Die Seite 3

Der sensibelste Bereich

Peter Ditzel

Herzlichen Glückwunsch zur Wahl als Bundeskanzlerin, Frau Merkel. Schon heute ist klar, Sie werden mit mindestens drei Superlativen in die deutsche Geschichte eingehen: Sie sind die erste Kanzlerin Deutschlands, sie sind die erste ostdeutsche Kanzlerin und sie sind die jüngste Kanzlerin Deutschlands. Die vor Ihnen liegende Arbeit wird nicht leicht werden. Die deutschen Apothekerinnen und Apotheker wünschen Ihnen viel Erfolg.

Vor allem im Bereich Gesundheit. Unsere neue Bundeskanzlerin bezeichnete ihn als einen der sensibelsten Bereiche in der Politik. Damit dürfte sie nicht falsch liegen. Nach den Vorstellungen des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Kauder wird in 2006 ein "Gesundheitskompromiss" gefunden werden, der dann ab 2007 greifen soll. Gesundheit geht jeden an und was hier passiert, tangiert uns alle, groß und klein, arm und reich.

Umso unverständlicher, dass die alte und neue Bundesgesundheitsministerin in der vergangenen Woche – noch bevor der Koalitionsvertrag unterzeichnet war – vorgeprescht ist mit dem Schlachtruf "Zerschlagt die private Krankenversicherung", wie es die Frankfurter Sonntagszeitung beschrieb. Schmidt will gleiche Arzthonorare für gesetzlich und privat Versicherte. Die nach ihrer Ansicht Besserstellung von Privatversicherten in der ärztlichen Behandlung soll abgeschafft werden. Das veranlasste den Medi-Verband der Ärzte sogar zu der Frage: "Ist Ulla Schmidt für die neue Koalition noch tragbar?"

Da kommt auf die neue Regierung also gleich ein dickes Problem zu: Während Schmidt sich auf den Koalitionsvertrag beruft, ihre Absichten – Einführung gleicher Honorare für Privat- und Kassenpatienten und Festhalten an der Bürgerversicherung – seien davon gedeckt, weist dies Merkel vehement von sich: Das gebe der Koalitionsvertrag mitnichten her. Der erste Streit ist vorprogrammiert.

Man kann es auch so sehen: Die rote Ulla klimpert auf dem Populismus-Klavier – sie hängt an der fixen Idee, eine Bürgerversicherung könnte die finanziellen Probleme im Gesundheitswesen lösen, und versucht, über vielerlei populistische Aktionen, die Massen für ihre Idee zu begeistern. Mit dem Vorstoß, weg mit dem Privat-Patienten-Kult und weg mit der Zwei-Klassen-Medizin, hat sie natürlich den kleinen Mann auf ihrer Seite. Ich halte das schlichtweg für Bauernfängerei. Denn zu Ende gedacht sind solche "Schlachtrufe" nicht.

Richtig ist vielmehr, dass unser Gesundheitssystem nur noch funktioniert, weil es auch die Privatversicherten gibt. Müssten die Ärzte nur von Kassenpatienten leben, wären viele Praxen schon geschlossen, die flächendeckende ärztliche Versorgung gefährdet. Die Mischkalkulation zwischen Kasse und Privat ermöglicht es den Ärzten, ihre Praxen weiter zu betreiben trotz sinkender Kassenhonorare. Was Schmidt wirklich will, bringt ein Kommentar in der Frankfurter Sonntagszeitung auf den Punkt: "Das Ziel dieser Politik ist eindeutig eine Einheitskasse mit Einheitstarifen und Einheitsleistungen. Das ist die gerechte Welt des Sozialismus, teuer und ineffizient."

Warum lernen Politiker nichts aus der Vergangenheit? Der Sozialismus hat bis heute nicht funktioniert, nirgendwo auf der Welt. Es wird immer Menschen geben, die "gleicher" sind, die sich durch Geld das Bessere leisten können – auch im Sozialismus. Und so würden sich auch in Ullas gerechter Einheitskassenwelt die Reichen eine bessere Behandlung, einen besseren Arzt kaufen können. In einem Teilbereich unserer sozialen Marktwirtschaft den Sozialismus einführen zu wollen, wird scheitern.

Da wird der Koalitionspartner hart bleiben und dagegenhalten müssen. Ein Weg könnte hin zu mehr Wettbewerb führen, auch zwischen den Kassen. Warum die Einheitsangebote aller Kassen – wäre es nicht besser, wenn Kassen um Mitglieder werben dürfen, wenn sie maßgeschneiderte Angebote vorlegen könnten? Das könnte endlich auch einmal dazu führen, dass die Kassen ihre eigenen teuren Strukturen überdenken und anfangen zu rationalisieren. Es ist nicht notwendig, dass Kassen teuer ausgestattete Filialen in bester 1a-Citylage haben. Dann löst sich auch die Frage, ob wir zu viele oder zu wenige Kassen haben, von selbst. Der Markt wird es richten, ob wir 262 Kassen brauchen oder nur noch 112 oder 48.

Peter Ditzel

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