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Tabak: Vom Allheilmittel zum Glimmstängel

Eine Ausstellung von mehr als 500 Objekten, Dokumenten und Graphiken aus der Tabakhistorischen Sammlung der British American Tobacco vermittelt im Kulturzentrum Altes Rathaus Bayreuth die Kulturgeschichte des Tabaks. Dabei geht es nicht nur um Zigarre, Zigarette und Pfeife, sondern auch um Schnupftabak und Kautabak.

 

Zigaretten aus der Apotheke?

Nach Vorstellungen der WHO ist diese Frage gar nicht so abwegig. Weil nämlich die eigentliche Ware das süchtig machende Nicotin sei, sollten die Glimmstängel nur noch streng reguliert durch Apotheker abgegeben werden, forderte vor einigen Jahren die WHO-Generaldirektorin Gro Harlem Brundtland. Für die Apotheker ziemlich starker Tobak: Der Verkauf von Tabakwaren in Apotheken sei mit dem heilberuflichen Selbstverständnis des Berufsstands nicht vereinbar, stellte Hans-Günter Friese, damaliger Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, ein für allemal klar.

Vor drei-, vierhundert Jahren glaubte man hingegen noch, mit dem Kraut des nicotinhaltigen Nachtschattengewächses aus der Neuen Welt Krankheiten heilen zu können. Deshalb gab es damals Tabak auch oder sogar ausschließlich in Apotheken. Bereits in den alten Kulturen Amerikas hatte das alkaloidhaltige Kraut eine herausragende Stellung als heilige Pflanze und Heilmittel: Priester und "Medizinmänner" rauchten zusammengerollte Tabakblätter, um mit den Gottheiten Kontakt aufzunehmen und die Leiden Kranker zu lindern.

Monsieur Nicot empfiehlt die "Wunderdroge"

Tabak wurde zunächst am spanischen und am portugiesischen Hof als Zierpflanze, bald aber auch als Arzneipflanze angebaut – zumal der Leibarzt König Philipps II. von Spanien, Andreas Vesalius, die Pflanze als vielseitig zu verwendendes Heilmittel empfahl. Jean Nicot, französischer Gesandter am portugiesischen Hof, beschrieb 1560 erstmals die heilende Wirkung des Tabaks in einer Publikation. Er schickte auch Tabaksamen in seine Heimat, wo die Königin Katharina von Medici die "Wunderdroge" unter ihren persönlichen Schutz stellte, nachdem sie durch das Inhalieren pulverisierter Tabakblätter von Migräneanfällen befreit worden war.

1586 benannte Jacques Dalechamps das Nachtschattengewächs aus der Neuen Welt "herba Nicotiana". Der schwedische Botaniker Carl Linnaeus konservierte Nicotiana als Gattungsnamen; er unterschied bereits die beiden Arten N. tabacum (Virginischer Tabak) und N. rustica (Bauerntabak).

Vom Allheilmittel zum Genussmittel

In den höfischen Kreisen Spaniens, Portugals und Frankreichs als Heilmittel gegen allerlei Krankheiten und Zipperlein in den höchsten Tönen gepriesen, wurde der Tabak in Deutschland erstmals 1565 durch den Augsburger Stadtphysikus Adolph Occo öffentlich als Heilmittel empfohlen.

Nachdem die erste Euphorie über das Wundermittel verflogen war, gewann Tabak als Genussmittel an Bedeutung. Der englische Kapitän Ralph Lane hatte 1586 die ersten indianischen Pfeifen aus der Neuen Welt mitgebracht. Von England aus verbreitete sich die Sitte des Tabakrauchens zusehends auf dem europäischen Festland. Britische Studenten "lehrten" ihre niederländischen Kommilitonen das Pfeiferauchen, und von Holland aus breitete sich die neue Mode schnell in fast ganz Europa und auch in Asien aus. Der Tabakkonsum bedurfte nun keiner medizinischen Indikation mehr. Parallel zu dieser Entwicklung hatten die Apotheker den Vertrieb der Droge an andere Kaufleute abgetreten.

Verbote zwecklos, Steuern einträglich

Bald war nicht nur der medizinische Nutzen des Tabaks, sondern auch die Sitte des Tabakrauchens umstritten. So veröffentlichte König Jakob I. von England 1603 eine Streitschrift, in der er den Tabakgenuss als "das wahre Bild der Hölle" darstellte. Weil er die Raucher nicht bekehren konnte, erhöhte er schließlich den Einfuhrzoll um das Vierzigfache. Auch König Ludwig XIV. von Frankreich war ein entschiedener Gegner des Tabakkonsums.

Kaiser Leopold I. von Österreich versuchte, aus dem Laster eine Tugend zu machen: Er verlieh seinem Oberjägermeister ein Tabakmonopol und finanzierte mit den daraus erwirtschafteten Steuereinnahmen seine Jagdlust. Dies ist nur eines von zahlreichen Beispielen, dass staatliche Aktionen gegen den Tabakgenuss immer wieder auf der Strecke bleiben, sobald aus dem Laster ein wirtschaftlicher Nutzen gezogen werden kann.

Kunstwerke für Schnupfer...

Seit der Verbreitung des Tabaks in Europa hat er immer wieder Künstler und Kunsthandwerker inspiriert. Sie schufen sowohl für die medizinische Verwendung von herba Nicotiana als auch für deren Konsum als Schnupfmittel oder Rauchtabak spezielle Utensilien. So wurden schon Mitte des 16. Jahrhunderts Tabatieren entwickelt – kleine Dosen aus mehr oder minder wertvollen Materialien mit gut verschließbarem Deckel, um den Schnupftabak feucht zu halten ("Schnupftabaksdose").

...und Freunde des blauen Dunstes

Freunde des blauen Dunstes brauchten hingegen Tabakpfeifen, die aus Ton gebrannt oder aus verschiedenen Hölzern oder aus Meerschaum geschnitzt wurden. Auch einige Porzellanmanufakturen versuchten von dem Trend zu profitieren, indem sie Pfeifenköpfe aus bemaltem Porzellan auf den Markt brachten. Pfeifenbestecke, Pfeifenbeutel und -etuis, Tabakbehältnisse und zahlreiche weitere – zuweilen aus wertvollen Materialien gefertigte – Utensilien waren erforderlich, um die Pfeife genießen zu können.

Auf der Iberischen Halbinsel hatte sich die Pfeife indessen nie etablieren können. Von den Ureinwohnern Lateinamerikas hatten die spanischen und portugiesischen Eroberer gelernt, fein geschnittenen Tabak mit Tabakblättern zu "tobako" oder mit Papier zu "papelitos" zu rollen. Von den Kolonien verbreitete sich die Sitte in den Mutterländern; so verarbeitete man in Sevilla aus Kuba importierten Tabak seit Beginn des 18. Jahrhunderts zu Zigarren und einige Jahrzehnte später auch zu Zigaretten. Diesem Beispiel folgend, wurde die erste deutsche Zigarrenfabrik 1788 in Hamburg gegründet. Der "Glimmstängel" wurde in Deutschland hingegen erst viel später populär: 1862 eröffnete Josef Hupmann in Dresden die erste Zigarettenfabrik.

Reinhard Wylegalla

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