Arzneimittel und Therapie

Salzarme Ernährung um jeden Preis?

Sich salzarm zu ernähren, ist beim Bluthochdruck eine gängige Empfehlung. Zwar sind Beweise, dass man damit tatsächlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern kann, Mangelware. Dennoch wird die salzarme Kost von Befürwortern als wichtige Maßnahme bei der Therapie des Bluthochdrucks eingestuft. Nicht überall wird diese Meinung allerdings geteilt. Und manch ein Experte warnt sogar davor, die salzarme Kost zu übertreiben.

Befürworter der salzarmen Ernährung gehen davon aus, dass sich mit einer salzarmen Diät nicht nur ein erhöhter Blutdruck senken, sondern auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern lassen. Immer wieder machen Empfehlungen die Runde, wonach sich ältere Menschen generell salzarm ernähren sollen. Ob solch pauschale Ratschläge jedoch gerechtfertigt sind, ist höchst umstritten. Es existiert keine Studie, die wirklich belegt, dass eine salzarme Ernährung bei einem normalen Blutdruck das Leben verlängert oder Krankheiten wie Schlaganfälle und Herzinfarkte verhindert.

Dennoch, so Prof. Dr. med. Ingo Füsgen, gibt es eine unglaubliche Lobby, die gegen den Salzgenuss Älterer vorgeht. In England ruft sogar die Regierung offiziell dazu auf, dass alte Menschen kein Salz essen sollen, nach seinen Worten ein "Wahnsinn erster Klasse". Und in den USA gebe es kaum noch natriumhaltiges Mineralwasser. "Überall steht dort natriumfrei drauf."

"Salz ist nicht unser Feind!"

Grundsätzlich rät Professor Dr. med. Ingo Füsgen, Inhaber des Lehrstuhls für Geriatrie an der Universität Witten/Herdecke und Chefarzt der 3. Medizinischen Klinik der Kliniken St. Antonius Velbert-Neviges, beim Thema salzarme Ernährung zu einem differenzierten Vorgehen. Sicherlich gibt es Menschen, die einen salzempfindlichen Bluthochdruck haben und von einer solchen Maßnahme profitieren, aber bevor wahllos und pauschal eine salzarme Ernährung empfohlen wird, muss bei jedem Einzelnen doch erst einmal getestet werden, ob eine salzarme Diät auch tatsächlich den Blutdruck senkt.

Eine solche Salzsensitivität sei nämlich bei vielen Menschen mit einem hohen Blutdruck überhaupt nicht vorhanden. Dabei erinnert Professor Füsgen daran, dass eine salzarme Ernährung insbesondere bei älteren Menschen auch Nebenwirkungen wie etwa einen Natriummangel verursachen kann. Denn zum einen verschlechtert sich mit zunehmendem Alter die Nierenfunktion, so dass bei einem Salzmangel die Salzausscheidung von den Nieren nicht mehr so gut gebremst werden kann.

Zum anderen nimmt der Wasseranteil beim Menschen im Laufe des Lebens ab, so dass der Spielraum für Wasser- und Elektrolytverluste bei älteren Menschen viel geringer ist und eine salzarme Ernährung zu Salzmangel-Symptomen wie Müdigkeit, Schwäche, Gangunsicherheit und Konzentrationsstörungen führen kann. Solche Probleme können unter einer salzarmen Ernährung nach Hinweisen von Professor Füsgen zum Beispiel an heißen Tagen auftreten, wenn die Hitze ohnehin schon für hohe Schweiß- bzw. Salzverluste sorgt.

Ebenso bei Durchfällen, Erbrechen oder bei der Einnahme von Medikamenten, die mit Salzverlusten einhergehen. Grundsätzlich empfiehlt Füsgen, Salz nicht als Feind zu betrachten, wie dies derzeit in den Medien teilweise zu beobachten sei. Wer keinen salzempfindlichen Bluthochdruck oder keine Nierenerkrankung hat, die eine salzarme Ernährung erfordert, sollte mit Salz ganz normal umgehen und nicht verzweifelt versuchen, salzlos zu leben.

Radikaler Salzverzicht

nicht erforderlich Einem Menschen eine salzarme Ernährung zu empfehlen, sollte gut überlegt sein. Denn ohne Salz schmecken Mahlzeiten oft nur halb so gut. Andererseits ist beim Essen vieles Gewohnheitssache. "Wer es nicht gewohnt ist, seine Speisen nachzusalzen, wird mit einer salzarmen Ernährung gut zurecht kommen. Pfeffer und viele andere Gewürze sind ein hervorragender Ersatz", so Prof. Dr. med. Otto Traindl vom Krankenhaus Mistelbach in Österreich, der die salzarme Ernährung grundsätzlich allen Menschen mit einem Bluthochdruck empfiehlt, ohne allerdings einen radikalen Salzverzicht zu fordern: "Die Mahlzeiten würden – übertrieben gesagt – nach nichts schmecken und wären ungenießbar", wie der Nephrologe ergänzt.

Ein bisschen vorsichtiger sollte man nach Ansicht von Traindl bei älteren Menschen sein, da sich in dieser Altersgruppe eine natriumarme Ernährung auch negativ auswirken kann und dann zum Beispiel Symptome wie Müdigkeit oder Abgeschlagenheit möglich sind. Andererseits haben nach seinen Hinweisen die großen Hochdruck-Studien der neunziger Jahre gezeigt, dass Diuretika, die ja zu einer Reduktion des Natrium-Bestands führen, auch bei älteren Menschen einen deutlichen Nutzen haben, so dass die salzarme Lebensweise grundsätzlich auch im höheren Alter zu empfehlen sei.

Darüber hinaus sieht der Nierenspezialist die salzarme Diät auch für all jene als ideale Maßnahme an, deren Blutdruckwerte sich im hochnormalen Bereich bewegen, also systolisch zwischen 120 und 140 mmHg bzw. diastolisch zwischen 80 und 90 mmHg. "Bei diesen Menschen lässt sich in Kombination mit anderen Lebensstiländerungen wie zum Beispiel der Gewichtsreduktion oft ein weiterer Blutdruckanstieg und die damit verbundene Notwendigkeit einer Medikamenteneinnahme umgehen oder hinauszögern", so Professor Traindl.

An erster Stelle steht: Gewicht reduzieren

Bei der Frage, welchen Beitrag eine salzarme Ernährung in der Blutdrucktherapie unter dem Strich leisten kann, sieht er eine Blutdrucksenkung von systolisch 5 mmHg als realistisch an. "Und da wir aus epidemiologischen Studien wissen, dass jede Zunahme des systolischen Blutdrucks um 20 mmHg das Risiko für einen Herz-Kreislauf-Zwischenfall verdoppelt, kann eine salzarme Ernährung dieses Risiko also um etwa 25% senken." Demnach sollte die salzarme Diät bei der Hypertonie-Behandlung nicht unterschätzt werden.

"Allerdings müssen wir uns im Klaren sein, dass die salzarme Ernährung bei den nicht-medikamentösen Maßnahmen nicht an erster Stelle steht", so Traindl, "sondern eindeutig hinter der Gewichtsabnahme, hinter der körperlichen Aktivitätssteigerung, hinter der angepassten Kalorienaufnahme und hinter der Alkoholreduktion."

 

Studienlage nicht eindeutig 

Eine wichtige Frage bei der Diskussion um eine salzarme Ernährung ist, inwieweit solche Empfehlungen durch wissenschaftliche Untersuchungen abgesichert sind. "Bislang gibt es zwar keine Studie, die eindeutig belegt, dass eine salzarme Diät vor Schlaganfällen oder Herzinfarkten schützt", so Prof. Dr. med. Otto Traindl vom Krankenhaus Mistelbach in Österreich, "aber wahrscheinlich wird es eine solche Untersuchung auch nie geben."

 

Als Begründung nennt er die Tatsache, dass sich Lebensstil-Änderungen nicht einfach wie Tabletten verordnen lassen und deshalb entsprechende Studien schwieriger durchführbar sind. Allerdings lassen sich nach Ansicht des Nephrologen auch aus dem derzeit vorhandenen Datenmaterial sinnvolle Schlussfolgerungen ziehen. Dabei verweist er auf Studien, wonach eine vermehrte Salzaufnahme den Blutdruck erhöht und umgekehrt eine salzarme Ernährung den Blutdruck senkt.

"Zudem weiß man, dass ein niedrigerer Blutdruck mit einem niedrigeren Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte einhergeht. Demzufolge senkt eine salzarme Ernährung auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen", so Professor Traindl, der diese Schlussfolgerung trotz letztendlich fehlender Studien durchaus für zulässig hält.

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