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Sawicki-Institut "kein automatischer Sparmotor"

BONN (hb) Bilanzen werden in diesen Tagen ein Jahr nach Inkrafttreten des GMG vielerorts und aus verschiedenen Blickwinkeln gezogen. Zahlen zu den bereits erzielten Einsparungen kommen auf den Tisch, und mit Zahlen bezüglich der zu erwartenden Ausgabenrückgänge der GKV wird jongliert. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) lud am 27. Januar 2005 nach Bonn zum Gedankenaustausch ein. Mit besonderer Aufmerksamkeit wurden dabei die Ausführungen des Leiters des noch jungen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Prof. Dr. Peter Sawicki, bedacht.

 

Ziel erst mal erreicht

Mit dem Rückgang der Nettoausgaben um 2,4 Mrd. Euro sei das Einsparziel des GMG im ersten Jahr erreicht und im Bereich der Ausgrenzung der OTC-Arzneimittel aus der Erstattung sogar noch übertroffen worden, freute sich Sonja Optendrenk, Gesundheitsökonomin aus dem BMGS, mitteilen zu können. Kopfzerbrechen bereitet ihr allerdings der Zuwachs von einer Mrd. Euro durch die Strukturkomponente. In Bezug auf die Ausgabenentwicklung für 2005 hielt sich Optendrenk mit Prognosen zurück. Zu groß scheinen ihr die Unwägbarkeiten, vor allem bezüglich des ärztlichen Verordnungsverhaltens.

Dass die Freigabe der OTC-Preise noch keinen nennenswerten Preiswettbewerb ausgelöst habe, sei aus der Sicht des BMGS bedauerlich. "Wir erwarten diesbezüglich noch einiges mehr von Ihnen." appellierte Optendrenk an die anwesenden Industrievertreter. Als "Potenzial unserer Hoffnungen" bezeichnete sie darüber hinaus die integrierten Versorgungsformen, gestand jedoch gleichwohl zu, dass es hier noch rechtliche Unsicherheiten, so zum Beispiel die Frage der Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung von Verträgen unter Beteiligung von Apotheken. Seitens des BMGS werde diese nicht als gegeben angesehen.

Was passiert mit den Nutzenbewertungen?

Nach Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 21. Dezember 2004 und vom 18. Januar 2005 sind bislang neben dem Generalauftrag für insgesamt sieben Indikationsgebiete Aufträge zur Erstellung von Nutzenbewertungen an das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ergangen. Den nachfolgenden Verfahrensablauf skizzierte Wilhelm Hollenhorst, Bonn: Die Aufträge werden in einem Bewertungsverfahren unter Beteiligung der Arzneimittelhersteller abgearbeitet.

Die resultierenden Nutzenbewertungen gehen zurück an den G-BA, der sie als Entwurf zur Ergänzung der Arzneimittelrichtlinien bekannt macht, wonach sich ein weiteres Anhörungsverfahren anschließt. Erst nach einem Beschluss des G-BA und Prüfung seitens des BMGS können diese dann als Bestandteile der Arzneimittelrichtlinien in Kraft treten. Für das Gesamtprozedere veranschlagt Hollenhorst einen Zeitraum von etwa einem Jahr.

IQWiG macht keine Kosten-Nutzen-Analyse

Der Leiter des Instituts, Prof. Dr. Peter Sawicki, umriss den methodischen Ansatz, den er zu verfolgen gedenkt. Bei der Beurteilung der wissenschaftlichen Studienergebnisse werde man sich primär auf patientenrelevante Endpunkte konzentrieren und nicht auf krankheitsrelevante. Warum er dies für sinnvoller hält, belegte Sawicki anhand einer Reihe plakativer Beispiele zu Surrogaten und Trugschlüssen in der Medizin. Nachdrücklich wehrte sich der Leiter des IQWiG gegen die Interpretation des Instituts als Instrument der Politik zur reinen Kosteneinsparung und warnte davor, die zu erwartenden Nutzenbewertungen als Kosten-Nutzen-Analyse misszuverstehen. Wie auf diesem Wege allerdings das über das Institut anvisierte Sparziel von 500 Mio. Euro in 2005 erreicht werden soll, ließ Sawicki offen.

Der Industrie sagte er weitestgehende Transparenz der Arbeiten zu: "Was uns zugeschickt wird, wird auch öffentlich gemacht." Die vorläufig endgültige Fassung der Verfahrensordnung solle Ende Februar ins Internet (www.iqwig.de) gestellt werden. Sawicki kommentierte in diesem Zusammenhang die Ende des letzten Jahres geäußerte Kritik des VFA an der Verfahrensordnung, für ihn ein Grund anzunehmen, dass sich der VFA "damit ja wohl offenbar aus der Diskussion verabschiedet" habe.

Anfang Oktober hätten die Ressortleiter angefangen zu arbeiten, berichtete er und bezeichnete es als "nicht so einfach", die vielen neuen Mitarbeiter unter einen Hut zu bringen. Er habe eigentlich nicht gewollt, dass das Institut, das bis zum Jahresende über 53 Mitarbeiter verfügen werde, so schnell wachse und sieht hier eine gewisse Gefahr für eine Destabilisierung der Arbeit des Instituts.

 

Erfolgsgeschichte Festbeträge

Die Kritik an der Ausweitung der Festbetragsregelung versuchte Wolfgang Kaesbach vom Bundesverband der Betriebskrankenkassen zu entkräften. Dass hierbei nicht nach einem groben Heckenscherenschnitt vorgegangen wird, machte er anhand der Fluorochinolone deutlich. Nach dem WHO-ATC-Code zählten hierzu 16 Wirkstoffe, von denen in Deutschland acht auf dem Markt seien. Diese seien in der Anhörung zur Gruppenbildung in drei Gruppen eingeteilt worden, was unterstreiche, dass die Innovationsschutzklausel durchaus ernst genommen werde.

"Wir hätten auch alle in eine packen können", meinte Kaesbach. Er hob außerdem hervor, dass zum Jahresbeginn 2005 (siehe auch Tabelle) deutlich weniger als zehn Prozent der Verordnungen zuzahlungspflichtig und lediglich sieben von 368 verschreibungspflichtigen Wirkstoffen nicht zum Festbetrag verfügbar seien. Auch vor dem Hintergrund, dass an der Festbetragsregelung nach dem Ergebnis des Kanzlergesprächs auf keinen Fall gerüttelt werden solle, gab sich Kaesbach optimistisch, die anvisierten 70% Umsatzanteil des Marktes unter Festbeträgen auch erreichen zu können.

Deutlicher Marktrückgang bei OTC-Arzneimitteln

Hollenhorst zeigte einige Problemfelder und Perspektiven der Arzneimittelhersteller auf und verwies dabei auf die dramatischen Einbrüche bei den rezeptfreien Arzneimitteln. So seien die Verordnungen um 155 Mio. (42%), (nach Umsatz: 1,54 Mrd. Euro bzw. 45%) zurückgegangen, was den Gesamtmarkt rezeptfreier Arzneimittel nach Packungen um 11% und nach Umsatz um 13% habe schrumpfen lassen.

Bezüglich der möglichen Rabattvereinbarungen kann Hollenhorst keine rechte Attraktivität für die Hersteller ausmachen. Zu gegenläufig sind seiner Einschätzung nach die Interessenlagen der möglichen Vertragspartner. Auch er glaubt, dass die Arbeit des IQWiG rein medizinisch-wissenschaftlich ausgerichtet sein und dass es nicht zu einem klassischen Kosten-Nutzen-Vergleich kommen werde. Dies sollten die Unternehmen bei der Konzeption und Auswahl der bei dem Institut einzureichenden Unterlagen sehr wohl im Auge behalten. Einig zeigte sich Hollenhorst mit Optendrenk bezüglich der Unsicherheit der für 2005 zu erwartenden Mehrausgaben der GKV gegenüber 2004. Je nach Quelle seien diese zwischen 1,5 und 2,8 Mrd. Euro zu beziffern.

Wo steht Deutschland im internationalen Kontext?

Prof. Dr. Jürgen Wasem und Dr. Stefan Greß vom Lehrstuhl für Medizin-Management der Universität Duisburg-Essen beleuchteten das derzeitige Erstattungsszenario für Arzneimittel im internationalen Vergleich.

In naher Zukunft keine Änderungen

Die Herstellerabgabepreise seien in Deutschland insgesamt nicht übermäßig hoch und auch diejenigen für patentgeschützte Arzneimittel vergleichsweise moderat, jedoch seien Generika teurer und OTC-Arzneimittel sogar sehr viel teurer, so das Ergebnis ihrer Analyse. Mit Negativlisten und dem Einstieg in die Nutzenbewertung stehe Deutschland auf der internationalen Bühne, die weitgehend von Positivlisten und vielfach von mehr oder weniger etablierten Kosten-Nutzen-Bewertungen geprägt sei, ziemlich alleine da. Wasem zieht hieraus den Schluss, dass der derzeitige Status quo in Deutschland für die Hersteller noch verhältnismäßig gute Rahmenbedingungen biete.

Gleichwohl schmerzten die jüngsten Einschnitte im Rahmen des GMG die Hersteller, stellte der Moderator der Veranstaltung, BAH-Hauptgeschäftsführer Dr. Mark Seidscheck, hierzu in seinem Resümee fest. Er rechnet in absehbarer Zeit nicht mit einer Änderung der Bedingungen für die Arzneimittelerstattung, auch nicht im Bereich Zuzahlung oder Festbeträge, jedenfalls "soweit alles normal läuft", und erwartet auch für Zeit nach der Wahl keine konkreten Entwürfe, die über Absichtserklärungen nicht hinausgehen. Man werde wohl eher nah am System bleiben, meinte Seidscheck.

"Es gibt immer mehr Verlierer, je weniger Gewinner es gibt. Was bedeutet für den Kanzler vor diesem Hintergrund die Sicherung des Pharmastandorts Deutschland?"  M. Seidscheck

"Das GMG ist kein Betriebsunfall, sondern eine Basis, auf der es in Orientierung an der internationalen Lage weitergehen wird." Jürgen Wasem

"Im Gesetz steht nicht drin "Institut für Einsparungen im Gesundheitswesen". Peter Sawicki

"Bei uns im Haus ist niemand daran interessiert, dass es im Jahr 2005 ein Gesetzgebungsverfahren gibt." Sonja Optendrenk

"Die Arbeiten und Ergebnisse von Herrn Sawicki werden an alle Beteiligten erhebliche Anforderungen stellen". W. Kaesbach

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