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Astronomie: NEOs bedrohen die Erde

Etwa eine Milliarde kosmische Geschosse von mehr als zehn Metern Durchmesser kreuzen die Umlaufbahn der Erde. Die Gefährdung der Erde und ihrer Bewohner durch einen Treffer ist schwierig abzuschätzen. Einen Schutz vor einem drohenden Einschlag gibt es bisher nicht.

Der Weltraum ist öd und leer. Und dennoch bedroht er uns. Beispielsweise krachte es kurz vor Weihnachten 2004 über der Großstadt Jakarta plötzlich sehr laut. Ein kosmischer Körper war in der Atmosphäre zerplatzt und verglüht. Alle kamen mit dem Schrecken davon. Dass es auch anders geht, musste Pauline Aguss im letzten Jahr erleben. Als die Britin in ihrem Garten Wäsche aufhängte, spürte sie plötzlich einen stechenden Schmerz an ihrem Arm. Es war ein walnussgroßer Meteorit, der sie schwer verletzte. Zwei Jahre zuvor sorgte in den USA der Peekskill-Meteorit für Aufsehen (Abb. 1). Die Gefahr aus der Tiefe des Weltraums ist also gegeben und keine Fiktion von Romanautoren. Zeugen großer Einschläge gibt es aus der

Vergangenheit. So raste vor 15 Millionen Jahren ein etwa 1000 Meter großer Gesteinsbrocken durch die Atmosphäre. Der durch die Reibung der Luft aufgeheizte Feuerball donnerte mit 40.000 km/h auf die Erde und bohrte sich einen Kilometer tief in das Juragebirge. Das Gestein explodierte unter einem Druck von 100 Millionen Bar und bei einer Temperatur von etwa 30.000 °C. Eine knappe Minute später klaffte ein tiefes Loch von 15 km Durchmesser in der Landschaft, die ringsum 30 Meter hoch von Gesteinstrümmern und Staub bedeckt wurde. Das Nördlinger Ries war damit geboren, und im Umkreis von 100 Kilometern war alles Leben erloschen.

 

Zwei Szenarien

Stellt man sich das – äußerst unwahrscheinliche – Szenario vor, dass ein 10 km großer Meteorit die Erde trifft, ist die Dimension des Dinosauriersterbens vor etwa 65 Millionen Jahren erreicht. Die beim Einschlag freiwerdende Energie entspräche der milliardenfachen Energie der Hiroshima-Bombe. Viele Milliarden Tonnen Staub würden in die Atmosphäre geschleudert, die Sonne über Monate verdunkeln und ihre Einstrahlung für Jahre vermindern. Die Photosynthese von Algen und Landpflanzen wäre kurzfristig blockiert und jahrelang beeinträchtigt.

Der folgende Temperatursturz würde Wetter, Meeresströmungen, Windsysteme verändern und einen Impaktwinter verursachen, mit schweren Auswirkungen auf Flora und Fauna. Saurer Regen würde dem Leben weiter zusetzen. Schlüge ein solcher Riese ins Meer, wäre die ausgelöste Flutwelle das geringere Problem. Die in die Atmosphäre geschleuderten Wassermengen würden einen steilen Anstieg der globalen Temperatur mit allen vorstellbaren Folgen für Mensch, Tier und Pflanze bewirken.

Träfe ein Meteorit mit ein bis zwei Kilometern Durchmesser die Erde, entstünde ein Loch von der Größe der Stadt Washington. Der in die Stratosphäre geschleuderte Staub brächte u.a. die Landwirtschaft zum Erliegen, eine Katastrophe wäre unausweichlich. Ein solches Ereignis tritt alle paar hunderttausend Jahre ein – wer weiß, wann es wieder so weit ist?

 

ABB2: Unser Sonnensystem ist vom Kuiper-Gürtel umgeben (Mitte) und be- findet sich inmitten der Oort’schen Wolke (unten). Aus anderen Gebieten der Oort’schen Wolke dringen ständig Kometen in das Sonnensystem ein und kön- nen bis  zur  Erde gelangen. Die hier dargestellten Asteroiden (oben) sind für die Erde ungefährlich. AU = Entfernung Erde – Sonne, ca. 149,6 Mio. km [1].

NEOs sind vielgestaltig

Erdnahe Objekte (NEOs; Near-Earth-Objects) ist ein Überbegriff für Kometen und Asteroiden, die sich zumindest zeitweise innerhalb der Marsbahn und damit in der Nähe der Erde befinden (Abb. 2). Kometen bestehen hauptsächlich aus Eis und verdampfen deshalb weitgehend bei ihrem Eintritt in die Erdatmosphäre. Nur die sehr großen Kometen stellen eine echte Bedrohung dar. Sie stammen wahrscheinlich alle aus der Oort'schen Wolke außerhalb unseres Sonnensystems (Abb. 2).

Asteroiden sind "sternenähnliche" Kleinstplaneten (Planetoiden) unseres Sonnensystems; die meisten von ihnen ziehen ihre Bahnen im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, so auch Ceres, mit einem Durchmesser von 913 km der größte bekannte Asteroid. Die Trojaner befinden sich auf der Umlaufbahn des Jupiter, und die Centauren fliegen zwischen Saturn und Neptun (Abb. 2).

Die erdnahen Asteroiden (Tab. 1) gehören aufgrund ihrer Bahnen drei Typen an: Asteroiden vom Typ Amor kreuzen die Erdbahn nicht und können deshalb auch nicht mit der Erde kollidieren; zu ihnen zählt Eros, mit 40 km Durchmesser das größte NEO. Dagegen kreuzen die Asteroiden der Typen Apollo und Aten die Erdbahn und stellen daher eine potenzielle Bedrohung dar. Die Zahl der Asteroiden wächst exponenziell mit ihrer abnehmenden Größe (Abb. 3).

 

ABB. 3: Größen-Häufigkeits- Verteilung der die Erdbahn kreuzenden Asteroiden (Stand 1994). Durchmesser von 1m (links) bis 1km (rechts; Maß- stäbe logarithmisch; aus [1]).

Meteoriten sind die auf die Erdoberfläche gelangten Teile von Asteroiden. Sie setzen sich hauptsächlich aus Gestein, Eisen oder beidem zusammen. Meistens haben sie nur die Größe von Staubkörnchen. Der größte bekannte Meteorit ist ein 1920 in Namibia gefundene Eisenmeteorit mit einer Masse von 54 Tonnen.

Der amerikanische Asteroidenfachmann Clark Chapmann forderte 1994, als er einen Vortrag vor dem Repräsentantenhaus der USA hielt, nachdrücklich dazu auf, den Himmel systematisch nach erdbahnkreuzenden Asteroiden abzusuchen. Er hielt es für genauso wahrscheinlich, mit einem Flugzeug abzustürzen, wie durch ein NEO umzukommen (bezogen auf die USA, Tab. 2). Die Politik ist seinen Forderungen bisher nur halbherzig gefolgt. Doch zahlt das Repräsentantenhaus der USA jedem 3000 US-Dollar, der einen NEO am Himmel entdeckt.

Heute gibt es zwar an mehreren Orten der Erde ausgefeilte Suchprogramme zur Durchmusterung des Himmels und zur Kategorisierung der gefundenen NEOs, aber die Suche müsste auch vom Weltraum aus erfolgen, weil nur dort eine ständige Rundumbeobachtung möglich ist. Dieses Ziel hat sich inzwischen die ESA (Europäische Weltraumagentur) gesteckt: Sie hat im Juli 2002 Mittel zur Vorbereitung von sechs Weltraummissionen bereitgestellt, die das Wissen über NEOs verbessern helfen sollen (Tab. 3).

Artefakt 

Am 29. September 2000 entdeckten Astronomen ein Objekt in zwanzigfacher Mondentfernung von der Erde. Das Objekt 2000-SG344 umkreist in 354 Tagen die Sonne auf einer erdähnlichen Bahn. Nach langem Rätseln hat man sich darauf geeinigt, dass es Weltraumschrott sein müsse und kein Asteroid.

Don Quijote kämpft im Weltall

Derzeit bereitet die ESA akribisch das Projekt Don Quijote vor, das im Jahr 2011 den Asteroiden 1989 ML aus seiner Bahn werfen soll: Zwei Sojus-Raketen tragen dann von Baikonur aus die Sonden Sancho und Hidalgo ins All. Zunächst untersucht Sancho den etwa 500 Meter großen Asteroiden eingehend. Er wird u.a. vier Penetratoren darauf landen, die sich dort festkrallen, ein seismometrisches Netzwerk bilden und die durch kleine Treibladungen hervorgerufenen Erschütterungen messen. Nach einigen Monaten zieht sich Sancho etwas zurück und überlässt dem ankommenden Hidalgo das Feld. Die Sonde der Masse von 380 kg wird dann mit 13.437 km/s auf dem Asteroiden aufschlagen. Sancho beobachtet den Vorgang aus der Ferne und registriert alle Reaktionen. Seine wichtigste Aufgabe ist es dann, die Bahnänderung des Asteroiden zu messen (Abb. 4).

Für die verhältnismäßig preiswerten Missionen gibt es auch heute schon gute Gründe. Beispielsweise flog der Asteroid 1994 XM1 vor elf Jahren in nur 100.000 km Entfernung an der Erde vorbei. Dies war bisher die gefährlichste Begegnung mit einem NEO. Am 18. März 2004 streifte der Asteroid 2004 FH, ein Fels mit 30 Metern Durchmesser, in einer Entfernung von 43.000 km die Ionosphäre, und der kleinere 2004 FU162 kam der Erde am 31. März 2004 bis auf 6500 km nahe. Das sind keine ungewöhnlichen Ereignisse, sondern ist alltäglicher Verkehr im Weltall.

 

Mondblitze 

Auf dem Mond werden immer wieder Lichtblitze beobachtet. In früheren Zeiten erklärte man sich das mit Feuern von Mondbewohnern. Heute kann man sie mit einfachen Teleskopen beobachten. Sie rühren von Meteoriteneinschlägen her. Da der Mond keine Atmosphäre hat, schlagen 10-kg-Objekte auf seiner Oberfläche mit rund 72 km/s auf. Das Gestein verdampft und wirft eine 50.000 bis 100.000 °C heiße Wolke aus dem Krater. Diese Glutwolke gibt ihre Energie als grelles Licht wieder ab.

Nicht alle Kometen sind harmlos

Der spektakulärste Einschlag eines Kometen fand im Juli 1994 statt. Shoemaker-Levy 9 schlug, in 21 ein bis zwei Kilometer große Stücke zerbrochen, auf dem Jupiter ein. Die Explosionen und Staub- und Gaspilze waren so gewaltig, dass sie wochenlang von der Erde schon mit kleineren Teleskopen zu sehen waren. Ereignisse dieser Größenordnung sind sehr selten, auch auf dem Jupiter, der mit seiner ungeheuren Anziehungskraft als Kometenstaubsauger gilt.

Obwohl Jupiter die meisten abfängt, ist die Erde in einer Art kosmischer Schneeballschlacht einem permanenten Regen an Kleinkometen ausgesetzt. Die Eisbrocken verdampfen aber fast alle in der oberen Atmosphäre.

 

 

Literatur

[1]    Stöffler, Dieter: Bedrohung aus dem Weltall  – Asteroiden und Kometen, in: Rolf Emmermann u.a. (Hrsg.): An den Fronten der Forschung –Kos- mos, Erde, Leben, S. 81 –  98. Stuttgart 2003.

[2]    Elsässer, Hans: Gefahren aus dem Weltall?

Naturwiss. Rdsch. 53,

61 – 68 (2000).

[3]    Steel, Duncan: Zielscheibe Erde.

Stuttgart 2001.

 

Dr. Uwe Schulte,

Händelstraße 10, 71640 Ludwigsburg, 
schulte.uwe@t-online.de

 

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