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Glaeske fordert mehr Transparenz für Arzneimittelnutzen

HAMBURG (tmb). Über ein Jahr nach Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) sind viele Neuerungen, die durch dieses Gesetz eingeführt wurden, noch nicht einmal ansatzweise umgesetzt. Was noch auf den Arzneimittelmarkt und die Apotheken zukommen dürfte, erläuterte Prof. Dr. Gerd Glaeske, Bremen, der zum engen Kreis der gesundheitspolitischen Berater um Gesundheitsministerin Ulla Schmidt gehört, am 28. Januar beim NZW in Hamburg-Harburg. Hauptanliegen ist für Glaeske die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel.

Der für seine kritischen Äußerungen zum Gesundheitswesen bekannte Glaeske fand durchaus positive Worte für das deutsche System. Er machte deutlich, dass es nie eine Kostenexplosion im Gesundheitswesen gegeben habe. Die Ausgaben liegen seit Jahrzehnten nahezu konstant bei etwa sieben bis 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, doch gibt es wegen der Arbeitslosigkeit und politisch bedingter "Verschiebebahnhöfe" eine Einnahmenimplosion. Außerdem gehöre das deutsche Gesundheitswesen hinsichtlich seiner Struktur zu den wirkungsvollsten der Welt. Allerdings werde das Konzept nicht überall effektiv und effizient umgesetzt, so dass nebeneinander Über-, Unter- und Fehlversorgung existieren.

Das größte Problem für den Arzneimittelmarkt sei die Verzerrung der Informationen. Es müsse deutlich zwischen der Arzneimittelzulassung und dem Nutzennachweis für neue Arzneimittel unterschieden werden. Während in der Zulassung ein Arzneimittel absolut hinsichtlich Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit beurteilt wird, kann eine Nutzenentscheidung immer nur relativ im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen getroffen werden. Dafür müsse ein langfristiger positiver Effekt auf die Morbidität oder Mortalität unter realen Anwendungsbedingungen nachgewiesen werden. Doch lägen aussagekräftige Studien hierzu nur bei wenigen neuen Arzneimitteln vor.

Welche Patienten profitieren wirklich?

Nach Einschätzung von Glaeske wendet die Pharmaindustrie große Mittel für das Marketing auf, um die Verordnungszahlen für neue Arzneimittel zu erhöhen. Zusätzlichen Nutzen würden solche Arzneimittel aber oft nur für kleine Patientengruppen bringen. Daher sollten sie auch nur bei diesen Patienten eingesetzt und bezahlt werden.

Eine Verbesserung dieser Situation erwartet Glaeske vom neuen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das – im Gegensatz zur Zulassungsbehörde – den Nutzen der Arzneimittel unter realen Anwendungsbedingungen bewerten soll. Im Unterschied zum englischen National Institute for Clinical Excellence (NICE) prüft das deutsche Institut aber nicht das Verhältnis zwischen Kosten und therapeutischem Nutzen. Die in England und Wales praktizierte Begrenzung der Therapien sei in Deutschland undenkbar, für das steuerfinanzierte englische System aber folgerichtig. Doch gerade das Beispiel des NICE zeige, dass Arzneimittel mit positiver Bewertung mehr verordnet werden. So entwickle sich ein sinnvoller Wettbewerb um Qualität im Interesse der Patienten.

Qualität transparent machen

In Deutschland werde das GMG für die erforderliche Transparenz der Informationen sorgen. Darüber hinaus erwartet Glaeske Vorteile durch integrierte Versorgung und medizinische Zentren, die die unsinnige sektorale Betrachtung verhindern. Außerdem würden Vertragslisten für Arzneimittel, Qualitätslisten für Ärzte und Mindestmengen für bestimmte Operationen eingeführt. Dies begründete er am Beispiel einer Untersuchung von 20 Krankenhäusern im Raum München. Dabei habe die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen beim gleichen Brustkrebsstadium die Brust amputiert wurde, zwischen vier und 52 Prozent geschwankt.

Letztlich seien überall im Gesundheitswesen Effektivitäts- und Kostenbewertungen erforderlich. Für Glaeske bedeutet dies auch, ohne Vorbehalte zu prüfen, ob Versandapotheken besser oder schlechter als Präsenzapotheken seien. Auch Apothekenketten und die Einbeziehung der Krankenhausapotheken in die ambulante Versorgung sind aus Sicht von Glaeske unproblematisch.

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