Fortbildung

Hospizinitiativen: ihre Erwartungen an Apotheker

Das Thema palliativmedizinische Versorgung geht auch den Apotheker an, weil er durch die kompetente pharmazeutische Betreuung der unheilbaren Patienten viel zur Besserung ihrer Lebensqualität beitragen kann. Auf einer Veranstaltung der DPhG zu diesem Thema stellten Amina Langenkamp und Dr. Sabine Haunhorst die Arbeit der Hospizbewegung Münster vor und äußerten ihre Wünsche an die Apotheker. Prof. Dr. E. J. Verspohl sprach anschließend über Fakten, Fehler und Fehlbeurteilungen in der Schmerztherapie.

Die Hospizbewegung kümmert sich um sterbenskranke Menschen, indem sie sie in Hospize aufnimmt oder durch häusliche Besuchsdienste in ihren Wohnungen betreut. In der Hospizbewegung Münster sind zwei hauptamtliche und rund dreißig ehrenamtliche Mitarbeiter im ambulanten Bereich engagiert. Sie werden meist auf Wunsch von Angehörigen oder Freunden der Kranken tätig und begleiten sie, solange sie es möchten; pro Jahr sind es etwa fünfzig Fälle. Zusätzlich gibt es in Münster zwei stationäre Hospize.

Zuhören, Zeit schenken, Versorgungslücken schließen 

Die ehrenamtlichen Begleiter werden personengebunden eingesetzt. Sie hören dem Betroffenen zu, bringen ihre Erfahrungen mit dem Thema Sterben und Tod ein und entlasten die Familie. Sie helfen mit, das Leben des Sterbenskranken bis zum Ende nach seinen Wünschen so gut wie möglich zu gestalten.

Beim ersten Hausbesuch macht sich die hauptamtliche Mitarbeiterin ein Bild von der Gesamtsituation. Manche Patienten nehmen ganz früh Kontakt auf, um zu klären, ob ihnen der Hospizdienst helfen kann, wenn sie später Unterstützung benötigen. Andere Angehörige melden sich erst in der Krisensituation, in der alles vom Pflegebett über die medizinische Versorgung und die Ernährung zu Hause schnellstmöglich bereitgestellt werden muss. Der Hospizdienst hilft organisieren, Kontakte zu Heilberuflern herstellen (Arzt, Apotheker, Pflegedienst) und Versorgungslücken schließen.
 

Wie ein Schutzmantel

Palliativmedizin kommt von lat. pallium = Mantel. Palliativmedizin umhüllt und schützt den sterbenskranken Patienten. Im Unterschied zur kurativen Medizin (curare = heilen) steht in der letzten Lebensphase, in der keine Heilung mehr möglich ist, ausschließlich das Wohlbefinden des Menschen im Vordergrund. Schmerzen und andere Beschwerden sollen gelindert werden.

Wer bezahlt? 

Für den Betroffenen ist die Leistung des Hospizdienstes kostenlos. Die Hospizbewegung Münster finanziert sich über Spenden, Zuschüsse der Stadt und Gelder der gesetzlichen Krankenkassen. Die Krankenkassen müssen einen bestimmten Prozentsatz ihrer Ausgaben für die ambulante hospizliche Versorgung bereitstellen. Sie unterstützen aber nur solche Hospizdienste, die ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter nach genauen Vorgaben qualifizieren: In Münster bekommen die Mitarbeiter der Hospizbewegung in der Vorbereitungsphase eine 120-stündige Ausbildung. Themen sind unter anderem Patientenverfügung, Trauer und Bestattung. Im anschließenden Vierteljahr folgen mehrere selbsterfahrungsgeprägte Veranstaltungen. Die Mitarbeiter treffen sich in festen Gruppen zur Einsatzbesprechung.

Neues Rahmenprogramm 

Ab Januar 2006 gilt in Nordrhein-Westfalen das "Rahmenprogramm zur flächendeckenden Umsetzung der ambulanten palliativmedizinischen und palliativpflegerischen Versorgung in NRW – kooperatives integratives Versorgungskonzept". Es soll als Grundlage für den Abschluss örtlicher Vereinbarungen dienen. Die Partner des Rahmenprogramms sind Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenhausgesellschaft, Verbände der Krankenkassen/Pflegekassen, Ärztekammern und die Landesarbeitsgemeinschaft Hospiz. Zu den sonstigen Beteiligten, die in die palliativmedizinische Versorgung involviert sein werden, sollen auch Apotheken gehören (siehe Kasten).

Zusammenarbeit ist gefragt 

Umfragen zufolge möchten siebzig bis neunzig Prozent der Menschen zu Hause sterben. Die Krankenkassen greifen in der Versorgung Sterbenskranker den Grundsatz ambulant vor stationär schon aus Kostengründen auf. Die ambulante palliativmedizinische Versorgung steckt aber noch in den Kinderschuhen, und die beteiligten Berufsgruppen müssen versuchen, durch Erfahrungsaustausch und Bildung von Netzwerken Versorgungslücken zu schließen.
 

Palliativpatienten und Apotheken

Für Palliativpatienten kann auch eine intensivierte pharmazeutische Betreuung erforderlich werden. Diese umfasst u. a. 24-Stunden-Sicherstellung der gesamten ambulanten Infusionstherapie, künstliche Ernährung und/oder invasive Schmerztherapie inklusive der dazu benötigten Medizintechnik. Alle benötigten Arzneimittel und Infusionsregimes werden aufeinander abgestimmt und auf Wechselwirkungen und Kompatibilität überprüft. Die beteiligten Apotheken versorgen die Patienten dabei auch im häuslichen Umfeld.

(Aus dem Rahmenprogramm zur flächendeckenden Umsetzung der ambulanten palliativmedizinischen und palliativpflegerischen Versorgung in NRW – kooperatives integratives Versorgungskonzept)

Erwartungen an Apotheker: gesprächsbereit ... 

Offizinapotheker erkennen häufig anhand der verordneten Arzneimittel, ob sie für einen unheilbar kranken Patienten bestimmt sind. Der Apotheker kann dem Patienten oder seinem Angehörigen ein persönliches Gespräch anbieten und ihn dabei auf die Möglichkeit der ambulanten palliativmedizinischen Versorgung aufmerksam machen. Er kann dabei auch auf die Arbeit der Hospize hinweisen und einen Flyer der örtlichen Organisation bereithalten.

Viele schwerkranke Patienten sind emotional sehr belastet und im Arzt-Patienten-Gespräch völlig überfordert. Viele wissen nicht, welche Behandlungen sie zu welchen Zwecken erhalten. Daher hilft es, wenn der Apotheker die Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen der Medikamente ausführlich und verständlich erklärt.

... und lieferfähig 

Darüber hinaus sollten Apotheken in der Lage sein, sterbenskranke Patienten zu Hause umfassend pharmazeutisch zu versorgen. Das reicht von der Schmerztherapie über ambulante Infusionen bis zur künstlichen Ernährung. Die Versorgung muss auch nachts und an Wochenenden gesichert sein. Es genügt nicht, wenn die notdiensthabende Apotheke nur ein retardiertes oder transdermales Opiat-Präparat vorrätig hält. Bei Durchbruchschmerzen benötigen Tumorpatienten ein schnell wirksames Opiat. Die Apotheke muss auch erforderliche medizinische Hilfsmittel, wie Blasenkatheter, bereit halten. Unklar ist zurzeit, ob alle oder nur spezialisierte Apotheken die palliativmedizinische Versorgung übernehmen werden.

Mängel der ambulanten Schmerztherapie 

Es gibt mehrere Gründe, warum viele schwerkranke Patienten (meist Tumorpatienten) unzureichend mit Analgetika versorgt sind:

  • Ärzte verordnen zu lange schwach wirksame Opiate.
  • Ärzte haben Probleme mit der Betäubungsmittelverschreibung oder kein BtM-Rezept in der Praxis.
  • Koanalgetika, wie trizyklische Antidepressiva oder Antiepileptika, werden nicht genügend berücksichtigt.
  • Keine Apotheke fühlt sich zuständig.
  • Patienten verlängern das Dosierungsintervall eigenmächtig oder nehmen das Schmerzmittel bei Bedarf, also zu spät ein.
  • Patienten nehmen das Opiat aus Angst vor Abhängigkeit oder Nebenwirkungen in zu niedriger Dosis oder zeitweise gar nicht ein. Oft erfolgt eine eigenmächtige Ersatztherapie mit Schmerzmitteln aus der Hausapotheke.

 

Opiate bei chronischen Schmerzzuständen

  • Der Einstieg erfolgt wegen der milden Nebenwirkungen meist mit einem niedrig dosierten, retardierten Opiat, z. B. Morphin-Retardgranulat (z. B. MST®).
  • Nach einer Eingewöhnungszeit (4 - 7 Tage) wird die Dosis eventuell bedarfsorientiert erhöht.
  • Morphin wird heute zunehmend abgelöst von synthetischen Opiaten, die weniger initiale Übelkeit und Obstipation hervorrufen.
  • Hydromorphon (Palladon® retard) hat zurzeit das beste Wirkungs- Nebenwirkungs-Profil. Es wirkt nur gering obstipierend und gering emetogen.
  • Fentanyl-Lutschtabletten (Actiq®), im Volksmund auch "Lolly", dienen als Rescue-Medikament bei Durchbruchschmerzen, also einer akuten, vorübergehenden Schmerzverstärkung (ca. 30 min).
  • Fentanyl-Pflaster sind bei Kindern ungünstig, da diese wegen geringem Körpergewicht und Mangel an subkutanem Fettgewebe nur schwer einzustellen sind.

Apotheker klären auf 

Im Gespräch mit dem Patienten kann der Apotheker einige Fehlbeurteilungen und Ängste im Zusammenhang mit Opiaten aus dem Weg räumen: Die Gefahr, durch Opiate süchtig zu werden, ist bei Schmerzpatienten sehr gering, wenn die Analgetika richtig und retardiert eingesetzt werden (s. Kasten). Dem Schmerzpatienten droht keine Erstickungsgefahr. Der atemdepressiven Nebenwirkung steht nämlich der Schmerz als starker physiologischer Atemstimulus gegenüber. Die atemdepressive und die sedierende Wirkung der Opiate schwächen sich ohnehin nach zwei bis drei Wochen ab. Richtig ist, dass Opiate fast immer zur Obstipation führen und deshalb häufig begleitend ein Laxans (z. B. Macrogol, Lactulose) gegeben werden muss.

Suanne Wasielewski, Münster

 

Quelle 
Podiumsdiskussion „Pharmazeutische Betreuung in der Palliativmedizin“ mit Dr. Sabine Haunhorst und Amina Langenkamp, 
Hospizbewegung Münster, und Prof. Dr. E. J. Verspohl, Universität Münster, auf einer Veranstaltung der DPhG am 22. November 2005 in Münster/Westf.

 

Internet

Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz 
www.hospiz.net

Hospizbewegung Münster 
www.hospizbewegung-muenster.de

Literaturtipp

Lehrbuch der Schmerztherapie Der "Zenz/Jurna" hält die Antworten auf die häufigsten Fragen in der Schmerztherapie bereit. Zum Beispiel:

  • Welcher Schmerz macht welche Symptome?
  • Wann wird Schmerz chronisch?
  • Wie wirken Analgetika – allein und in Kombination?
  • Was ist in der Schmerztherapie von Kindern und Senioren zu beachten?

Michael Zenz und Ilmar Jurna (Hrsg.): Lehrbuch der Schmerztherapie, Grundlagen, Theorie und Praxis für Aus- und Weiterbildung, 2. Auflage, 2001. XIV, 970 S., 324 s/w Abb., 249 Tab. Geb. 75,50 Euro. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart. ISBN 3-8047-1805-1

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