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BAH-Jahrestagung: Die Zukunft des Arzneimittelmarktes ist ungewiss

BERLIN (ks). Mit der Aussicht auf eine große Koalition aus Union und SPD im Bund können sich die meisten Akteure im Gesundheitswesen offenbar mehr oder weniger anfreunden. Eine große Finanzreform erwartet kaum jemand - gefragt sind eher kleine Schritte. Im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Arzneimittelmarktes haben Krankenkassen und Leistungserbringer allerdings teilweise unterschiedliche Erwartungen an die künftige Regierung. Dies wurde bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) am 28. September in Berlin deutlich.

Der neue BAH-Vorsitzende Hans-Georg Hoffmann hofft, dass sich eine große Koalition in gesundheitspolitischen Fragen nicht nur auf den "kleinsten gemeinsamen Nenner" verständigen wird. Er will nicht ausschließen, dass sich die Gesundheitspolitiker von Union und SPD "zu einer großen Maßnahme zusammenraufen" können. Wie allerdings die Zukunft des Arzneimittelmarktes aussehen wird, sei noch ungewiss, betonte Hoffmann. Die Wünsche des BAH an die kommende Regierung sind hingegen präzise: Den Herstellern geht es insbesondere um eine differenzierte Behandlung von Festbetragsarzneimitteln sowie um Veränderungen bei der Verordnungsfähigkeit von rezeptfreien Arzneimitteln und der Zuzahlungsregelung. Keinesfalls dürfe die Politik der Kostendämpfungsmaßnahmen fortgesetzt werden, unterstrich Hoffmann.

ABDA: GMG wirken lassen

ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf verwies darauf, dass die vergangene Reform bereits ein Ergebnis einer großen Koalition sei: "Hier wurde das erledigt, was Herr Lauterbach immer noch fordert." Wolf betonte, dass die vorgenommenen Strukturreformen die Wettbewerbsseite erheblich verändert habe - auch für Apotheken. Das Wichtigste sei nun, diese Reformen weiter wirken zu lassen, ehe man zu neuen großen Veränderungen schreitet. Für die Zukunft hofft man bei der ABDA darauf, dass Apotheker noch stärker als Koordinatoren im Gesundheitswesen eingesetzt werden. Zudem sprach sich Wolf erneut für eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel aus.

KBV: Abschied vom Monopol

Ulrich Weigeldt, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), ist der Überzeugung, dass das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) auch bei den Ärzten den Wettbewerb gestärkt hat. Das System der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sei kein Monopol mehr - dies zeige etwa der Barmer-Vertrag. Die KVen, so Weigeldt, wüssten sich darauf einzustellen: Es gelte nicht, "das tradierte Monopolbild nach vorne zu bringen", sondern den Vertragsärzten wichtige Serviceleistungen anzubieten. Weitere große Reformschritte erwartet Weigeldt angesichts der Wirkungen des GMG nicht. Der KBV ist derzeit vor allem daran gelegen, dem bevorstehenden Arztmangel durch eine Flexibilisierung der Zulassungsordnung entgegenzuwirken. Zudem müsse ein vernünftiges Arzneimittel-Informationssystem eingerichtet werden. Weigeldt sperrt sich nicht dagegen, sich für eine rationellere Verschreibungstätigkeit bei den Ärzten einzusetzen - eine Bonus-Malus-Regelung, wie sie die GKV vorschlägt, lehnt er jedoch ab.

GKV: Große Finanzreform kann warten

Auch der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands der Innungskrankenkassen, Rolf Stuppardt, glaubt nicht, dass die GKV derzeit zwingend eine große Finanzreform braucht. Es sei eher zufällig, dass die Parteien dieses Thema in den Mittelpunkt ihrer Gesundheitspolitik gestellt haben. Auf diese Weise werde fälschlicherweise suggeriert, dass sich mit einer isolierten Finanzreform auch andere Probleme beheben lassen - etwa im Arzneimittelbereich. Wolle man das - an sich gute - GKV-System erhalten, müsse man Wege finden, die Ausgabensteigerungen in den Griff zu bekommen, betonte Stuppardt. Anders als die KBV verspricht sich die GKV viel von einem Anreiz-System, das wirtschaftlich verordnende Ärzte belohnt und verschwenderische mit einem Malus belegt.

Wolf: Innovationen werden knapp in Deutschland

Was die Ausgabensteigerungen im Arzneimittelmarkt betrifft, so verwies Wolf darauf, dass der Gesundheits- und Arzneimittelmarkt nun einmal wachse. Dies lasse sich angesichts der demographischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts nicht verhindern. Wenn man dies nicht wolle, müsse jemand sagen, dass GKV-Versicherte künftig von innovativen Arzneimitteln ausgeschlossen bleiben. Wolf erklärte weiterhin, dass Deutschland bereits auf dem Weg sei, ein "Billigland für Innovationen" zu werden. Die Folge sei, dass innovative Arzneimittel hierzulande knapp werden - nicht selten verschwänden sie durch Parallel-Export ins Ausland. Diese Feststellung sei Grund dafür, dass forschende Hersteller über neue Vertriebswege nachdenken.

Knackpunkt Rabatte

Auch das Thema autidem und Rabatte beschäftigte die Diskussionsrunde: Stuppardt erklärte zwar, dass das Thema für ihn nicht von höchster Priorität sei - dennoch haben die GKV-Spitzenverbände gefordert, die Aut-idem-Reglung wieder in Ärztehand zu legen. Wenn es tatsächlich stimme, dass ein "Rabattproblem in Höhe von 500 Mio. Euro" im Zusammenhang mit autidem aufgetreten sei, so müsse man dieses lösen, sagte Stuppardt. Wolf entgegnete, dass sich dieses Problem mit den Möglichkeiten, die den Kassen vom Gesetzgeber gegeben wurden, lösen lasse - Stichwort Rabattverträge. Der ABDA-Präsident verwehrte sich gegen die immer wieder aufgestellte Behauptung, es gebe Apotheker, die zu Lasten der GKV und der Ärzte teure und höher rabattierte Generika abgeben: "Wenn das ein Apotheker tatsächlich täte, wäre er betriebswirtschaftlich doof."

Die Rechnungsprüfungsabteilung der Krankenkasse würde diese Differenz sofort wegkappen - in der Regel würden solche Rezepte sogar auf Null retaxiert. "Wenn eine Krankenkasse hingeht und diesen Zustand beklagt, so hat sie allenfalls Grund zu beklagen, dass ihr eigenes Rechungsprüfungswesen nicht funktioniert", lautet Wolfs Schlussfolgerung.

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