Die Seite 3

Widersprüchlich und maßlos überzogen

Klaus G. Brauer

Bravo, welch ein Coup! Am Koalitionspartner vorbei – ohne ihn zu fragen oder auch nur zu informieren – ist Ulla Schmidt mit ihrem Entwurf für ein "Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung" vorgeprescht. Unter dem schönen Namen AVWG ("Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz") versucht ihr Ministerium die verdatterte CDU/CSU vor vollendete Tatsachen zu stellen. Und die lässt sich das gefallen?

Gründe, energisch zu widersprechen, gäbe es genug. Widersprüchlich und unausgegoren ist zum Beispiel, wie sich der Entwurf mit dem hochgekochten Thema der Natural- und Barrabatte auseinander setzt.

Erwartungsgemäß (und passend zur laufenden Kampagne der Krankenkassen) wird weiter verdrängt, dass der Rohertrag der Apotheken unter Einschluss (!) aller Rabatte, die vom Hersteller und vom Großhandel gewährt werden, heute in aller Regel deutlich niedriger ist als noch 2002 – also vor dem Beitragssatzsicherungsgesetz und GKV-Modernisierungsgesetz (GMG). Es ist Populismus pur, wenn gezielt der Eindruck erweckt wird, als stammten Einkaufsvorteile allesamt aus der Schmuddelecke. Sie sind vielmehr im Grundsatz ein sinnvolles Instrument des Wettbewerbs, der Bestellrationalisierung und der Bestandsoptimierung.

Verständlich ist allerdings, wenn der Verordnungsgeber im Geltungsbereich der Arzneimittelpreisverordnung (AMpreisV) hellhörig wird, sobald der offizielle Herstellerabgabepreis zum "Mondpreis" wird, weil er durch Rabattgewährung unterschritten wird. Dazu gibt es (im Generikamarkt) einige spektakuläre Beispiele, die, obwohl gern zitiert, nicht so attraktiv sind, wie es scheinen mag. Sie betreffen eher Ausnahmesituationen (z. B. während der Markteinführung, wenn die Gängigkeit eines Produktes schlecht einzuschätzen, das Lagerrisiko also überproportional ist).

Immerhin: Dass der Gesetzgeber dort Einkaufsvorteile begrenzen will, ist noch nachvollziehbar. Gesetzestext und Begründung sind allerdings widersprüchlich. Die formulierte Änderung des Heilmittelwerbegesetzes würde für alle apothekenpflichtigen Arzneimittel sämtliche Bar- oder Naturalrabatte verbieten – gleichgültig in welcher Höhe und gleichgültig, ob der Hersteller oder Großhandel sie gewährt.

In der Gesetzesbegründung wird freilich klargestellt, dass auch im Geltungsbereich der Arzneimittelpreisverordnung (also bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln) Skonti und Barrabatte, durch die der Herstellerabgabepreis nicht unterschritten wird, "keine unzulässige Zuwendung im Sinne dieser Vorschrift" seien. Der Großhandelszuschlag sei ein Höchstzuschlag. Der Großhandel (oder beim Direktbezug der pharmazeutische Unternehmer) könne darauf ganz oder teilweise verzichten. Dabei solle es bleiben.

Vollends unverständlich wird der Entwurf freilich, wenn er das Verbot von Rabatten und "anderen geldwerten Vorteilen" auch auf nicht verschreibungspflichtige apothekenpflichtige Arzneimittel ausdehnt – Arzneimittel also, für die (gegen viele gute Argumente der Apotheker) mit dem GMG die Arzneimittelpreisverordnung (AMpreisV) außer Kraft gesetzt wurde. Damit entfiel nicht nur ein verbindlicher (!) einheitlicher Abgabepreis (den es bei Büchern – aus ebenso guten Gründen – weiterhin gibt). Es gibt seitdem für OTC-Arzneimittel auch keine verbindlichen Herstellerabgabepreise oder durch die Verordnung vorgegebenen Handelsspannen mehr. Die Frage nach "Mondpreisen" stellt sich hier nicht mehr. Die Preisbildung sei dort jetzt "abschließend durch freie Preisvereinbarungen jeweils zwischen den Handelsstufen geregelt", so sagt selbst die Gesetzesvorlage. Wie ist unter diesen Voraussetzungen zu unterscheiden zwischen einem (verbotenen) 10%-Rabatt auf ein Arzneimittel mit 10 Euro Einkaufspreis (effektiver Einkaufspreis also 9 Euro) und einer "freien Vereinbarung" für ebendieses Arzneimittel, bei dem (erlaubt) gleich ein Einkaufspreis von 9 Euro ausgemacht wird?

Ähnlich unverständlich ist die in der Gesetzesbegründung formulierte Erwartung, durch das Verbot oder die Einschränkung von Rabatten würde der Preiswettbewerb zwischen den Apotheken belebt. Richtig ist: Schlechtere Einkaufsbedingungen reduzieren den Spielraum für Preissenkungen; sie erhöhen den Ertragsdruck und machen eher (wo die AMpreisV nicht mehr greift) eine Preisanpassung nach oben wahrscheinlich. Staatlich administrierte Preissenkungen zugunsten der GKV, gekoppelt mit dem Verbot von Preiserhöhungen bis Ende 2008 (trotz MwSt-Erhöhung!), ein unethisch-perverses Bonus-System für Ärzte, die ihren Patienten Arzneimittel vorenthalten – auch diese im AVWG vorgesehenen Eingriffe schwächen die Apotheken. Will die Sozialdemokratie all das wirklich? Und macht die CDU/CSU dieses Spiel mit?

Klaus G. Brauer

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