Arzneimittel und Therapie

Bessere Freigabekontrolle von Tamsulosin

Der Alpha1-Rezeptorantagonist Tamsulosin ist zur Behandlung von Symptomen des unteren Harntrakts bei der benignen Prostatahyperplasie zugelassen. Zurzeit sind zwei Darreichungsformen mit verzögerter Wirkstofffreisetzung auf dem Markt. Bisherige Untersuchungen ergaben für die neue Darreichungsform auf Basis der OCAS®-Technologie ein günstigeres pharmakokinetisches Profil als bei den herkömmlichen Retardkapseln, was zu einer besseren Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tamsulosin führen könnte.

 

Benigne Prostatahyperplasie

Der Alpha-1-Rezeptorantagonist Tamsulosin führt zu einer Erschlaffung glatter Muskelzellen der Blase, der Harnröhre und der Prostata. Er wird zur Behandlung von Symptomen des unteren Harntrakts bei der benignen Prostatahyperplasie (LUTS/BPH, siehe Kasten) eingesetzt. Zurzeit sind zwei Darreichungsformen mit verzögerter Wirkstofffreisetzung auf dem Markt: Alna® Retardkapseln und Omnic® Retardtabletten auf Basis der neuen OCAS®Technologie (Oral-Controlled-Absorption-System).

Günstigeres pharmakokinetisches Profil durch OCAS®

Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wirkstofffreisetzung bei den OCAS®-Retardtabletten im Vergleich zu den Tamsulosin-Retardkapseln noch stärker verzögert ist. In einer Studie mit 24 gesunden Probanden zeigten beide Darreichungsformen eine signifikant unterschiedliche Pharmakokinetik. Im Vergleich zur Retardkapsel war bei den OCAS®-Retardtabletten die maximale Tamsulosin-Plasmakonzentration (Cmax) geringer und die Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve (AUC) leicht verringert. Es traten geringere Schwankungen in den 24-Stunden-Plasmakonzentrationen (Cmax/C24h-Quotient) auf.

Nach Mehrfachdosierung einer Tamsulosin-OCAS®-Darreichungsform zeigte sich sowohl bezüglich der Cmax als auch der AUC Dosislinearität. Die Eliminationshalbwertszeit und die Zeit bis zum Erreichen der maximalen Plasmakonzentration (tmax) blieben unverändert.

Unabhängigkeit von den Mahlzeiten

Die Resorption von Tamsulosin aus der herkömmlichen Retardkapsel wird durch die Nahrungsaufnahme beeinflusst. In der Gebrauchsinformation wird empfohlen, die Kapseln nach dem Frühstück oder der ersten Mahlzeit des Tages einzunehmen. Wird die Kapsel nüchtern eingenommen, kann es im Vergleich zu einer Einnahme nach dem Essen zu einem Anstieg der Cmax von ca. 70% und der AUC von ca. 30% kommen. Eine derartig erhöhte Tamsulosin-Exposition bedingt ein höheres Risiko für vasodilatationsbedingte unerwünschte Wirkungen wie Schwindel, Kopfschmerzen, Schwäche, Tachykardie, orthostatische Hypotonie und Synkopen. Die pharmakokinetischen Eigenschaften der Tamsulosin-OCAS®-Darreichungsform werden jedoch nach bisherigen Erkenntnissen nicht von der Nahrungsaufnahme beeinflusst.

Nach Verabreichung einer Tamsulosin-OCAS®-Formulierung an 24 gesunde Probanden zwischen 19 und 44 Jahren - unter Nüchternbedingungen bzw. nach einer fettarmen Mahlzeit - waren die Werte für tmax, Cmax und die AUC vergleichbar. Damit scheint die Pharmakokinetik der OCAS®-Darreichungsform von einer gleichzeitigen Nahrungsaufnahme unabhängig zu sein, was nun in Studien mit größeren Patientenzahlen noch betätigt werden müsste.

Weniger kardiovaskuläre Nebenwirkungen

Obwohl Tamsulosin aufgrund seiner hohen Affinität zu den bevorzugt in der Prostata vorhandenen alpha1A-Rezeptoren weniger stark blutdrucksenkend wirkt als beispielsweise die alpha1-Antagonisten Terazosin und Doxacosin, treten kardiovaskuläre Nebenwirkungen wie orthostatische Hypotonie auf. Unter normalen physiologischen Bedingungen werden die alpha1-Adrenorezeptoren in den Blutgefäßen und die alpha-Adrenorezeptoren im Herzen stimuliert, wenn sich der Körper an einen Lagewechsel (z. B. Wechsel vom Liegen zum Stehen) anpassen muss - Herzminutenvolumen und peripherer Widerstand erhöhen sich. Bei zu starker Hemmung dieser Anpassungsreaktion des Organismus nach Gabe eines alpha1-Adrenorezeptorantagonisten kann es zu orthostatischer Hypotonie kommen. In welchem Umfang ein Wirkstoff zur Auslösung einer solchen Hypotonie in der Lage ist, lässt sich mithilfe des orthostatischen Stress-Tests (siehe Kasten) feststellen.

In einer randomisierten doppelblinden Zwei-Phasen-cross-over-Studie mit 40 männlichen Freiwilligen mit einem Mindestalter von 60 Jahren zeigte sich nach Einnahme der Tamsulosin-OCAS®-Formulierung eine signifikant geringere Inzidenz positiver orthostatischer Stress-Tests als bei den Tamsulosin-Retardkapseln. Da eine orthostatische Hypotonie einen Risikofaktor für Synkopen und Stürze darstellt, dürfte dieser Vorzug der OCAS®-Darreichungsform besonders für ältere Patienten von Vorteil sein.

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

 

Quelle

Michel, M. C.; et al.: Das pharmakokineti- sche Profil des Tamsulosin-Oral-Control- led-Absorption-Systems (OCAS®).

Europ Urol Suppl 4, 15 – 24 (2005). Michel, M. C.; et al.: Die kardiovaskuläre

Sicherheit der Oral-Controlled-Absorpti- on-System-(OCAS®) Darreichungsform von Tamsulosin im Vergleich zur Darrei- chungsform mit modifizierter Wirkstoff- freisetzung (MR). Europ Urol Suppl 4, 53 – 60 (2005).

Djavan, B.; et al.: Die Auswirkungen des Tamsulosin-Oral-Controlled-Absorption- Systems (OCAS®) auf Nykturie und Schlafqualität: Die Zwischenergebnisse einer Pilotstudie. Europ Urol Suppl  4, 61 – 68 (2005).

LUTS/BPH*

 

* Abkürzung für: Symptome des unteren Harntrakts (lower urinary tract symptoms) bei der benignen Prostatahyperplasie Dazu zählen:

  • verzögerter Miktionsbeginn,
  • erschwerte Miktion,
  • verminderter Harnstrahl,
  • gesteigerte Miktionsfrequenz,
  • Pollakisurie ("Nachtröpfeln"),
  • Restharnbildung,
  • Dranginkontinenz und
  • ein- oder mehrmaliger nächtlicher Harndrang (Nykturie), damit verbunden verminderte Schlaf- und Lebensqualität.

Eine Quantifizierung der Symptome im Rahmen einer Diagnostik erfolgt mithilfe eines Fragebogens (International Prostate Symptom Score, IPSS)

Orthostatischer Stress-Test

Ein positiver orthostatischer Stress-Test ist durch folgende Ereignisse definiert:

■       Symptome wie Benommenheit, Schwindel, Mattigkeit etc. beim Stehen, und/oder

■       Abfall des systolischen Blutdrucks ≥ 20 mm Hg zwischen Liegen und Stehen, und/oder

■       Abfall des diastolischen Blutdrucks ≥ 10 mm Hg zwischen Liegen und Stehen und/oder diastolischer Blutdruck im Stehen < 60 mm Hg und/oder

■       Anstieg der Pulsfrequenz im Stehen ≥ 20 Schläge/min zwischen Lie- gen und Stehen und/oder Pulsfrequenz im Stehen ≥ 100 Schläge/min

2 Kommentare

OCAS-Technologie

von Sila am 28.11.2019 um 12:14 Uhr

Frage: warum verschreiben Urologen dann immer noch z.B. Tamsulosin Zentiva 0,4 bei Patienten, die überwiegend fettarm essen und morgens generell nicht frühstücken ?

Unwissen oder Preispolitik zum Wohle der Krankenkassen ?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: OCAS-Technologie

von Cheffchen am 07.12.2019 um 19:04 Uhr

Genau das frage ich mich auch, da ich nie frühstücke. Die bei mir auftretenden Nebenwirkugen Halsschmerzen, permanenter Sekretfluss aus der Nase, Muskelschmerzen sind im Vergleich zum Zustand vorher eine Katastrophe. Es ist verordnet Tamsulosin Zentiva 0,4 mg ( vom Urologen )

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