Die Seite 3

Homöpathie – Wirkung ohne Molekül

Peter Ditzel

Über 200 Jahre alt ist die von Samuel Hahnemann etablierte Therapierichtung der Homöopathie, und nahezu ebenso lange streiten sich Ärzte, Apotheker und Naturwissenschaftler darum, ob und wie diese Heilmethode denn wirkt. Die von Hahnemann begründete Ähnlichkeitsregel kann die Skeptiker nicht wirklich überzeugen. Aber Befürworter und Anhänger der Homöopathie verweisen auf unzählige Heilerfolge.

Den Pharmakologen dagegen fehlen Erkenntnisse über molekulare Zusammenhänge. Mit Lösungen, die chemisch gesehen nur aus verdünntem Alkohol bestehen und kein Wirkstoffmolekül enthalten, können sie absolut nichts anfangen. Den Schulmedizinern fehlen harte klinische Studiendaten, die unser Medizinbetrieb von einer wirksamen Therapie verlangt und die letztendlich zur evidenzbasierten Medizin führen - hier kann die Homöopathie nicht mithalten, Fehlanzeige. Zwar wurde immer wieder versucht, die Homöopathie mit Methoden der Schulmedizin nachzuweisen, doch richtig überzeugend ist es ihr nie gelungen. Zumal sich der therapeutische Ansatz der Homöopathie per se nicht mit der Anlage einer klinischen Studie verträgt.

In jüngster Zeit gab es erneut Ansätze, die Homöopathie auf die Seite der unwirksamen Therapiemethoden zu drängen, sie allenfalls als Placebotherapie gelten zu lassen. Die britische Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlichte im August die Metaanalyse des Sozialmediziners Egger von der Universität Bern, die zu dem Schluss kommt, dass die Wirkung der Homöopathie allein auf dem Placeboeffekt beruht.

Zu ähnlichen Ergebnissen kam die Stiftung Warentest: Die Autoren der Ratgeber-Publikation "Die Andere Medizin" zählen die Homöopathie zu den "wenig geeigneten" Heilmethoden. Zwar gebe es bei einer Reihe von Erkrankungen Hinweise auf eine Wirksamkeit der homöopathischen Behandlung, so die Autoren des Warentest-Buches, sie seien aber so schwach, dass sie sich von Placeboeffekten nicht abgrenzen ließen.

Derzeit beschäftigt eine an einer deutschen Hochschule erstellte Arbeit die Fachkreise (siehe dazu unseren Bericht auf Seite 24). Die Veröffentlichung, die sogar mit dem Hans Heinrich Reckeweg-Preis ausgezeichnet wurde, will nachgewiesen haben, dass flüssige Belladonna-Hochpotenzen (D 32, D 60 und D 100) am isolierten Rattenmuskelpräparat in geeigneten Nährlösungen physiologisch wirksam sind. Im Klartext bedeutet dies, dass mit homöopathischen Präparaten, in denen rechnerisch praktisch kein Wirkstoffmolekül (in diesem Fall Atropin) mehr vorhanden ist, durch Acetylcholin ausgelöste Muskelzell-Kontraktionen in vitro gehemmt wurden. Damit wurde auch mit strengen naturwissenschaftlichen und heute anerkannten Methoden die Wirkung eines homöopathischen Arzneimittels nachgewiesen und der Vorwurf, es sei nur eine Placebowirkung, entkräftet. Das ist eine Sensation. Nein, es muss heißen: Es wäre eine Sensation gewesen, denn Kritiker, die sich mit dieser Arbeit befassten, bescheinigten den Autoren u. a. methodisch bedingte Messfehler. Versuchsdaten seien an das erwartete Messergebnis angepasst worden. Die Autoren haben mittlerweile Fehler bei der Versuchsdurchführung und Auswertung eingestanden. Abermals ist der streng naturwissenschaftliche Wirkungsnachweis zerplatzt wie eine Seifenblase.

Wägt man die Argumente der Befürworter, Skeptiker und Gegner der Homöopathie ab, komme ich zu der Ansicht, dass man die Frage nach der Wirksamkeit der Homöopathie nur so angehen sollte, wie die Homöopathie sich selbst sieht, nämlich als alternative Heilmethode, die ihre eigenen "Gesetze" hat.

Sie mit strengen naturwissenschaftlichen Methoden messen zu wollen (siehe die oben erwähnte Arbeit mit Belladonna), ist nach meiner Ansicht schon vom Ansatz her falsch. Denn die "Wirkung" eines fehlenden Wirkstoffmoleküls in D 60 erklären zu wollen, ist nicht nötig - darum geht es der Homöopathie letztendlich nicht. Bei ihr steht das Individuum und die individuelle Erkrankung im Mittelpunkt und dafür werden nach Regeln definierte Präparate in bestimmten Verdünnungen zugeordnet (Persono- und Organotropie). Die Art der Auswahl, das Gespräch mit dem Homöopathen, die intensive Beschäftigung des Therapeuten mit dem Patienten, die in der Verordnung des individuell ausgewählten Heilmittels gipfelt, das die Patienten in aller Regel mit großer Compliance einnehmen, bewirkt, dass die Homöopathie besser wirksam ist als Placebo. Vielleicht ist das die richtige Schiene, auf der man sich dieser besonderen Therapierichtung nähern sollte: Placebowirkungen sind - auch bei allopathischen Mitteln - mitunter beachtlich. Mich wundert es nicht, wenn dann homöopathische Präparate, die mit viel Empathie verordnet und eingenommen werden, besser wirken als Placebo.

Vielleicht sollten Schulmediziner und Homöopathen weniger um das Stoffliche der Homöopathika streiten. Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft hat dies in ihrem aktuellen Statement (siehe Seite 26) auf den Nenner gebracht: "Homöopathie wirkt, aber nicht die homöopathische Arznei." Vielleicht könnte ein Konsens in Richtung Homöopathika als therapeutischer Verstärker von Placeboeffekten gehen?

Peter Ditzel

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