Aus der Hochschule

VdPPHI: Pharmazieprofessoren lehnen Bachelor-Abschluss ab

Die Delegiertenversammlung des Verbandes der Professoren an Pharmazeutischen Hochschulinstituten (VdPPHI) hat nach eingehender Beratung am 25. November 2005 in Bonn die folgende, von der "Kommission Ausbildung Pharmazie" vorgelegte Stellungnahme verabschiedet.

 

Stellungnahme

1. Der Verband der Professoren an Pharmazeutischen Hochschulinstituten begrüßt und unterstützt die Ziele, die die europäischen Bildungsminister in ihrer Gemeinsamen Erklärung in Bologna 1999 formuliert haben. Dies sind insbesondere:

  • die Errichtung eines europäischen Hochschulraumes und die Förderung der europäischen Hochschulen;
  • die Erleichterung der Anerkennung akademischer Abschlüsse im Ausland;
  • die Förderung der Mobilität von Studierenden.

 

2. In Deutschland wird die universitäre und praktische Ausbildung zum Apotheker bundeseinheitlich durch die Bundesapothekerordnung und die 2000 novellierte Approbationsordnung für Apotheker geregelt. In gleicher Weise werden die Ausbildungen zu den anderen akademischen Heilberufen (Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte) durch entsprechende Bundesverordnungen geregelt. Die Absolventen dieser Ausbildungsgänge müssen ihre fachliche Qualifikation in Staatsprüfungen unter Aufsicht der Landesprüfungsämter nachweisen. Zeitpunkt, Umfang und Gestaltung dieser Prüfungen liegen also nicht in der Hoheit der Universitäten. Durch die Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) wird der einheitliche Qualitätsstandard der Ausbildung gewährleistet, der in anderen Studiengängen zukünftig durch Akkreditierungsverfahren erreicht werden soll.

Die Stärken der jetzigen Studienstruktur sind die erwiesenermaßen kurze Studiendauer (die Regelstudienzeit wird im Durchschnitt eingehalten), die geringe Studienabbrecherquote, die hohe Nachfrage nach Studienplätzen und die ausgezeichneten Arbeitsmarktchancen der Absolventen; die Arbeitslosigkeit bei Apothekern liegt seit Jahren lediglich im Bereich einer "Orientierungs-Arbeitslosigkeit".

Aufgrund der besonderen Bedeutung der Heilberufe ist eine europäische Harmonisierung der Ausbildung bereits in den 1980er und 1990er Jahren erarbeitet worden, lange bevor dieser Prozess durch die Bologna-Erklärung von 1999 auch für andere Studienfächer eingeleitet wurde. Für den Studiengang Pharmazie werden die europäische Harmonisierung der Ausbildung und die gegenseitige Anerkennung von Diplomen durch die EU-Richtlinien 85/432/EWG und 85/433/EWG sowie deren Änderungen durch die Richtlinie 2001/19/EG, das "Freizügigkeitsabkommen" zwischen der EU und der Schweiz sowie die EU-Beitrittsverträge geregelt. Die Anerkennung pharmazeutischer Diplome innerhalb Europas erfordert danach eine mindestens fünfjährige Ausbildung, von der mindestens vier Jahre an einer Universität und mindestens sechs Monate in einer öffentlichen Apotheke abgeleistet werden müssen. Insoweit ist der europäische Aspekt in der Zielrichtung des Bologna-Prozesses für den Studiengang Pharmazie bereits weitgehend erreicht.

Im Gegensatz zu Deutschland, Großbritannien und Kroatien fordern fast alle anderen Länder der Europäischen Union ein fünf- oder sechsjähriges Universitätsstudium, zusätzlich zu der praktischen Ausbildung. Die Dauer der universitären Ausbildung beträgt in der Schweiz vier Jahre + sechs Monate, in Österreich vier Jahre + neun Monate, in Belgien, Bulgarien, Dänemark, Griechenland, Irland, Island, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Serbien und Montenegro, in der Slowakischen Republik, Slowenien, Spanien, der Tschechischen Republik und Ungarn fünf Jahre, in Finnland fünf Jahre + sechs Monate sowie in Frankreich und den Niederlande sechs Jahre (Stand: August 2004).

Die Anerkennung eines pharmazeutischen Diploms, das zum Apothekerberuf oder zu einer gleichwertigen Tätigkeit qualifiziert, ist bei einem dreijährigen Bachelor-Studiengang durch die genannten europäischen Richtlinien ausgeschlossen. Tatsächlich werden in der großen Mehrheit der europäischen Staaten keine Studiengänge mit Bachelor-Abschlüssen in pharmazeutischen Fachrichtungen angeboten, und in keinem europäischen Staat ist eine verantwortliche pharmazeutische Tätigkeit mit einem solchen Abschluss möglich.

Auch in den USA, die in der Gestaltung universitärer Ausbildungsgänge vielfach als richtungweisend angesehen werden, ist der Bachelor-Abschluss in der Pharmazie vor kurzem an allen Universitäten vollständig abgeschafft worden. Die Ausbildung zum Apotheker erfordert in den USA nun ein sechsjähriges Hochschulstudium, das nach zwei Jahren College und vier Jahren an einem pharmazeutischen Hochschulinstitut zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss als PharmD (Doctor of Pharmacy) führt.

3. Angesichts dieser Situation muss festgestellt werden, dass die Einführung eines gestuften Studiengangs Pharmazie nicht im Einklang mit den Zielen der Bologna-Erklärung stehen würde. Ein Bachelor-Abschluss nach einem dreijährigen Studium könnte europaweit und transatlantisch nicht als pharmazeutischer Hochschulabschluss anerkannt werden und nicht für eine verantwortliche pharmazeutische Berufstätigkeit qualifizieren. Für Absolventen eines solchen Studienganges ist weder ein Berufsbild noch ein Bedarf auf dem Arbeitsmarkt erkennbar.

Aufgrund aller Argumente sieht der Verband der Professoren an Pharmazeutischen Hochschulinstituten momentan weder Anlass noch Bedarf, die bestehende Approbationsordnung im Sinne einer gestuften Bachelor-/Masterausbildung zu ändern.

4. Die Ziele der Bologna-Erklärung sollten vielmehr im Rahmen der bestehenden Approbationsordnung für Apotheker, die erst 2000 an die aktuellen Erfordernisse der Ausbildung angepasst wurde, weiter verwirklicht werden. Die Approbationsordnung geht von einer einheitlichen Approbation aus. Die wissenschaftliche Ausbildung umfasst alle Aspekte der Pharmazeutischen Wissenschaften und befähigt für alle Tätigkeiten im Bereich der Pharmazie. Die novellierte Approbationsordnung gibt bereits eine klare Modularisierung des Studienganges in thematisch geordnete Module ("Stoffgebiete") vor, mit genauer Angabe des Stundenumfanges und mit einer Zuordnung zum Grund- oder Hauptstudium.

Darauf aufbauend hat der Verband entsprechende Module erarbeitet und diese mit Credit Points nach dem ECTS ausgestattet. Für jedes Modul ist eine genaue Beschreibung erarbeitet worden. Diese Pläne werden allen pharmazeutischen Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Sie können von den einzelnen Universitäten übernommen bzw. den lokalen Studienordnungen angepasst werden. Die Module können auch anderen Studiengängen angeboten werden, um den gewünschten Ausbau der Life Sciences zu unterstützen. Das Credit Point System nach ECTS ermöglicht auch die Anerkennung von individuellen Studienleistungen an inländischen und ausländischen Universitäten und trägt damit dem Ziel der Förderung der Mobilität von Studierenden Rechnung.

Die Einführung möglicher neuer Studienabschlüsse im Studiengang Pharmazie muss mit den entsprechenden Entscheidungen in den Studiengängen Humanmedizin, Zahnmedizin und Tiermedizin, die ebenfalls durch Bundesverordnungen geregelt sind, harmonisiert werden. Einerseits übernimmt das Fach Pharmazie immer mehr eine Mittlerrolle zwischen den medizinischen und naturwissenschaftlichen Studienfächern. Andererseits erfordert diese Rolle auch eine stärkere Vernetzung der Pharmazie mit den anderen naturwissenschaftlichen Fächern, in denen nunmehr zweizyklisch strukturierte Bachelor-/Master-Studiengänge eingeführt werden. Deshalb können die an verschiedenen pharmazeutischen Hochschulinstituten bereits angebotenen Diplomstudiengänge im Fach Pharmazie mit dem Abschluss eines Masters in einem speziellen Pharmazeutischen Fach ausgebaut werden. Diese Studiengänge sollen Spezialisierungen für bestimmte wissenschaftliche Ausrichtungen in den Pharmazeutischen Wissenschaften ermöglichen und auch den Absolventen verschiedener naturwissenschaftlicher Studiengänge offen stehen, ohne aber zur Approbation zu führen.

Schon bisher sind sehr viele Chemiker, Biologen und andere Naturwissenschaftler in der Pharmazie promoviert worden. Diese Möglichkeit soll in Form von Promotionsstudiengängen weiter ausgebaut werden.

Abgelehnt werden hingegen neue grundständige Studiengänge im Bereich der Pharmazeutischen Wissenschaften, die zu Lasten der Kapazitäten im Bereich der Apothekerausbildung eingerichtet werden, da der Apothekerberuf schon jetzt einen Mangelberuf darstellt.

5. Der Verband, insbesondere dessen Ausbildungskommission wird sich weiter intensiv mit der Apothekerausbildung beschäftigen. Vor dem Hintergrund der aktuellen und zukünftigen Entwicklung des Bologna-Prozesses wird die Kommission die Vor- und Nachteile der Einführung zweistufiger Studiengänge in der Pharmazie auf der Grundlage der jetzt gültigen Approbationsordnung auch weiterhin sorgfältig prüfen. Gegebenenfalls wird die Kommission entsprechende Vorschläge zur Optimierung der pharmazeutischen Ausbildung vorlegen.

Prof. Dr. H.-H. Borchert (Vorsitzender des VdPPHI), 
Prof. Dr. S. Elz (Stellvertretender Vorsitzender des VdPPHI), 
Prof. Dr. B. Clement (Vorsitzender der „Kommission Ausbildung Pharmazie“)

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