Arzneimittel und Therapie

Glitazon verhindert Tod, Infarkte und Schlaganfälle

Die hohe kardiovaskuläre Gefährdung der Typ-2-Diabetiker lässt sich durch Pioglitazon (Actos®) statistisch signifikant reduzieren. Das zeigen die Daten der PROactive-Studie, die beim Kongress der Europäischen Gesellschaft zum Studium des Diabetes (EASD) in Athen erstmals vorgestellt wurden. Pioglitazon ist das einzige Antidiabetikum, für das eine solche protektive Wirkung gezeigt werden konnte.

Rund 80% der Typ-2-Diabetiker versterben an einer makrovaskulären Komplikation. Während sich die mikrovaskulären Folgeereignisse durch eine strikte Stoffwechseleinstellung weitgehend verhindern lassen, war eine nachhaltige medikamentöse Prävention der makrovaskulären Komplikationen durch die antidiabetische Behandlung bislang kaum möglich. Die Daten der PROactive Studie (PROspective PioglitAzone Clinical Trial In MacroVascular Events Study) zeigen nun aber, dass sich unter dem Insulinsensitizer Pioglitazon die Prognose der Patienten im Hinblick auf Herzinfarkt, Schlaganfall und die Gesamttodesrate statistisch eindeutig bessert.

An der Studie nahmen 5238 Typ-2-Diabetiker aus 19 verschiedenen Nationen teil. Drei Jahre lang wurden sie doppelblind und placebokontrolliert mit Pioglitazon behandelt und zwar zusätzlich zu einer möglichst optimalen Standardtherapie. Diese umfasste sowohl die antidiabetische wie auch die kardiologische Behandlung. Denn bei den Studienteilnehmern handelte es sich um ein Hochrisikokollektiv und zwar um Patienten mit kardialer Vorerkrankung sowie einer Diabetesdauer von mehr als zehn Jahren.

Ausgeprägte Reduktion makrovaskulärer Komplikationen

Als primärer Endpunkt der Studie wurde ein kombinierter Endpunkt aus Tod, nicht fatalem Herzinfarkt, Schlaganfall, Beinamputation, Akutem Koronarsyndrom, Bypass-Operation und Revaskularisation im Beinbereich festgelegt. Dieser Endpunkt wurde um 10% und damit in einer nicht signifikanten Größenordnung gesenkt. Signifikant reduzierte sich aber der vor der Entblindung der Studie festgelegte sekundäre Endpunkt, der sich aus den harten Endpunktdaten zur Gesamttodesrate und zur Rate der Herzinfarkte und Schlagfälle zusammensetzt. Dieser Endpunkt nahm unter dem Glitazon um 16% ab, was einer nachhaltigen Reduktion makrovaskulärer Komplikationen gleich kommt.

Konkret müssen nach den vorliegenden Daten nur 48 Patienten drei Jahre lang mit dem Glitazon behandelt werden, um einen Todesfall, einen Myokardinfarkt oder einen Schlaganfall zu verhindern. Das ist eine den Statinen vergleichbare Größenordnung.

Verbesserte metabolische Kontrolle

Gleichzeitig verbesserte Pioglitazon auch die Blutzuckerkontrolle und führte zu einer weiteren signifikanten HbA1c-Senkung. Es resultierte darüber hinaus eine deutliche Besserung des Lipidprofils mit einem Anstieg des HDL-Cholesterins um 19% und einer Reduktion der Triglyceride um 11%. Außerdem wurde ein signifikanter Rückgang des systolischen Blutdrucks gesehen (im Mittel um 3 mmHg). Auffällig war ferner, dass die Zeit bis zur Notwendigkeit einer Insulinbehandlung unter dem Glitazon im Durchschnitt um 53% verlängert wurde, Daten die nunmehr noch weiter analysiert werden sollen.

Unverändert günstiges Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil

Die PROactive-Studie bestätigte außerdem das gute Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil des Insulinsensitizers. Obwohl es sich um ein Hochrisikokollektiv handelte, das in der Regel mehrere Arzneimittel einnehmen musste und zu etwa einem Drittel auch Insulin erhielt, zeigten sich in der Studie keine neuen, bis dato unbekannten oder unerwarteten Nebenwirkungen bei der zusätzlichen Gabe des Glitazons.

Die Ergebnisse dürfen nicht vorschnell auf andere Vertreter der Glitazone übertragen werden. Die Experten halten es für wahrscheinlich, dass es sich bei dem gesenkten kardiovaskulären Risiko nicht um einen Klasseneffekt handelt, dass die Ergebnisse für Pioglitazon aber durchaus auf wenig schwer kranke Typ-2-Diabetiker übertragen werden können.

Christine Vetter, freie Medizinjournalistin

 

Quelle
Prof. Dr. John Dormandy, London; Prof. Dr. Bernard Charbonnel, Nantes; Prof. Dr. Erland Erdmann, Köln; Prof. Dr. Pierre Lefèbvre, Liège: Symposium und Presse- konferenz „Results of PROactive“, Athen,
12. September 2005, veranstaltet von der Takeda Pharma GmbH, Aachen.

Erwünschte und unerwünschte Wirkungen

Gewichtszunahme unter Glitazonen

Die zu den Thiazolidindionen gehörenden Glitazone stimulieren den g-Subtyp des Peroxisomal Proliferator Activated Receptors (PPARg). Die zu den intrazellulären Rezeptoren gehörenden PPAR steigern durch Interaktion mit der DNA die Bildung von Proteinen, welche die Differenzierung von Fettzellen fördern und zur Aufrechterhaltung der Glucose- und Lipidhomöostase beitragen: Durch vermehrte Expression und Translokation von Glucosetransportern wird die Glucoseaufnahme in die Zellen gesteigert, in der Leber die Gluconeogenese verringert, die Glykolyse dagegen erhöht. Außerdem wird weniger Tumornekrosefaktor alpha exprimiert, von dem angenommen wird, dass er für die Insulinresistenz mit verantwortlich ist.

Als Folge dieser Wirkungen sinken der Nüchternblutzucker und der HbAlc-Wert. Die Konzentration der Triglyceride, der freien Fettsäuren und des C-Peptids im Serum nimmt ebenfalls ab, die des HDL-Cholesterins dagegen zu. Die beiden Insulinsensitizer Pioglitazon (Actos®) und Rosiglitazon (Avandia®) verringern aufgrund dieser Eigenschaften die Insulinresistenz und sind daher zur Therapie von Typ-2-Diabetikern - als Monotherapeutika oder in Kombination mit einem anderen Antidiabetikum - indiziert. Beide Verbindungen werden gut resorbiert, zu ca. 99% an Plasmaeiweiße gebunden und annähernd vollständig in der Leber metabolisiert. Die Ausscheidung der Metabolite erfolgt sowohl renal als auch biliär. Die Dosierung beträgt von Pioglitazon 15 bis 45 mg/Tag, von Rosiglitazon 4 bis 8 mg/Tag. Als Nebenwirkungen werden Flüssigkeitsretention und dadurch eine Gewichtszunahme, ferner Kopfschmerzen sowie eine Zunahme von Infekten der oberen Luftwege beobachtet.

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