Die Seite 3

Endlich raus aus der Defensive?!

Klaus G. Brauer

Schluss mit Lustig: Wie die Politik mit den Apothekern und deren Berufsvertretung umgeht, muss uns nachdenklich stimmen. Schnell ist verpufft, dass wir vor der Jahresmitte superfair verzichtet haben, im Zusammenhang mit den sinkenden Packungszahlen unseren 400 Millionen Euro schweren Rechtsanspruch auf Ausgleich einzufordern. Trotzdem langt die Ministerin jetzt erneut zu. Und das nicht gerade auf die feine Art.

Wenn umgesetzt wird, was die Große Koalition am 16. Dezember bei der ersten Lesung im Bundestag durchgewinkt hat, beschert das Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) den Apotheken erhebliche finanzielle Einbußen - zum Teil direkt (durch das weitgehende Verbot von Rabatten oder anderen geldwerten Vorteilen), zum Teil indirekt, weil wir auch von der Verschlechterung der Einkaufskonditionen des Großhandels betroffen sein werden.

Die Einbußen allein sind schlimm genug, aber nur die halbe Wahrheit. Eher noch schlimmer ist, dass uns die ganze schöne Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung den versprochenen und erhofften Image- und Glaubwürdigkeitsgewinn nicht beschert hat. Durch die nun weitgehend pauschale Honorierung für verschreibungspflichtige Arzneimittel "profitieren" wir nicht mehr von höheren Arzneimittelpreisen. Das sollte uns in die Lage versetzen, ohne wirtschaftliche Vor- oder Nachteile bei der Auswahl unter wirkstoffidentischen Generika zugunsten von Patienten und Krankenkassen eine fachlich und wirtschaftlich sinnvolle Auswahl zu treffen. Daraus wurde nichts. Nun wurden (wie zu erwarten) die Rabatte ins Feld geführt. Sie würden uns beeinflussen - so der Verdacht. Ihn zu erhärten, reichte schon die nur auf dem Papier stehende Existenz der Angebote. Und in der Tat: Wo Rabatte unter dem Dach der Arzneimittelpreisverordnung nachhaltig in einer Größenordnung gewährt würden, die den Herstellerabgabepreis zum Mondpreis macht, ist der Argwohn der Politik verständlich. Dass sie hier einen Riegel vorschieben will, ist nachvollziehbar.

Bis hierher kann man dem AVWG noch folgen. Danach springt das Gesetz jedoch einerseits zu weit und andererseits nicht weit genug.

Zu weit geht es, weil es die Beschränkung von Natural- und Barrabatten dem bisherigen Wortlaut nach auch auf OTC-Arzneimittel ausdehnt. Deren Preisbildung wird seit dem GMG (also seit Anfang 2004) nicht mehr durch die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) geregelt. Die Ein- und Verkaufspreise sind seither auf allen Handelsstufen frei bestimm- bzw. vereinbar. Ein Verbot von Rabatten kann man hier zwar beschließen - es läuft aber ins Leere. Daran ändert nichts, dass eine kleine Zahl von "OTX"-Arzneimitteln als explizite Ausnahmen weiter zu Lasten der GKV verordnet werden darf und (nach § 129 Absatz 5a SGB V) unter Rückgriff auf die ansonsten abgelöste alte AMPreisV abzurechnen ist. Anders wäre die Situation nur, wenn die OTC-Preise heute generell noch durch die Arzneimittelpreisverordnung alter Art geregelt würden. Hier hat die Politik sich selbst ein Bein gestellt. Die "Freigabe" der OTC-Arzneimittel war nicht nur arzneimittelpolitisch (Arzneimittel sind keine Konsumgüter, deren Verbrauch via Preispolitik angeheizt werden sollte) ein Fehler - das dämmert vielleicht inzwischen dem einen oder anderen Politiker.

Inwiefern geht das AVWG nicht weit genug? Es lässt Chancen ungenutzt, die sich ergeben, weil den Apothekern Eigennutz bei der Generikaauswahl nun wirklich nicht mehr unterstellt werden kann. Unter dem Dach der neuen Arzneimittelpreisverordnung und durch die weitgehende Beschränkung von Rabatten machen solche Unterstellungen keinen Sinn mehr. Es ist deshalb an der Zeit, aut idem neu zu denken. Fachlich bringt der Apotheker die mit Abstand besten Voraussetzungen mit, leitliniengerecht unter wirkstoffgleichen Arzneimitteln auszuwählen (siehe hierzu die DPhG-Leitlinie zur Guten Substitutionspraxis in DAZ 2002, Nr. 10). Aber die Zeit ist reif für mehr: Bei der Generikaauswahl sollten wir jetzt bereit sein, uns nicht nur pharmazeutisch, sondern auch ökonomisch in die Pflicht nehmen zu lassen (vgl. DAZ 2005, Nr. 39, S. 50f.).

Beides ist elegant vereinbar. In der Einzelentscheidung zwischen wirkstoffidentischen Arzneimitteln kann die Apotheke maximale Freiheit bekommen - sie darf im gesamten Preisspektrum ein Präparat auswählen (also z. B. auch das, was der Patient zuvor hatte). In der Summe ihrer Entscheidungen muss die Apotheke aber Einsparungen erzielen, die vertraglich oder durch den Verordnungsgeber in einem geordneten Verfahren vorgeben werden. Werden die Vorgaben verfehlt, greift ein Regress hierfür beim Apotheker, nicht mehr beim Arzt. Der Arzt wäre insofern - was die Entscheidung zwischen wirkstoffgleichen Arzneimitteln angeht - aus der Haftung entlassen. Über eine prozentuale Zuzahlung auch im Preisbereich unter 50 Euro könnten auch Patienten stärker an einer preiswerten Generikaauswahl interessiert werden.

Gelingt es uns, das AVWG als Hebel zu nutzen, um unseren Beruf endlich ein Stück aus der Defensive zu bringen? Die Politik sollte die neue Chance ergreifen, die Kompetenz und das Engagement der Apotheker besser zu nutzen.

Ich wünsche Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein besinnliches Weihnachtsfest und - allen Herausforderungen zum Trotz - ein gutes Jahr 2006.

Klaus G. Brauer

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