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EU-Chemikalienreform REACH: Besserer Schutz vor Alltagsgiften gefordert

BERLIN (ks). Kommende Woche soll das Europäische Parlament über eines der größten Legislativprojekte der EU entscheiden: Die neue Chemikalien-Verordnung REACH. Während die Lobby der chemischen Industrie gegen das Regelwerk mobil macht, fordern die Bundesärztekammer (BÄK), der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und Greenpeace eine rasche Umsetzung der Verordnung.

Vertreter der drei Organisationen machten sich am 8. November in Berlin für eine Reform stark, die den Gesundheits- und Verbraucherschutz stärkt. Sie betonten, dass die Anforderungen an Chemieunternehmen, Informationen über die Sicherheit ihrer Chemikalien zu liefern, nicht noch weiter reduziert werden dürften.

Am 17. November steht die Abstimmung über REACH (Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals) auf der Tagesordnung des EU-Parlaments. Das Regelwerk zielt darauf ab, den Umgang mit chemischen Stoffen für Mensch und Natur sicherer zu machen, indem es einen europäischen Rechtsrahmen für die Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe festlegt. So sollen alle Chemikalien mit einer Jahresproduktion oder einem jährlichen Importvolumen von über einer Tonne in einem zentralen Datenregister erfasst werden. Umfang und Auswirkungen von REACH sind allerdings heftig umstritten. Einig ist man sich lediglich, dass die etwa 40 EU-Richtlinien, die derzeit gelten, zusammengeführt und vervollständigt werden müssen. Ein wesentlicher Grund für die neue Verordnung ist zudem das herrschende Informationsdefizit für viele chemische Stoffe. Für den überwiegenden Teil der rund 100.000 chemischen Produkte, die heutzutage in der Branche verwendet werden, mangelt es an ausreichenden Informationen über ihre ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen.

Chemische Industrie: Wettbewerb gefährdet

Die Industrie befürchtet jedoch, dass die neue Verordnung vor allem kleineren und mittleren Unternehmen zu hohe Kosten aufbürdet und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze gefährdet. Rund 1300 Änderungsanträge sind bereits im EU-Parlament eingegangen. Auch nach Vorschlägen der EU-Ausschüsse für Industrie sowie Binnenmarkt/Verbraucherschutz sollen die Anforderungen an Chemieunternehmen abgesenkt werden. Deutschland fordert ebenfalls vorerst einen Stopp des Gesetzgebungsprozesses. Auf Drängen der künftigen Bundesregierung soll nun eine für den 29. November geplante Entscheidung des EU-Wettbewerbsrates zu REACH verschoben werden.

BÄK: Viele Risiken sind noch unbekannt

Im Vorfeld der geplanten Abstimmung im EU-Parlament appellierten Ärzte, Verbraucher- und Umweltschützer an die EU-Abgeordneten, keine weitere Abschwächung der Reform zu Lasten des Gesundheits- und Verbraucherschutzes zuzulassen. Prof. Dr. Heyo Eckel, Vorsitzender des Ausschusses "Gesundheit und Umwelt" der BÄK unterstrich, dass Chemikalien schwerste Erkrankungen verursachen können – auch wenn sie nur in kleinen Mengen hergestellt werden. Doch bis heute seien die meisten Stoffe kaum auf ihre Risiken getestet worden. "REACH soll diesen unhaltbaren Zustand beenden und darf deshalb nicht weiter abgeschwächt werden", sagte Eckel. Über einige Chemikalien brauche man nicht weniger, sondern mehr Daten als bisher in REACH vorgesehen. Die chemische Industrie dürfe daher nicht länger von ihrer Pflicht entbunden werden, ausreichende Sicherheitsdaten für ihre Stoffe zu liefern.

vzbv: Industrie sollte Innovationspotenzial erkennen

Prof. Dr. Edda Müller, Vorstand des vzbv, forderte die designierte Bundesregierung und das EU-Parlament auf, am ursprünglichen REACH-Entwurf festzuhalten und ihn zügig zu verabschieden. Eine weitere Verwässerung sei inakzeptabel und führe das Ziel der Verordnung, Mensch und Umwelt zu schützen, ad absurdum. In ihrem eigenen Interesse sollte die chemische Industrie ein verbraucherfreundliches REACH nicht boykottieren. Müller: "Durch die Entwicklung von Ersatzstoffen hat REACH ein hohes Innovationspotential. Eine vorsorgeorientierte Chemikalienpolitik stärkt zudem das Vertrauen der Verbraucher, und beides ist gut für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft."

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