar

Die Gesundheitskarte krankt

Eigentlich sollte die elektronische Gesundheitskarte bereits seit 1. Januar in den Brieftaschen der Bundesbürgerinnen und -bürger stecken und zum Einsatz kommen. Eigentlich sollten Sie in der Apotheke bereits mit Terminals und Heilberufekarten arbeiten, elektronische Rezepte auslesen und die Medikation in den Patientendateien prüfen. Eigentlich. Der Traum von der Superkarte, die neben Versichertenkarte und elektronischem –Rezept auch noch Speicherkarte für Arzneimitteldaten, Notfalldaten und Patientenakten sein soll, muss den Widrigkeiten der Realität nachgeben. Da sind die riesigen Abstimmungsprobleme zwischen allen Beteiligten, angefangen bei den Heilberuflern Ärzte und Apotheker über die Krankenkassen bis hin zu den Informatikern und Technikern. Es ist in der Tat kein leichtes Unterfangen. Immerhin müssen 140.000 niedergelassene –Ärzte, 77.000 Zahnärzte, rund 2000 Krankenhäuser, 22.000 Apotheken und über 300 Krankenkassen vernetzt werden. Da sind die immer lauter werdenden Bedenken von Datenschützern und Sicherheitstechnikern. Die Privatsphäre der Versicherten ist nicht mehr sicher, Missbrauch der Daten zum Beispiel durch Lebensversicherer vorgezeichnet. Aber selbst die technische Datensicherheit ist mit dem heutigen Konzept der Karte nicht gewährleistet, sagen Experten. Beteiligte Firmen sehen den Wirrwarr um die Karte, die anfangs Goldgräberstimmung auslöste — nicht zuletzt durch die euphorischen Beteuerungen unserer Gesundheitsministerin, die Karte komme zum 1. Januar 2006 —, heute in Richtung Desaster gehen. Die Einführung soll insgesamt 1,4 Milliarden Euro kosten, die vermutlich nicht reichen werden. Das hätte ein kleines Programm zur Konjunkturbelebung werden können. Jetzt zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die Karte flächendeckend erst 2008 zur Verfügung steht, manche sprechen bereits vom Jahr 2010. In der vergangenen Woche verkündete Ulla Schmidt frohgelaunt, dass von April an Praxistests in acht ausgewählten Regionen anlaufen. Ich bin angesichts der in jedem Bundesland verschiedenen beteiligten Unternehmen auf die Ergebnisse gespannt. Recht seltsam mutete an, mit welchen Worten Schmidt den Beginn der Praxistests begleitete: Künftig könne der Apotheker erkennen, wenn sich Arzneimittel nicht miteinander vertrügen — dies sei ein entscheidender Fortschritt. Da ist der Ministerin wohl entgangen, dass diese Leistung viele Apotheken bereits seit langem erbringen. Und das Argument, dass mit der eGK (da sie ein Foto enthält) der Karten-Missbrauch verhindert werde, zieht auch nicht so recht: Wäre beim Arzt die Vorlage der Versichertenkarte zusammen mit einem Personalausweis Pflicht, könnten die Kassen schon heute 1 Milliarde einsparen. Früher gab es Krankenscheine und keine Gesundheitsscheine. Angesichts der Schwierigkeiten nennen wir die Gesundheitskarte wohl besser Krankheitskarte. Peter Ditzel

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