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Es wird teuer werden

Noch Ende des vergangenen Jahres konnte die Bundesgesundheitsministerin einen Sparerfolg bei Arzneimitteln feiern. Die Ausgaben für Arzneimittel in 2004 waren um über 2,5 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Das lässt sich vorzeigen in einer Zeit, in der die Mittel knapp sind und auf vielen Ebenen nur Ausgabensteigerungen zu melden sind. Aber jedem Insider ist klar, dass solche Erfolge nur von kurzer Dauer sein können.

Der Beweis folgt: Schon Ende Januar macht die ABDA deutlich, dass in diesem Jahr ein Anstieg der Arzneimittelausgaben um rund 2,5 Milliarden zu erwarten ist – und damit die Einsparungen des vergangenen Jahres aufgezehrt werden. Als Gründe dafür werden der auf sechs Prozent abgesenkte Herstellerrabatt genannt und der Trend der Ärzte, gängige Präparate durch Innovationen zu ersetzen, und die sind in aller Regel um einiges teurer. Aber meistens auch um einiges besser, sprich der Patient wird eher geheilt, teure Krankenhausaufenthalte werden nicht nötig oder verkürzt oder die Nebenwirkungen fallen geringer aus zum Wohl des Patienten, für mehr Lebensqualität. Der Fortschritt hat seinen Preis.

Dieses Szenario wird uns auch weiterhin begleiten, die Politik sollte nicht so tun, als ob gerade im Arzneimittelbereich langfristig deftige Einsparmöglichkeiten realistisch seien. Sie sind es nicht. Da helfen auch keine Festbeträge mit Jumbogruppen und für patentgeschützte Arzneimittel. Die Industrie sieht sich gezwungen, die immer größeren Forschungsausgaben und die mit der Einführung neuer Arzneimittel verbundenen Risiken (Flops, notwendige Marktrücknahmen wegen Nebenwirkungen usw.) auf den Arzneimittelpreis umzulegen.

Die Patentlaufzeit ist angesichts der langen Entwicklungszeiten relativ kurz, Analogpräparate oder Me-too-Präparate mit kleinen Verbesserungen können in Festbetragsgruppen landen – kein Wunder, wenn echte Innovationen horrend teuer auf den Markt kommen. Ich warte auf den Tag, an dem das Arzneimittel gegen eine Krebserkrankung eingeführt wird, die bisher tödlich verläuft, zu einem Preis, der weit jenseits der heute üblichen Therapiekosten liegt und das Krankenkassensystem zu sprengen droht.

Wie werden wir damit umgehen? Heilung von Krebs nicht mehr als Kassenleistung? Nur noch auf eigene Kosten? Heilung von Krebs nur für Reiche? Müssen dann der Sozialhilfeempfänger und Hartz-IV-Patient sterben? Wohin wird sich unser System entwickeln – gibt es dann nur noch Basisleistungen von den Krankenkassen und für alles andere private Zusatzversicherungen, je nach Geldbeutel? Und bis zu welchem Alter werden teure Arzneimittel und Operationen bezahlt – bis 60 oder 65 oder bis 70 und danach nicht mehr?

Wie sieht es eigentlich in Deutschland heute bereits aus: Werden Ärzte für einen 75-Jährigen noch eine teure Operation, z. B. eine Transplantation, ansetzen oder nicht? In unserem Gesundheitswesen werden sich in den nächsten Jahren immer mehr solcher Fragen stellen. Es wird Zeit, diese zu diskutieren und den Bürgern und Versicherten gegenüber ehrlich zu sein, ehrlicher als heute, wo immer noch so getan wird, als gäbe es keine Zwei-Klassen-Medizin oder die Krankenkassen kämen für alle Leistungen und die besten Therapien auf.

Betrachtet man die Bemühungen, die Patienten in Disease Management Programme (DMP) zu bekommen, vieles über Diagnosis Related Groups (DRG) abzurechnen und die Integrierte Versorgung durchzusetzen, zeigt dies deutlich, wo's lang geht: Patienten und Krankheiten sollen standardisiert behandelt werden zu günstigsten Einheitspreisen, individuelle Therapien haben kaum noch Platz, da zu teuer. Dies muss endlich offen diskutiert werden. Denn Mehreinnahmen im Gesundheitssystem wird es aufgrund der demografischen Entwicklung und der nicht zu erwartenden Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt nicht geben. Letztendlich heißt die Frage: Wie viel möchte jeder monatlich an Beitrag für seine Gesundheit in die Grundversicherung zahlen und was sind ihm individuelle Zusatzversicherungen wert?

Mit Geld hat in unserer Ausgabe auch das Titelthema zu tun: das Apothekendilemma. Der Beitrag befasst sich mit der Frage, welche Preisstrategie der Apotheker im OTC-Markt fahren soll – Preise rauf, runter oder halten? Anhand spieltheoretischer Modelle zeigt der Autor, dass Preissenkungen, die von einzelnen Apotheken ausgehen, im Ergebnis zum Umsatzrückgang aller Apotheken in diesem Markt führen. Fazit: Finger weg vom Preiswettbewerb und statt dessen Wettbewerb im Service.

Und noch ein Lesetipp für alle, die immer noch glauben, das Urteil des Berliner Kammergerichts gegen DocMorris-Gründer Jack Waterval könnte keine Kräfte gegen den Versandhandel aus den Niederlanden entfalten: Führen Sie sich die Interpretation zu diesem Urteil zu Gemüte, die wir auf Seite 63 ff. veröffentlichen.

Peter Ditzel

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