Aus der Hochschule

Universität Hamburg: Neuorientierung am Tag der Pharmazie

Im Mittelpunkt des Tages der Pharmazie der Universität Hamburg am 14. Dezember stand die Antrittsvorlesung der neu berufenen Professorin für Pharmazeutische Technologie, Prof. Dr. Claudia Leopold. Ihre Berufung markierte das Ende der quälenden Diskussion über den Fortbestand der Hamburger Pharmazie, aber auch den Einstieg in die Arbeit mit einem verkleinerten Institut.
Prof. em. Dr. Jobst E. Mielck ist glücklich, dass sein Lehrstuhl neu besetzt wurde.

Wie der geschäftsführende Direktor des Instituts, Prof. Dr. Peter Heisig, erläuterte, hatte ein Einstellungsstopp zu einem monatelangen Ringen um die Neubesetzung des Technologielehrstuhls nach der Emeritierung von Prof. Dr. Jobst B. Mielck geführt. Der Fortbestand der Hamburger Pharmazie sei dabei um einen hohen Preis gesichert worden: Künftig stehen weniger finanzielle Mittel und weniger Personal zur Verfügung, und es werden nur noch einmal jährlich zum Wintersemester jeweils 42 Studierende neu aufgenommen. Die Verkleinerung gefährde die Effektivität der Ausbildung, die sich bisher in einer sehr guten Relation zwischen den Anzahlen der Lehrenden und der Lernenden ausdrücke, und erfordere künftig Lehrimporte aus der Chemie und Biologie. Den Studierenden drohe, bei Krankheit oder Nichtbestehen einer Prüfung ein ganzes Studienjahr zu verlieren, bis die Veranstaltung erneut angeboten wird.

Rainer Töbing, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, betonte den positiven Aspekt, dass die Pharmazie in der Hansestadt erhalten werden konnte, und bot die weitere Unterstützung der Kammer für die Zukunft des Instituts an.

Viel Lob für die Pharmazie

Dr. Dr. h.c. Jürgen Lütje, Präsident der Universität Hamburg, hob die große Beliebtheit des mittlerweile fünften Tages der Pharmazie in Hamburg hervor, der seit 1997 alle zwei Jahre stattfindet. Turbulenzen wie in der Hamburger Pharmazie gebe es auch in der Universität insgesamt, die ihm wie eine Stadt vorkomme, in der überall gleichzeitig gebaut wird. Dies meistere die Pharmazie mit Engagement und Geschick. Mit der Einführung der Klinischen Pharmazie leiste sie eine wichtige Erneuerung und schlage eine wünschenswerte Brücke zur Medizin. Außerdem würdigte er die Pharmazie als einen besonders effizienten Studiengang mit geringer Abbrecher- und hoher Absolventenquote sowie hohem Frauenanteil, auch bei den Promovierenden. Er erkannte den großen gesellschaftlichen Bedarf an Pharmazeuten an, der möglicherweise noch wachsen werde. So liege das Fach der Universität weiterhin am Herzen.

Als Ausdruck für den allgemeinen Umbruch an der Hamburger Universität stellte Prof. Dr. Chris Meier, Dekan des Fachbereichs Chemie, die noch unklaren Konsequenzen der im September erfolgten Gründung der MIN-Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften dar, lobte aber auch die gute Zusammenarbeit der Beteiligten. Der formale Bestand der Fachbereiche und Institute sei ungewiss, und es müsse eine neue Finanzstruktur geschaffen werden.

Außerdem werden Bachelor-Master-Studiengänge eingeführt, auch wenn sie in den Naturwissenschaften kaum gebraucht werden.
 

Prof. Dr. Hans-Jürgen Duchstein

Geschichte einer Schrumpfung

Einen mehr praxisorientierten Einblick in die Veränderungen am Institut vermittelte Prof. Dr. Hans-Jürgen Duchstein. Bei bisher konstanter Zahl der Studierenden sei das Institut innerhalb von zehn Jahren von sechs auf fünf Professoren und von fünf auf vier Dauerstellen geschrumpft. Seit 1989 habe sich der Etat halbiert. Dennoch sei sehr gute wissenschaftliche Arbeit geleistet worden, wie die Habilitationen, Promotionen, Einladungen zu internationalen Kongressen und diverse in Hamburg abgehaltene Fortbildungsveranstaltungen zeigen. Hinsichtlich der hohen Bewerberzahl, der kurzen Studiendauer, der geringen Abbrecherquote, der hohen Quote der Promovierenden und der Ergebnisse der bundesweit vergleichbaren ersten Staatsexamina sei die Pharmazie ein Vorzeigestudiengang an der Universität Hamburg. Gerade angesichts der zuvor geäußerten Anerkennung dieser Tatsachen durch den Universitätspräsidenten seien die jüngsten Diskussionen über den Fortbestand des Studienganges umso weniger zu verstehen. Ausgehend von der lange vorhersehbaren Neubesetzung des Technologielehrstuhls sei der Studiengang vor die Wahl zwischen Schließung oder Verkleinerung gestellt worden. Die nun erfolgte Verkleinerung des gut funktionierenden Instituts sei so unangemessen wie eine Amputation bei einem Gesunden.

Dennoch sah Duchstein einen in Ansätzen positiven Ausblick. Künftig müsse die Pharmazie ihr Profil auch gegenüber den anderen Fächern der Fakultät schärfen. Im Sinne des Bologna-Prozesses sei die Modularisierung des Studiums voranzutreiben. Das Institut werde sich entsprechend vorbereiten, aber vor 2012 sei keine Änderung der Ausbildung zu erwarten. Ein Masterabschluss könne das Studium durch die Abschlussarbeit wissenschaftlich aufwerten, aber für einen Bachelor gebe es in der Pharmazie kein Berufsbild. Als Zeichen für die hohe Qualität der Ausbildung zeichnete Duchstein die drei Studierenden mit den besten Noten im zurückliegenden ersten Staatsexamen und die vier erfolgreichsten Teilnehmerinnen des zweiten Staatsexamens mit Präsenten aus.
 

Prof. Dr. Claudia Leopold

Drug Targeting im Dickdarm

Prof. em. Dr. Jobst B. Mielck stellte Prof. Dr. Claudia Leopold vor, die nach Studium und Promotion in Düsseldorf, weiteren Stationen in den USA und einer Professur in Leipzig im Oktober 2005 seine Nachfolge auf dem Technologielehrstuhl in Hamburg antrat. Leopold gab eine umfassende Übersicht über die technologischen Möglichkeiten für das Drug Targeting im Kolon. Dies zielt zumeist auf reduzierte Dosierungen und damit verringerte Nebenwirkungen bei der lokalen Therapie von Erkrankungen des Dickdarms. Die Wirkstofffreisetzung aus festen oralen Arzneiformen im Dickdarm kann durch

  • den pH-Wert,
  • den Zeitablauf
  • die Enzyme der Dickdarmflora oder
  • den Druck peristaltischer Wellen

gesteuert werden. Davon spielt das letzte Konzept bisher praktisch keine Rolle.

Da sich pH-kontrollierte magensaftresistente Überzüge bereits im Dünndarm aufzulösen beginnen, entscheidet deren Schichtdicke über den Freisetzungsort, was als wenig vertrauenswürdiges Konzept anzusehen sei. Solche Arzneiformen werden häufig eingesetzt, obwohl sie sich zu früh auflösen oder unverändert ausgeschieden werden können. Eine von Leopold entwickelte Formulierung zur Anwendung bei Colitis ulcerosa nutzt dagegen den bei dieser Krankheit stark erniedrigten pH-Wert im Dickdarm. Im Sauren löst sich eine basische Polymerschicht, die einen mukoadhäsiven Wirkstoffkern umgibt. Ein äußerer säureresistente Überzug dient als Schutz vor dem Magensaft und wird im Dünndarm aufgelöst.

Die zeitkontrollierte Wirkstofffreisetzung beruht auf der relativ konstanten Dünndarmpassagezeit fester oraler Arzneiformen von zwei bis vier Stunden nach nüchterner Einnahme bei Gesunden. Die zeitliche Verzögerung der Freisetzung wird bei verschiedenen Systemen durch Quellung, osmotischen Druck, Erosion oder Auflösung von Überzügen vermittelt. Sie hängt meist von der Dicke der Überzüge ab und ist unabhängig vom pH-Wert, was insbesondere für die Behandlung von Kranken mit veränderten pH-Werten im Gastrointestinaltrakt vorteilhaft ist. So erscheint die zeitkontrollierte Freisetzung im Vergleich zu den anderen Konzepten als besonders vielversprechend.

Die Kontrolle der Wirkstofffreisetzung durch Enzyme setzt voraus, dass der jeweilige Überzug nur von den Enzymen des Kolons, aber nicht in anderen Teilen des Gastrointestinaltraktes aufgelöst wird. Das Konzept hängt von der Ernährung und vom Gesundheitszustand des Patienten ab und ist daher störanfällig.
 

Prof. Dr. Detlef Geffken

Grundlagenforschung - Erfolg durch Neugier

Im Festvortrag stellte Prof. Dr. Detlef Geffken Ergebnisse aus drei Jahrzehnten universitärer Grundlagenforschung zur Heterocyclenchemie mit N-O- und N-N-Bindungen vor. Solche Grundlagenforschung beruhe auf individueller Neugier, Phantasie und Kreativität. Sie wolle die Erkenntnis mehren, erfordere langen Atem, widerstehe materiellen Verlockungen und ebne so den Weg ins Ungewisse. Dennoch könne zeitweilig auch die Orientierung an einer Anwendung in den Vordergrund rücken.

Geffkens Forschungen an labilen und damit reaktiven Ringsystemen führten zu alternativen Synthesemethoden für bekannte Substanzen und zu ganz neuen Wirkstoffen. So hatte eine Substanz hohe fungizide Aktivität gegenüber Schädlingspilzen in Getreidekulturen gezeigt. Die gezielte Untersuchung von 700 Molekülvariationen führte nach fast drei Jahren zu Famoxadone, das von der Firma DuPont unter dem Handelsnamen Famoxate 1989 weltweit als präventives Fungizid mit breitem Wirkungsspektrum zum Schutz zahlreicher Kulturpflanzen eingeführt wurde.

In diesem Fall seien viele günstige Umstände zusammengekommen. Dagegen haben andere Substanzen nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, sich aber als wertvolle Zwischenstufen für andere Synthesen erwiesen. Neueste Forschungen betreffen Substanzen, die als Adenosin-2A-Antagonisten wirken könnten.

Grundlagenforscher sollten sich auch von negativen Befunden in der Literatur nicht abhalten lassen neue Wege zu testen, um angeblich nicht stabile Substanzen doch gewinnen zu können. Die Bereitschaft dafür hänge von ihrer Beharrlichkeit ab. Doch auch in kurzer Zeit können manchmal vielversprechende Ergebnisse erzielt werden. So berichteten Geffken und Duchstein von einer Studentin, die im Rahmen des Wahlpflichtpraktikums nach der neuen Approbationsordnung einen interessanten Syntheseweg beschreiben konnte und so bereits vor dem Examen zwei Publikationen vorzuweisen hat.

Dr. Thomas Müller-Bohn

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