Kongress

Auftakt für eine engere Zusammenarbeit

Mit einer so großen Resonanz hatten die Veranstalter nicht gerechnet: Rund 600 Apothekerinnen und Apotheker aus Polen und etwa 130 aus Deutschland nahmen am 1. Polnisch-Deutschen Apothekerkongress, der vom 9. bis 12. Oktober in Krakau stattfand, teil. Eingeladen hatten die Polnische Hauptapothekerkammer, die Polnische Pharmaziegesellschaft und die Bundesapothekerkammer. Auf dem Programm standen Fortbildungsvorträge, Seminare und eine berufspolitische Diskussion, das Rahmenprogramm bot gemeinsame Ausflüge, Stadtrundfahrten, einen Pharmazeutentreff und ein Jazzkonzert.

Die Idee zu diesem Kongress entstand bei einem der letzten Besuche des Fortbildungskongresses der Bundesapothekerkammer in Davos, berichtete Professor Janusz Pluta, Vorsitzender der Polnischen Pharmaziegesellschaft, in seiner Eröffnungsansprache. Er freue sich, dass es gelungen sei, diesen Kongress nach nur kurzer Vorbereitungszeit zu verwirklichen. Schon zu Beginn des Kongresses hoffte er auf eine Fortsetzung.

Mit auf polnisch vorgetragenen Begrüßungsworten überraschte die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Magdalene Linz. In ihrer auf deutsch fortgeführten Ansprache hob sie auf die guten Beziehungen zwischen polnischen und deutschen Apothekern ab, die sich auf den Fortbildungskongressen in Davos und Meran entwickelt haben. Trotz unterschiedlicher Systeme freue sie sich, dass man auch in Polen, wie in Deutschland, für den Erhalt des freiberuflichen Apothekers und gegen die Kette kämpfe. Die pharmazeutische Kompetenz sichere die Unabhängigkeit des Apothekers. Linz wies auf die in Deutschland gestartete Qualitätsoffensive hin, die eine bessere Beratung von Kunden und Patienten zum Ziel habe, außerdem auf den Beschluss des Apothekertags, dass jede Apotheke einmal im Jahr an einem Ringversuch teilnehmen solle, um ihre Qualität in der Rezeptur und bei Blutuntersuchungen überprüfen zu lassen. Auch die Einbindung des Apothekers in die Pharmakovigilanz, in pharmakoökonomische Fragen sichere die berufliche Zukunft des Apothekers. Aufgrund der Freigabe der Preise von OTC-Arzneimitteln hat die Selbstmedikation in Deutschland zugenommen. Hier ist die Kompetenz des Apothekers verstärkt gefordert. Pharmazeutische Kompetenz, Qualität der Leistungen und Unabhängigkeit führen in die Zukunft, so Linz.

Fortbildungskongresse wie in Krakau sind Bausteine dazu. Darüber hinaus dient der 1. Polnisch-Deutsche Fortbildungskongress auch dem gegenseitigen Verständnis.

Ähnlich sieht es auch Andrzej Wróbel, Präsident der Polnischen Hauptapothekerkammer. Der Apotheker soll im Alltag nicht nur Verkäufer sein, er muss vielmehr den Mehrwert seiner Arbeit ausschöpfen, seine Fähigkeiten und sein Wissen. In der Zukunft sollte sich der Apotheker nicht nur dem Preiswettbewerb stellen, sondern dem Wettbewerb des Wissens. Dies trage auch dazu bei, Widerstand gegen Monopolisierung und Ketten zu leisten. Der polnische Kammerpräsident beklagte die fortschreitende Eingrenzung der Kompetenz der Selbstverwaltung in seinem Land.

Grußworte für den 1. Polnisch-Deutschen Apothekerkongress schickte auch Polens Gesundheitsminister und der deutsche Botschafter.

Hoffnung auf Normalität

Als Festredner hatten die Veranstalter Professor Wladyslaw Bartoszewski gewonnen, ein ausgewiesener Kenner der deutsch-polnischen Beziehungen. Bartoszewski, Jahrgang 1922, ist Historiker und Diplomat, er war polnischer Botschafter in Österreich, zweimal Außenminister von Polen, Vorsitzender des Internationalen Auschwitzrates und weiterer Gremien. Er schrieb mehr als 40 Bücher zur jüngsten Zeitgeschichte Polens und Europas. Anlässlich des 50. Jahrestages der Beendigung des 2. Weltkrieges durfte er als Festredner vor dem Deutschen Bundestag sprechen.

Der Kongress ist ein Beweis für die aufkommende Normalität zwischen beiden Völkern, so Bartoszewski. Dennoch, als die Mauer zwischen den beiden Teilen Deutschlands fiel und die Vereinigung kam, schürte dies Ängste in Polen: Welche Politik würde Deutschland gegenüber den ehemaligen Ostblockstaaten betreiben? Man befürchtete, Deutschland könne sich erneut mit Russland gegen Polen verbünden. Vor diesem Hintergrund war es wichtig, dass die Grenze Polen – Deutschland 1990 bestätigt wurde, dies ermöglichte die Versöhnung der Völker. Mittlerweile ist die Grenze ähnlich zu sehen wie die zwischen Frankreich und Deutschland, so Bartoszewski, und ergänzte: "Erst als 1993 die letzten russischen Truppen Polen verließen, haben wir uns souverän gefühlt".

Während der 90er Jahre verbesserten sich die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland kontinuierlich. Als Kanzler Schröder das Abkommen zur Kriegsentschädigung unterzeichnete, war dies eine weitere Verbesserung des polnisch-deutschen Verhältnisses. Letztendlich hat dann auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit weitere Annäherungen gebracht. Während die kriminelle Zusammenarbeit über Europol bereits sehr gut verläuft, muss die Versöhnung zwischen den Völkern noch weiter vorangetrieben werden.

In Zukunft sollten die deutsch-polnischen Beziehungen auch im europäischen Kontext gesehen werden – seit 1. Mai 2004 ist Polen Mitglied der Europäischen Union. Dies hatte zur Folge, dass Polens Außenpolitik neu definiert wurde. Keine Partei Polens betreibt beispielsweise eine antiamerikanische Politik. "Das ist kein Thema für uns", so Bartoszewski, "für uns steht die Zusammenarbeit mit den USA fest."

Dass Polen zur Europäischen Union gehört, ist für den ehemaligen Außenminister selbstverständlich, er fühlt sich als Europäer. Er sieht die EU nicht nur als Gemeinschaft für wirtschaftlichen Wohlstand, sondern auch als Union der Werte: Trotz Vielfalt gibt es gemeinsame kulturelle Wurzeln der Länder. Jetzt wird auch erstmals eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern unter europäischen Vorzeichen möglich.

Der Historiker forderte eine Vollendung der EU, auch wenn noch viel Arbeit vor den zukünftigen Staaten liege. Er nannte in diesem Zusammenhang die Ukraine, deren Weg in die richtige Richtung geht. Weißrussland dagegen dürfte einen noch längeren Weg vor sich haben. Auch der Beitritt der Türkei wird von Polen befürwortet. Er erinnerte daran, dass sich Polen von Anfang an dafür aussprach, Länder wie Litauen und Lettland in die Nato und EU aufzunehmen. Zwar befürchtete man die Empörung Russlands, sie blieb aber aus.

Deutschland hat heute ruhige Grenzen, von seinen Nachbarn nichts zu befürchten – das gibt ein neues Bewusstsein. Bartoszewski rief dazu auf, dass die beiden Länder Deutschland und Polen die Versöhnung in andere Länder exportieren sollten. "Wir haben seit dem 2. Weltkrieg viel erreicht", so sein Fazit, "Wahrheit, Freiheit und Demokratie."

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