DAZ aktuell

Bitte aufwachen!

Man reibt sich die Augen: Nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung in der DAZ hat die ABDA-Rechtsabteilung erstmalig ihre Mitgliedsorganisationen über das fulminante Urteil des Kammergerichts zum grenzüberschreitenden Versandhandel mit Arzneimitteln informiert. Aber wie? So, als sei nichts gewesen und so, als handele es sich bei dem Berliner Judikat um die gewöhnlichste Entscheidung der Welt - kaum der Rede wert und ohne nennenswerte Bedeutung. Eben juristisches business as usual.

So kann nur schreiben, wer entweder die Tragweite des Berliner Urteils noch immer verkennt oder sie zwar erkennt, jedoch von seiner bisherigen Untätigkeit und Fehleinschätzung der Gerichtsentscheidung ablenken möchte. Man weiß nicht, was schlimmer wäre. Fest steht: Um den Jahreswechsel muss es in der Jägerstraße ziemlich schlafmützig zugegangen sein. Noch nicht einmal verbandsintern wurde das Urteil des Kammergerichts angemessen kommuniziert. Die (innerverbandliche) Verärgerung und Empörung darüber ist groß. Ihr soll nun offensichtlich dadurch entgegen gewirkt werden, dass die Dimension des Berliner Urteils verharmlost, herunter gespielt und - noch fataler - schlecht geredet wird.

Liest man das ABDA-Rundschreiben (vgl. Kasten), meint man, eine Pressemeldung von DocMorris vor sich liegen zu haben: Das Urteil des Kammergerichts "entfalte keine unmittelbare Wirkung", da der Beklagte "nicht mehr verantwortlich in die Geschäftsführung von DocMorris eingebunden" sei, heißt es da vernebelnd. Ausführlich schwadronieren die Autoren des Rundschreibens darüber, ob das Berliner Gericht in seinen Urteilsgründen zu erkennen gegeben habe, unter abweichenden Bedingungen möglicherweise doch anders zu entscheiden, wenn...

Es ist hanebüchen: Die ABDA-Juristen sind im Begriff, eine einmalige Chance zu vertun und die rechtliche Schneise, die ihnen das Kammergericht geschlagen hat, mit verwirrenden Statements und Interpretationen wieder zuwuchern zu lassen - zum Schaden der Apothekenbasis und zum Schaden der ABDA-Mitgliedsorganisationen und ihrer (ehrenamtlichen) Vertreter. Ihr bisheriges Verhalten ist nicht nur juristisch abenteuerlich und politisch dilettantisch, sondern lässt auch für die weiteren Maßnahmen, die jetzt schnellstens eingeleitet werden müssen, nichts Gutes ahnen.

Noch einmal: Die Sprengkraft der Entscheidung des Kammergerichts liegt gerade darin, dass ihre Urteilsbegründung - unabhängig von den Beteiligten des konkreten Berliner Gerichtsverfahrens - nahtlos auf jeden niederländischen Arzneimittelanbieter übertragen werden kann. Es gilt jetzt, alle rechtlichen und politischen Hebel in Bewegung zu setzen und den niederländischen Internetapotheken (und ihren Vertragspartnern) flächendeckend den Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel nach Deutschland untersagen zu lassen. Mit etwas taktischem Geschick sollte dies mithilfe des Kammergerichts innerhalb weniger Monate zu schaffen sein. Allerdings muss man dafür mehr tun als bisher. Deshalb, liebe ABDA: bitte aufwachen! Noch ist es nicht zu spät.

Christian Rotta

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