Öffentliches Gesundheitswesen

Apothekerinnen und Apotheker in (Landes-)Ministerien

In einer Reihe mit mehreren Folgen stellt der Bundesverband der Apotheker im Öffentlichen Dienst (BApÖD e. V.) die vielfältigen Tätigkeitsfelder für Apothekerinnen und Apotheker außerhalb von Offizin und Industrie vor. Diese Folge behandelt besondere pharmazeutische Aufgaben im Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (BM 65) sowie den 16 deutschen Landesgesundheitsministerien.

 

Soziales & Gemischtes

Der Pharmaziebereich ist in den meisten Bundesländern in der Gesundheitsabteilung des Sozialministeriums angesiedelt. Durch den zunehmenden Trend zur Straffung der Organisationsstrukturen stellt das Sachgebiet oftmals jedoch kein eigenes Referat dar, sondern findet sich beispielsweise innerhalb des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wieder oder ist zusammen mit dem Bereich Heilberuferecht, Humanmedizin oder Suchtprävention organisiert. Der Zuschnitt der Abteilungen und Referate in den einzelnen Bundesländern ergibt sich aus dem jeweiligen Organisationsplan. Der Bereich Medizinproduktewesen kann ganz oder teilweise in das Arbeitsgebiet einer anderen Abteilung oder sogar eines anderen Ressorts (Wirtschaftsministerium) fallen. Der Referatsleiter ist nicht automatisch Apotheker, bis auf eine Ausnahme ist jedoch in allen Bundesländern pharmazeutischer Sachverstand in den Ministerien vorhanden. Bei allen zu bearbeitenden Vorgängen muss geprüft werden, ob andere Organisationseinheiten von dem Thema tangiert und daher zu beteiligen sind.

Für die Aufgaben im Bereich der Arzneimittel und Medizinprodukte stehen je Bundesland in der Regel zwei bis drei Stellen des höheren sowie mehrere Stellen des gehobenen Verwaltungsdienstes zur Verfügung. Auch wenn mehrere pharmazeutische Referentinnen oder Referenten beschäftigt sind, sind ihnen in den Geschäftsverteilungsplänen in der Regel dieselben Aufgaben zugeteilt, was besonders in Hinblick auf den Vertretungsfall sinnvoll ist. In der Praxis sind die Aufgaben oftmals jedoch weitgehend abgegrenzt. So bearbeitet ein Apotheker beispielsweise das Medizinprodukte- und Transfusionswesen und den Bereich der klinischen Prüfung, während der Arbeitsschwerpunkt des anderen im Bereich Arzneimittel- und Apothekenwesen liegt. Der folgende Abschnitt soll einen kurzen Einblick geben, was sich dahinter konkret verbirgt.

Medizinproduktewesen

Hier standen die Jahre 2003 und 2004 ganz im Zeichen der Umsetzung des zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen 2. MPG-Änderungsgesetzes, während im Jahr 2005 bereits die Vorarbeiten für das 3. Änderungsgesetz beginnen. Die landeseigene Pharmazie- und Medizinproduktezuständigkeitsverordnung musste aktualisiert werden, weil die Überwachung der Durchführung messtechnischer Kontrollen, die vormals in der Eichordnung geregelt war, in die Medizinproduktebetreiberverordnung überführt wurde. Um die Zuständigkeit bei den Eichämtern zu belassen, mussten diese in die Pharmazie- und Medizinproduktezuständigkeit des Landes aufgenommen werden.

Eine weitere Aufgabe ist das Sichten von Vorkommnismeldungen nach § 29 Medizinproduktegesetz. Obwohl beispielsweise der Vollzug des MPG in Baden-Württemberg bei den Regierungspräsidien liegt, ist dennoch ein Blick in die entsprechende, vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) geführte Datenbank mit kurzer Bewertung des Vorkommnisses erforderlich, um abschätzen zu können, ob das Problem größere Kreise ziehen könnte. Besonders bei ausländischen Produkten ist dies häufiger der Fall. Hier zeigt sich, dass der EU-Binnenmarkt durchaus seine Tücken hat und es teilweise schwierig bis unmöglich ist, zu erreichen, dass die Behörden im Sitzland des EU-Verantwortlichen die notwendigen Maßnahmen zur Risikominimierung ergreifen. Noch problematischer ist es in Fällen von Medizinprodukten aus Nicht-EU-Staaten, von denen nicht bekannt ist, ob sie auf den deutschen Markt gelangt sind, weil z. B. der Hersteller nicht mehr existiert oder jegliche Auskünfte verweigert. In solchen Fällen muss überlegt werden, welche Organisationen und Leistungserbringer im Gesundheitswesen zu informieren sind, da das gesetzlich vorgeschriebene Warn- und Meldesystem hier versagt. Falls ein hohes Gesundheitsrisiko besteht, muss zudem eine Eilmeldung an die Amtsspitze und schnellstmöglich eine Pressemitteilung verfasst werden. Es ist unangenehm, wenn man von einem derartigen Ereignis selber in der Zeitung lesen muss, mit dem standardmäßigen Zusatz "Behörde hält Warnung für überflüssig". Sobald man an die Öffentlichkeit geht, gehört es daher auch zum guten Ton, die Fachkollegen in den anderen Bundesländern zu informieren. Manchmal geht es auch darum, Wogen zu glätten, die durch vorschnelle Öffentlichkeitsarbeit entstanden sind.

So wurden beispielsweise im vergangenen Jahr Untersuchungsergebnisse zur Nitrosaminbelastung von Kondomen veröffentlicht, obwohl es sich um nicht repräsentative Einzeluntersuchungen handelte und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als zuständige Behörde für die Bewertung von Medizinprodukterisiken nicht eingebunden worden war. Eine rechtzeitige Klärung der Zuständigkeiten und eine fachliche Abstimmung der Öffentlichkeitsarbeit hätte viel Verunsicherung bei den Bürgern und unnötige Arbeit durch zahlreiche Anfragen verhindern helfen können.

Arzneimittelwesen/Klinische Prüfung

Mehrarbeit wird auf die deutschen Behörden in der nächsten Zeit im Bereich klinische Prüfungen zukommen. Die EU-Richtlinie zu GCP ("Good clinical practice") muss in deutsches Recht umgesetzt werden. Vorher müssen die Bundesländer sich einig werden, wie man den neuen Anforderungen gerecht werden will. Klar ist, dass zusätzlicher Überwachungsaufwand auf die deutschen Behörden zukommen wird. In Zeiten knapper Kassen, in denen kaum mit der Bereitstellung von neuem Personal gerechnet werden kann, ein schwieriges Unterfangen. Schnell stellt sich die Grundsatzfrage, ob eine zentrale Aufgabenwahrnehmung die richtige Lösung sein kann. Einerseits ist die Einstellung neuer Inspektoren auf Länderebene erfahrungsgemäß noch schwerer durchzusetzen als die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel für die zentrale Aufgabenwahrnehmung, andererseits muss die Frage gestellt werden, ob die einzelnen Länder immer mehr Kompetenzen und damit Einflussmöglichkeiten abgeben wollen. Auch zeigen die bisherigen Erfahrungen mit zentralen Strukturen, dass der bürokratische Aufwand nicht automatisch geringer wird. Kontroverse Diskussionen scheinen also vorprogrammiert.

Apothekenwesen

Neben solchen, mehr konzeptionellen Arbeiten stehen oftmals ganz praktische Fragen im Vordergrund. Beispiel ist die Einfügung des § 12 a in das Apothekengesetz vor zwei Jahren, welcher die Apotheken seit September 2003 verpflichtet, zur Versorgung von Pflegeheimen Verträge abzuschließen. Die Verbände der Heimträger wollen Rechtssicherheit hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit von Musterverträgen, die Regierungspräsidien und das Sozialministerium sind an einer landesweit einheitlichen Vorgehensweise und einer effizienten Bewältigung des Arbeitsaufwandes, der mit den Vertragsgenehmigungen verbunden ist, interessiert. Nicht zuletzt muss man sich auch über die zu erhebenden Gebühren verständigen. Auch die Frage, der patientenindividuellen Verblisterung von Fertigarzneimitteln für Heimbewohner durch Apotheken ist ein heiß diskutiertes Thema. Neben der schriftlichen Anforderung von Stellungnahmen der beteiligten Behörden und Verbände wurde im Rahmen einer Dienstbesprechung mit Vertretern der Regierungspräsidien und der ehrenamtlichen Pharmazieräte ein Meinungsbild erarbeitet, welches als Grundlage für die Beantwortung entsprechender Anfragen dienen soll.

Gesetzgebung

Ein weiterer Teil der Arbeit in einem Landessozialministerium besteht aus der Mitwirkung an der pharmazeutischen Gesetzgebung. Meist wird durch das BMGS zunächst der Referentenentwurf einer neuen beziehungsweise novellierten Vorschrift auf Fachebene versandt. In diesem Stadium wird geprüft, wer um eine Stellungnahme ersucht werden sollte. In pharmazeutischen Angelegenheiten sind dies meist die zuständigen Überwachungsbehörden, gegebenenfalls aber auch andere Abteilungen beziehungsweise Referate des Sozialministeriums oder andere Ressorts auf Landesebene, während die Berufs- und Fachverbände üblicherweise vom Bundesministerium angehört werden. Leider sind auch hier die einzuhaltenden Fristen oftmals nicht gerade üppig bemessen, was verständlicherweise bei den betroffenen Kollegen für Unmut sorgt. Sobald dann der endgültige Gesetzes- beziehungsweise Verordnungsentwurf als Bundesratsdrucksache vorliegt, wird von der Zentralstelle, die derartige Aufgaben im Sozialministerium koordiniert, ein Vermerk für die Sitzung des Gesundheitsausschusses im Bundesrat sowie gegebenenfalls der Entwurf für einen Änderungs- oder Entschließungsantrag angefordert. Ein Entschließungsantrag wird in den Fällen gestellt, in dem zwar eine Klarstellung für erforderlich gehalten wird, man aber das Inkrafttreten nicht durch ein langes Ringen um Änderungen verzögern möchte. Der Aufwand, der an dieser Stelle investiert wird, hängt natürlich auch ein wenig davon ab, ob das Vorhaben der Zustimmungspflicht durch den Bundesrat unterliegt. Sofern ein Antrag gestellt werden soll, versucht man im Vorfeld auf Fachebene mit Kollegen aus anderen Bundesländern zu klären, ob ein gemeinsames Vorgehen sinnvoll ist.

Das kann in Form eines gemeinsamen Antrages erfolgen oder durch Vorab-Signalisierung der Zustimmung. Jüngste Beispiele sind das Gesetz zur Änderung des Apothekengesetzes und das 14. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes. In den Fällen, in denen auch nach der Gegenäußerung der Bundesregierung und dem zweiten Bundestags- und Bundesratsdurchgang keine Einigung erfolgt, muss der Vermittlungsausschuss angerufen werden. Ähnlich ist die Vorgehensweise, wenn dem Bundesrat Entwürfe von EU-Richtlinien vorgelegt werden. Ein Beispiel aus der letzten Zeit ist die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen.

Gremienarbeit

Eine weitere Form der länderübergreifenden Zusammenarbeit besteht in der Mitwirkung in verschiedenen Gremien. Dies sind im wesentlichen der Ausschuss für Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AATB) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG), für den jedes Bundesland ein Mitglied aus dem Pharmaziebereich benennt, und die Arbeitsgruppe Medizinprodukte (AGMP), der je nach landeseigener Zuständigkeit neben Kollegen aus pharmazeutischen Referaten auch Vertreter aus dem Bereich Gewerbeaufsicht angehören. Von diesen Gremien können zu bestimmten Themen Projektgruppen gebildet werden, die meist zeitlich befristet arbeiten und denen neben Mitarbeitern der obersten Landesgesundheitsbehörden auch Kollegen aus dem Überwachungsbereich angehören können. Ein Beispiel ist die Projektgruppe "Auswirkungen des GMG" die sich mit Einzelfragen zu den Neuregelungen im Arzneimittel- und Apothekenbereich befasst hat. Darüber hinaus entsendet jedes Bundesland einen Vertreter in den Beirat der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG), der über deren Arbeit und die Mittelverwendung wacht. Auch in der überwiegenden Zahl der von der ZLG eingerichteten Expertenfachgruppen, die sich mit den verschiedenen Aspekten der pharmazeutischen Überwachung, vorwiegend im Industriebereich, befassen, arbeiten Kollegen aus den Landesministerien mit.

Wie kommt man als Apotheker in ein Landessozialministerium?

In vielen Fällen geht eine mehrjährige Tätigkeit in Behörden im Bereich der Arzneimittel- oder Medizinprodukteüberwachung voraus. Auch eine Tätigkeit in Kammern, Verbänden oder der pharmazeutischen Industrie kann eine geeignete fachliche Grundlage bilden. Die Arbeit bei einer obersten Landesbehörde bietet die Möglichkeit, die eigene Tätigkeit fachübergreifend zu betrachten. Dies ist vielleicht für den einen oder anderen Pharmazeuten zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, macht die Arbeit aber letztendlich auch interessant. Das Gesundheitswesen und die Gesetzgebung sind einem ständigen Wandel unterworfen, so dass immer etwas Neues anliegt. Die Gefahr, dass die Tätigkeit eintönig wird, ist somit, zumindest mittelfristig, nicht gegeben. Auch die Möglichkeit, in vielen Bereichen der Pharmazie "am Ball" zu bleiben, macht die Tätigkeit attraktiv. Ein gewisser Nachteil ist die unmittelbare Abhängigkeit vom aktuellen Geschehen. So kann es vorkommen, dass ohne Vorwarnung innerhalb weniger Stunden ein komplexer Vermerk zu erstellen oder ein Redebeitrag zu erarbeiten ist. In gewissem Umfang kann man hier allerdings Vorkehrungen durch kontinuierliches Sammeln von Material treffen, das im "Ernstfall" dann auch schnell verfügbar sein sollte. Zu ergänzen ist, dass Apotheker auch in Ministerien eine eher kleine Berufsgruppe unter vielen darstellen. Zum Alltag gehört es daher auch immer wieder, Vorgesetzte und Kollegen anderer Fachrichtungen über den Apothekerberuf und seine Bedeutung für das Gesundheitswesen zu informieren.

Insofern steht die Sichtweise der "Behördenapotheker" auch an dieser Stelle den Interessen der in öffentlichen und Krankenhaus tätigen Kollegen nicht entgegen, ganz im Gegenteil, es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Stück Lobbyarbeit für den eigenen Berufsstand betrieben wird, wenn auch nicht alle Anregungen und Wünsche stets auf fruchtbaren Boden fallen.

Dr. Anette Heckmann

Weiterführende Informationen im Internet (Auswahl)

  • Bundestag: www.bundestag.de
  • Bundesrat: www.bundesrat.de Auf diesen Seiten gibt es umfangreiche Recherchemöglichkeiten zum Stand von Gesetzgebungsverfahren. Auch Beschlüsse und Sitzungsprotokolle sind hinterlegt
  • Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung: www.bmgs.bund.de Hier findet man unter anderem die einschlägigen Vorschriften in aktueller Fassung und Verknüpfungen zu den Gesundheitsressorts der Bundesländer.
  • Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG): www.zlg.de
  • Bundesverband der Apotheker im Öffentlichen Dienst (BApÖD): www.bapoed.de
  • Arbeitsgemeinschaft höherer Dienst (AhD): www.hoehererdienst.de
  • Deutscher Beamtenbund (DBB): www.dbb.de

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