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Deutschland ist Vorbild bei Naturmedizin

LONDON (jr). Britische Apotheker fordern bereits seit Jahren ein Umdenken in Bezug auf den Umgang mit Naturprodukten und alternativen Therapien. Ihre deutschen Kollegen werden als Vorreiter angesehen, wenn es darum geht, die Schulmedizin durch natürliche Heilverfahren sinnvoll zu ergänzen.

Die Aufklärungsaktion des Deutschen Grünen Kreuzes und der ABDA unter dem Motto "Naturmedizin hilft" findet nicht nur in Deutschland große Beachtung. Für viele britische Apotheker wie Ian Jackson ist das Engagement der deutschen Kollegen ein Beleg dafür, dass der Kunde zunehmend nach Alternativmedikationen sucht. Die zugleich kritischere Auseinandersetzung mit herkömmlichen Therapien dürfte nicht zuletzt auch den beinah regelmäßig veröffentlichten Schreckensmeldungen über konventionelle Medikamente geschuldet sein, so der Apotheker aus Derby.

Doch während in Deutschland die Vorteile und auch Grenzen der Naturmedizin verstärkt publik gemacht werden, erscheinen zum Bedauern vieler britischer Apotheker im Königreich noch immer in erster Linie Artikel, die selbst die Ergebnisse langjähriger Studien auf dem europäischen Festland ignorieren oder unberücksichtigt lassen. An Beispielen fehlt es Ian Jackson nicht. Seit 80 Jahren, so betont der Apotheker, werden Krebspatienten in Deutschland mit Mistelpräparaten behandelt.

In Großbritannien ist diese Form der Therapie kaum von Bedeutung. Verwundern will das den Pharmazeuten nicht, schließlich erschien erst im Dezember in einem der britischen Apothekenmagazine wieder ein Artikel, der von der Behandlung mit Mistelpräparaten abriet. Warum eine mehr als ausführliche Studie des Instituts für Präventive Medizin in Heidelberg über die Auswirkungen jener Misteltherapie nicht herangezogen wurde, will Ian Jackson nicht einleuchten. Immerhin wurden 10.266 Karzinompatienten aus ganz Deutschland über viele Jahre beobachtet, wobei nach langjähriger Misteltherapie eine erhöhte Überlebenschance nachgewiesen werden konnte.

Ebenso bedenklich stimmt den Apotheker der Umgang mit Frauen, die unter PMS-Symptomen leiden. Während in Deutschland auf Produkte aus Mönchspfeffer (Agnus castus) zurückgegriffen wird, gelangen in Großbritannien fast ausschließlich konventionelle Medikamente auf den Apothekentresen.

Als drittes Beispiel führt der Apotheker moderne Therapien zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen an, unter anderem mit ACE-Hemmern und Betablockern, die oftmals nur mit mäßigen Erfolgsquoten aufwarten. Im Gegensatz zum Vereinigten Königreich kommen in Deutschland wie auch in anderen europäischen Staaten neben den konventionellen Therapien verstärkt auch Weißdorn-Produkte (Crataegus) zum Einsatz. Eine derzeit dazu durchgeführte Studie mit 3000 Patienten wird an dem Missstand nichts ändern, befürchtet Ian Jackson, wie auch immer die Ergebnisse ausfallen mögen. Wenn in Deutschland beinah ein Drittel der in den Apotheken abgegebenen OTC-Produkte aus der Naturmedizin stammen, wissen Ian Jackson und seine Kollegen, wie viel Aufklärungsarbeit noch vor ihnen liegt, um im eigenen Land auch nur annähernd deutsche Verhältnisse zu erreichen.

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