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Kommentar: Gewinne auf Kosten der Angestellten

Immer weniger Apothekenangestellte werden über Tarif bezahlt. Dafür ist der Anteil untertariflicher Gehälter und Sonderzahlungen erheblich gestiegen. Das ist eines der wichtigsten Ergebnisse der diesjährigen Umfrage von ADEXA zu den Arbeitsbedingungen in deutschen Apotheken...
Jutta Nörenberg

Besonders beim 13. Monatsgehalt haben die Apothekenleiter drastisch gekürzt: Immer seltener wird eine übertarifliche Sonderzahlung gezahlt, und jeder dritte Angestellte erhält als Sonderzahlung weniger als ein Monatsgehalt. Dabei war zum Zeitpunkt der Umfrage die tarifvertragliche Regelung, in begründeten wirtschaftlichen Notfällen die Sonderzahlung bis zu 50% zu kürzen, noch gar nicht in Kraft. Wie wir aus der Rechtsberatung wissen, haben sich dennoch viele Apothekenleiter darauf bezogen – ein glatter Rechtsbruch.

Wirtschaftlich lässt sich das kaum rechtfertigen: Die Gewinnzahlen für 2004 waren gut, und auch die Prognose für 2005 ist kein Grund für Streichungen. Man könnte es auch umgekehrt ausdrücken: Die Apothekenleiter haben ihre Gewinne auf Kosten der Angestellten stabilisiert, indem sie die Tarifabschlüsse verzögert, die Tariferhöhung nicht weiter gegeben und Gehälter und die Sonderzahlung gekürzt haben. Daher fühlen sie sich auch besser, wie die ADEXA-Umfrage zeigt: 10 Prozent mehr, nämlich jetzt über 40% der Angestellten gaben an, dass die Stimmung ihres Apothekenleiters gut sei. Kein Wunder!

Diese Medaille hat jedoch eine Kehrseite. Wer nämlich nicht angemessen bezahlt wird, wird seine Arbeitskraft kaum zu hundert Prozent einbringen. Und auch bei Angestellten ist irgendwann eine Untergrenze erreicht, unterhalb derer sie nicht mehr "kostendeckend" ihre Arbeitskraft anbieten können. Sei es, dass sie in die innere Kündigung gehen, erkranken oder den Arbeitsplatz wechseln – letztlich kommt dies den Arbeitgeber wesentlich teurer als ein paar Euro Gehalt mehr.

Sicherlich ist es schön, wenn Gewinne gemacht werden, und je höher sie ausfallen, desto hübscher sieht das Gesamtergebnis aus. Dies kann jedoch in der heutigen Zeit kein Selbstzweck sein. Die Apotheken stehen mehr denn je auf dem Prüfstand, und Testkäufe, Pseudo Customer oder Mystery Shopper offenbaren an vielen Stellen die Versäumnisse der Vergangenheit. Eine genauere Analyse zeigt, dass in den meisten Fällen eben nicht der Apothekenleiter den Publikumskontakt hat, sondern eine/r seiner Angestellten. Hier können wir zukünftig nur erstklassige Ergebnisse erzielen, wenn wir erstklassige Patientenberater haben – und die gibt es nur mit angemessener Honorierung. Diverse andere Marktpartner stehen schon in den Startlöchern, um den Apothekern ihre Pfründe wegzunehmen. Sollen wir ihnen das Feld kampflos überlassen, weil es angeblich nicht möglich ist, ein angemessenes Gehalt zu zahlen oder eine 100%ige Sonderzahlung? Dann könnte sich einst der knauserige Apothekenleiter von heute als schlecht bezahlter Zeitarbeiter in einem Call Center einer großen Internetapotheke wiederfinden – ganz ohne 13. Monatsgehalt, mit superflexiblen Arbeitszeiten und der Willkür seiner Arbeitgeber ausgeliefert...

Jutta Nörenberg,
Tarifexpertin bei ADEXA

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