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Annäherung in der Gesundheitspolitik

BERLIN (ks). Kaum einer zweifelt noch daran, dass in Berlin künftig eine große Koalition aus SPD und Union das Sagen haben wird. Die Nachwahl am 2. Oktober in Dresden brachte erwartungsgemäß keine neue Sicht auf die Dinge. Die Sondierungsgespräche laufen und Bundeskanzler Gerhard Schröder ist mittlerweile erstmals von seinem unbedingten Führungsanspruch abgerückt. Auch in der Gesundheitspolitik finden erste Annäherungsversuche statt. Schon jetzt ist klar, dass man in der kommenden Legislaturperiode weder eine Bürgerversicherung noch ein Prämienmodell in der Krankenversicherung einführen wird. Nachgedacht wird hingegen über Kompromisse wie das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags und weitere Strukturreformen.

Es darf weiter gewettet werden, wie die Ministerposten im Kabinett einer rot-schwarzen Regierung verteilt werden. Nach wie vor hat die amtierende Bundessozialministerin Ulla Schmidt gute Chancen, in einer neuen Regierung ihre Zuständigkeit für das Gesundheitswesen zu behalten. Zwar erhebt auch die Union Anspruch auf ein Sozialressort - dies könnte aber auch dadurch entstehen, dass Rente und Gesundheit künftig wieder auf verschiedene Ministerien verteilt werden. Während die niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) dieser Tage nur noch selten als mögliche Bundesgesundheitsministerin genannt wird, kommt der CSU-Sozialexperte Horst Seehofer wieder häufiger als Kandidat für einen Ministerposten ins Gespräch. Insbesondere der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) und der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Karl-Josef Laumann (CDU), drängen darauf, dass die Union wieder als soziale und christliche Partei wahrgenommen wird. Sie fordern daher einen "prominenten Sozialpolitiker der Union" im nächsten Bundeskabinett. Beiden schwebt dabei Seehofer als Idealbesetzung vor. Dieser zeigt sich nicht abgeneigt von der Idee. Dass er Ende letzten Jahres wegen seiner Ablehnung der Gesundheitsprämie seinen Posten als Fraktionsvize abgeben musste, scheint nun kein Hindernis mehr zu sein. In einer großen Koalition ist das Reformkonzept der Union ohnehin nicht durchsetzbar.

Schmidt will mehr Wettbewerb unter den Kassen

Zu den inhaltlichen Fragen einer künftigen Gesundheitspolitik abseits der Finanzierung macht sich Ministerin Schmidt nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (Ausgabe vom 4. Oktober) bereits ihre Gedanken. Wie das Blatt berichtete, sollen künftig auch kassenartübergreifende Fusionen möglich sein und der Wettbewerb zwischen gesetzlichen und privaten Kassen angeheizt werden. Es müsse dabei über gleiche Regeln für alle Versicherungen nachgedacht werden, weil es den Menschen nicht zu vermitteln sei, warum sich nur bestimmte Bürger privat versichern dürfen, schreibt die SZ unter Berufung auf Ministeriumskreise. Möglicherweise müssten dann auch die Privatversicherer in den Finanzausgleich der Kassen einzahlen. Derartige Überlegungen hat auch Seehofer schon angestellt.

Chance für echte Strukturreformen

Auch sonst ist man derzeit bemüht, gesundheitspolitische Schnittmengen zwischen Union und SPD aufzutun. So fordern etwa einige Unions-Politiker, den Arbeitgeberbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung einzufrieren, um zumindest eine gewisse Abkopplung der Gesundheits- von den Arbeitskosten zu erreichen. Dies würde wohl auch ein Teil der SPD-Fraktion unterstützen. Der neue SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach hat sich hingegen kategorisch gegen einen solchen Kompromiss ausgesprochen. Ein Mittelweg zwischen den beiden konkurrierenden Finanzierungskonzepten von Union und SPD hält er nicht für denkbar. Dafür sieht er in einer großen Koalition eine "historische Chance" für echte Strukturreformen. So ist er beispielsweise nicht nur mit Schmidt, sondern auch mit Seehofer einer Meinung, dass die Monopole der Kassenärztlichen Vereinigungen gelockert werden müssen.

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