Arzneimittel und Therapie

Herner-Arthrose-Studie: Versorgung von Arthrosepatienten liegt im Argen

ks | Nach bisherigen Schätzungen sind etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland von Arthrose betroffen. Möglicherweise sind es noch viel mehr. Dies legt die Herner-Arthrose-Studie nahe, für die 3360 Herner Bürger Auskunft darüber gaben, ob sie unter Gelenkschmerzen leiden und was diese für sie bedeuten. Mit der Studie, die am 12. Oktober in Berlin vorgestellt wurde, will die "Initiative gegen den Schmerz" die in Deutschland bescheidene Datenlage zur Arthrose aufbessern.

"Die Studie bestätigt, dass Arthrose eine stumme Volkskrankheit ist", erklärte Dr. Josef Zacher, der Vorsitzende der Initiative und Chefarzt für Orthopädie am Helios-Klinikum Berlin-Buch. Da die Schmerzen für den Außenstehenden nicht erkennbar sind und die Krankheit auch nicht tödlich ist, werde sie nicht als sonderlich interessant wahrgenommen. Dabei ist die Erkrankung nicht nur für die Betroffenen ein schweres Los. Auch ihre Kosten sind immens. Schätzung zufolge belastet sie das Gesundheitssystem mit jährlich 3,5 bis 5,4 Milliarden Euro.

Um besser über Arthrose informieren zu können, mangelt es vor allem an epidemiologischen Daten zur Versorgung. Diese Lücke will die 2003 gegründete Initiative "Stark gegen den Schmerz" nun mithilfe der Herner-Arthrose-Studie (HERAS) schließen. Zu den Unterstützern der Initiative zählen unter anderen die Barmer Ersatzkasse, die Deutsche Schmerzhilfe e.V., der Bundesverband der Fachärzte für Orthopädie und die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie. Die Studie selbst wurde mit finanzieller Unterstützung des Pharmaunternehmens MSD Sharp & Dohme durchgeführt.

Befragung in einer Durchschnitts-Stadt

Für die HERAS wurden 8000 zufällig ausgewählte Herner Bürger über 40 Jahre angeschrieben und gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Die Rücklaufquote betrug 43%. Dr. Ulrich Thiem vom Marienhospital Herne der Ruhr-Universität Bochum, der mit der Durchführung der Studie befasst ist, betonte, dass die Alters- und Geschlechtsverteilung darauf schließen lasse, dass die Stichprobe weitgehend repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ist. Er stellte die Ergebnisse des ersten Studienabschnitts vor.

Auch unter 50-Jährige betroffen

Eines der wesentlichen Ergebnisse ist, dass Gelenkschmerz offenbar eine Volkskrankheit ist. 57% der Befragten gaben an, am Tag der Befragung unter Schmerzen in peripheren Gelenken (ohne Rücken) gelitten zu haben. 68% hatten im zurückliegenden Monat mit Schmerzen zu kämpfen, 71% innerhalb des gesamten zurückliegenden Jahres. Dabei waren nicht nur ältere Menschen betroffen. Auch unter den 40- bis 49-Jährigen hatten zur Zeit der Befragung mehr als die Hälfte Schmerzen.

Am häufigsten ist es das Knie, das den Menschen Ärger macht. Ein gutes Drittel der Befragten nannte es als ihr "Problemgelenk". Aber auch Schultern (30%), Hände (25%) und Hüfte (22%) bereiten häufig Schmerzen. Diese Schmerzen führen bei den Betroffenen zu erheblichen Alltags-Schwierigkeiten: Ein Fünftel fühlte sich durch die Erkrankung selbst in leichten Haushaltstätigkeiten beeinträchtigt. Jeder Vierte gab an, beim Gehen Schmerzen zu haben.

Unterversorgung mit Arzneimitteln und nicht-medikamentösen Therapien

Die Studie zeigt auch, dass es um die Versorgung der Patienten nicht gut bestellt ist: Nur ein knappes Drittel der Befragten, die unter Gelenkschmerzen leiden, hatte vom Arzt ein Schmerzmittel erhalten. Von diesen hat wiederum ein Drittel die Medikamente regelmäßig genommen. 55% haben sie jedoch nur über wenige Tage oder Wochen genutzt. 20% der Betroffenen, die im zurückliegenden Jahr keine Schmerzmittel eingenommen hatten, klagten über schwere oder gar sehr schwere Schmerzzustände.

Thiem erklärt sich dies mit der Sorge der Patienten vor unerwünschten Wirkungen der Schmerztherapie. 60% der Studienteilnehmer, die im vergangen Jahr Schmerzmittel eingenommen hatten, gaben an, derartige Befürchtungen zu haben und ihre Medikamente daher nur zeitweise genommen zu haben. Allerdings haben nur 14% die Behandlung wegen tatsächlich aufgetretener Nebenwirkungen abgesetzt. Die Furcht vor Arzneimittelnebenwirkungen führt auch nicht dazu, dass nicht-medikamentöse Therapien häufiger zum Einsatz kommen – und das, obwohl z. B. Krankengymnastik nachweislich und nebenwirkungsfrei wirke, betonte Thiem. Doch nur ein Viertel der Schmerzbetroffenen gab an, in den zwölf Monaten vor der Befragung eine Physiotherapie oder andere nicht-medikamentöse Therapie erhalten zu haben.

Studie geht in die zweite Runde

Die HERA-Studie ist mit diesen Ergebnissen noch nicht zum Ende gelangt. In einem zweiten Studienabschnitt sollen alle Befragten, die über Hüft- oder Kniebeschwerden berichtet haben, kostenlos untersucht werden, um die Art der Beschwerden genauer zu bestimmen. Erwartet wird, dass bei 80 bis 90% der Patienten eine Arthrose die Ursache der Schmerzen ist.

Problemgelenk Knie

Ein gutes Drittel der Befragten gab an, dass ihnen das Knie am häufigsten Schmerzen bereitet. Die Arthrose scheint weiter verbreitet zu sein als bislang angenommen. Allerdings findet sie kaum Beachtung: die Schmerzen sind für Außenstehende nicht erkennbar sind, und die Krankheit verläuft nicht tödlich.

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