DAZ Feuilleton

Naumburger Apothekengeschichte(n)

Einen Einblick in die Geschichte der Apotheken sowie das Wirken bedeutender Naumburger Apotheker gibt eine Sonderausstellung, die bis zum 6. März im Naumburger Stadtmuseum "Hohe Lilie" zu sehen ist. Gezeigt werden unter anderem historische Apothekengeräte, Herbarbelege und Archivalien.

Mit einem vergoldeten Silberbecher und hundert Golddukaten bedankte sich der Landgraf Moritz von Hessen-Kassel bei Caspar Ratzenberger. Dieser hatte 1592 ein dreibändiges Herbarium vivum mit 746 gepressten Pflanzen an dessen Hof geschickt, weil er glaubte, dass dort sein Werk "in gute Hände geriete und große Beachtung fände". Der Naumburger Arzt und Apotheker sollte Recht behalten: Heute wird diese Pflanzensammlung – eine der ältesten Deutschlands – im Kasseler Naturkundemuseum aufbewahrt. Ein zweites Herbarium aus Ratzenbergers Nachlass ist an die herzogliche Bibliothek in Gotha übergeben worden.

Arzneidrogen

und Spezialitäten

Beide Herbarien konnten aus konservatorischen Gründen nicht für die Sonderausstellung im Naumburger Stadtmuseum zur Verfügung gestellt werden. Doch unter den zahlreichen Leihgaben von Dr. Bernd Hünerbein, Inhaber der Löwen-Apotheke in Naumburg, sowie aus der Linckschen Sammlung des Museums Waldenburg befindet sich manche andere Kostbarkeit.

Zum Auftakt wird die Geschichte der Heilpflanzenkunde thematisiert. Unter anderem wird ein Exemplar der um 1600 publizierten deutschen Ausgabe des Kräuterbuchs von Pierandrea Mattioli gezeigt. Jede Seite des Werks kann über ein Multimedia-Gerät abgerufen und gelesen werden. Weitere historische Publikationen über Arzneikräuter, eine Diaschau, Herbarbelege und "Riechstationen" illustrieren das Thema. Auch werden "magische Heilmittel" wie Unicornu verum und das Universalheilmittel Theriak vorgestellt.

Obwohl ein preußisches Gesetz den freien Handel mit Arzneiwaren verbot, versuchten Olitätenhändler aus dem Schwarzatal im Thüringer Wald wiederholt, in Naumburg Balsame, Essenzen, Kräuter und Pillen zu vertreiben. Dokumente von 1836 belegen, dass Apotheker Dr. Ludwig Franz Tuchen von der Löwen-Apotheke und Apotheker Ferdinand Bencken von der Lorbeerbaum-Apotheke zwei hausierende "Balsenträger" anzeigten.

Die Entwicklung der Arzneimittelherstellung ist das zweite Thema der Ausstellung. Gezeigt werden hier diverse Geräte von der Tinkturenpresse bis zum Rezepturtisch aus der Naumburger Marientor-Apotheke. Auch wird auf die Zulassung von Frauen zum Pharmaziestudium eingegangen. Ein Rezept, das für Friedrich Nietzsche nach einem Sturz vom Pferd ausgestellt worden war, wurde in der Naumburger Löwen-Apotheke eingelöst.

Bedeutende Apotheker

Außer Caspar Ratzenberger gab es noch andere prominente Apotheker in Naumburg. Pancratius Wolff hatte 1601 die Apotheke an der Marktecke übernommen und setzte eine Erneuerung des Apothekenprivilegs durch die Stiftsregierung in Zeitz durch. Heinrich Linck, Sohn einer Danziger Apothekerfamilie, war 1669 als Provisor in die Leipziger Löwen-Apotheke eingetreten. Nachdem er das Naumburger Bürgerrecht erworben hatte, kaufte er dort 1685 die Apotheke in der Herrengasse. Ein Jahr später erwarb er zusätzlich die Leipziger Löwen-Apotheke und verpachtete die Naumburger Offizin. Linck baute eine bedeutende Kunst- und Naturaliensammlung auf, die heute im Museum Waldenburg gezeigt wird.

Ludwig Franz Tuchen erwarb 1820 die Naumburger Löwen-Apotheke. Um eine drohende Cholera-Epidemie abzuwenden, errichtete er 1829 eine "Desinfektionsanstalt". Zahlreiche Ehrenämter als unbesoldeter Stadtrat und Branddirektor, als Vorsteher des St.-Jakobs-und-Heilig-Geist-Hospitals und als Vorsitzender des Arbeitsausschusses der staatlichen Jugendpflege übernahm Apotheker Carl Broche, der 1895 von seinem Vater Jean Louis Broche die Lorbeerbaum-Apotheke übernommen hatte.

Weil im ausgehenden 19. Jahrhundert die Einwohnerzahl Naumburgs stark gestiegen war, erhielt Charles Annatò 1896 die Erlaubnis für den Betrieb einer dritten Apotheke. 1854 als Sohn deutscher Eltern in St. Petersburg geboren, eröffnete er 1896 die Neue Apotheke am Wilhelmsplatz. Er wurde in die Sachverständigenkommission für die reichsgesetzliche Apothekenreform berufen und wirkte bei der Reform der Apothekenbesitzrechte und der Apothekenbetriebsordnung mit.

Info Stadtmuseum "Hohe Lilie", Grochlitzer Straße 49, 06618 Naumburg, Tel. (0 34 45) 70 35 03, Fax 6 99 02 35, www.MuseumNaumburg.de. Geöffnet: täglich von 10 bis 17 Uhr, bis zum 6. März.

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