DAZ aktuell

Geteilte Meinung trotz reger Teilnahme (Umfrage)

STUTTGART (ri). Selbstverständlich kann eine spontane Telefonumfrage unter Apothekern zum Thema "Barmer-Hausapotheke" nicht den Anspruch erheben, repräsentativ zu sein. Aber es ist doch interessant, dass sich dabei bestimmte Tendenzen herausstellen. So sind beispielsweise die meisten Apotheker beim Barmer-Hausapothekenmodell eingeschrieben, machen jedoch ihre Kunden kaum auf die damit verbundenen Serviceangebote aufmerksam. Auch der Kontakt zu den Ärzten scheint sich nicht intensiviert zu haben. Die schärfste Kritik gibt es bezüglich der Vergütung: die meisten Apotheker verneinten die Frage, ob sie mit der Entlohnung zufrieden sind - lediglich die organisatorische Abwicklung des Lohns wurde als problemlos eingestuft. Auseinanderdriftende Meinungen gab es hinsichtlich der Fragen, ob der Arbeitsaufwand merklich gestiegen ist und ob der Einsatz in Relation zu dem Imagegewinn steht, der sich mit den Angeboten der Hausapotheken einstellen soll.

 

Susanne Bischof, Jagdfeld Apotheke, Haar bei München:

Die Jagdfeld Apotheke ist beim Barmer-Hausapothekenvertrag eingeschrieben. Apothekerin Bischof ist der Meinung, dass sich "der Arbeitsaufwand im Rahmen hält: Derzeit haben wir ca. 50 Medikationsprofile erstellt. Außerdem denke ich, dass die Relation von Aufwand und Ergebnis okay ist, gerade auch, wenn man an die Kundenbindung denkt. Bei uns haben sich mittlerweile rund 150 Kunden in den Vertrag eingeschrieben." Apothekerin Bischof hat den Eindruck, dass die Kommunikation rund um die Hausapotheke noch nicht optimal funktioniert: "Wir werden von den Kunden nicht auf den Barmer-Hausapothekenvertrag angesprochen. Die Patienten werden in der Regel von den Ärzten darauf hingewiesen. Allerdings muss ich auch sagen, dass wir die Kunden nicht auf das Hausapothekenmodell aufmerksam machen."

Karin Enderle, Stadt-Apotheke, Baden-Baden:

Auch die Stadt-Apotheke in Baden-Baden nimmt an der Umsetzung des Hausapothekenmodells teil. Für Apothekerin Enderle ist "der Arbeitsaufwand überhaupt nicht gestiegen, weil wir auch schon vorher genau das gemacht haben, was der Vertrag nun verbindlich festlegt. Mittlerweile haben wir ca. 30 Medikationsprofile erstellt." Dass sich die Kommunikation zwischen Ärzten und Apothekern aufgrund der Einschreibung verbessert hat, kann Enderle nicht bestätigen: "Bis jetzt gab es noch keinen Anlass, Rücksprache mit einem Arzt halten zu müssen. Umgekehrt sind wir auch noch von keinem Arzt kontaktiert worden." Ähnlich wie Kollegin Bischof findet sie auch, dass der Aufwand in Relation zum Ergebnis steht - insbesondere im Hinblick auf die Kundenbindung. Aber: "Wenn ich genau nachrechne, dann lohnt sich der Aufwand im Hinblick auf die Vergütung natürlich nicht. Aber das gilt für viele Aspekte in unserem Beruf.

So genau darf man gar nicht mehr darüber nachdenken, ob wir für unsere Tätigkeit ausreichend bezahlt werden: Wenn ich beispielsweise daran denke, dass wir für 2,50 Euro im Notdienst aufstehen und das mit einem Schlüsseldienst vergleiche, kommen mir große Zweifel, ob unsere Entlohnung in einem angemessenen Verhältnis zu unserer Arbeit steht." Was die Abwicklung der Vergütung angeht, findet Enderle, dass das "gut klappt und sehr gut organisiert ist." Im Gegensatz zu ihrer bayerischen Kollegin aus Haar wird das Team in Baden-Baden auf das Hausapothekenmodell angesprochen. Enderle: "In vielen Fällen wurden unsere Kunden darauf von ihren Ärzten aufmerksam gemacht oder sind durch die Barmer-Werbung hellhörig geworden. Außerdem werben wir selbst für die Hausapotheke und haben direkt am Eingang ein Plakat aufgehängt."

Hans-Otto Kornstädt, Engel-Apotheke, Schwabach:

Hans-Otto Kornstädt ist ein vehementer Gegner der Hausapotheke und vertritt die Meinung, dass eine kleinere Apotheke den damit verbundenen Aufwand nicht leisten kann: "Nachdem ich den 30-seitigen Vertrag samt Kommentar des Deutschen Apothekerverbandes gelesen habe, bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass kaum ein Apotheker diesen Vertrag - sofern er ihn ernst nimmt - richtig erfüllen kann. Abgesehen von Schulungen brauche ich beispielsweise eine eigene Soft- und Hardware, um den Vorgaben gemäß den Arztkontakt zu pflegen. Oder die Forderung, die Medikamente im Notfall auch direkt ans Krankenbett zu liefern: Das ist für eine kleinere Apotheke nicht machbar. Der Aufwand ist also viel zu hoch." Der Apotheker bemängelt darüber hinaus, dass die Vertragsgestaltung ungerecht ist: "Außerdem ist die Gleichgewichtigkeit in diesem Vertrag nicht gegeben: Der Arzt bekommt einen echten Honorarvorteil und uns Apotheker speist man mit 80 Cent pro Patient und Quartal ab - das ist Bettlerniveau! Und ganz grundsätzlich möchte ich als Apotheker keinen Unterschied bei meinen Patienten machen und interessiere mich nicht von welcher Kasse ein Patient kommt. Ich finde es auch nicht richtig, dass für den Patienten die freie Apothekenwahl wegfällt. Und was das Medikationsprofil angeht, so denke ich, dass dies eigentlich eine Aufgabe der Ärzte ist - als Apotheker bin ich lediglich verpflichtet die Medikamente abzugeben. Die Kassen sehen es natürlich gerne, wenn wir das Medikationsprofil erstellen - damit sparen sie sich eine Honorierung der Ärzte. Im Übrigen vergraulen die Barmer-Vertragsapotheken sämtliche Fachärzte, die in der Mehrzahl gegen die Barmer-Verträge sind. Letztlich frage ich mich auch, ob dieses Modell tatsächlich geeignet ist, Einsparungen zu erwirtschaften: Wenn die eingeschriebenen Patienten pro Jahr 30 Euro sparen, dann fehlt doch genau dieses Geld wieder den Kassen. Und noch etwas: Obwohl ich kein Vertragspartner bin, habe ich noch keinen einzigen Barmer-Kunden verloren."

Werner Raith, Petri-Apotheke, Neu-Esting:

Der bayerische Apotheker Werner Raith ist kein Freund der Hausapotheke - auch wenn er aus Konkurrenzgründen mitmacht. Ihn stört der deutlich angestiegene Arbeitsaufwand und er findet dafür klare Worte: "Der Aufwand ist gestiegen und das ist natürlich unangenehm. Oder mögen Sie das, wenn Sie mehr arbeiten müssen?" In der Petri-Apotheke wurden mittlerweile ca. zehn Medikationsprofile erstellt. Allerdings ist Raith der Meinung, "dass der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis steht. Ich mache auch nur mit, weil es alle machen und ich konkurrenzfähig bleiben will. Aber letztlich ist das eine Art Erpressung." Eine Erpressung, die auch durch Kundendruck wirksam ist, denn: "Wir werden von den Kunden auf das Hausapothekenmodell angesprochen. Die Kunden kommen vom Arzt mit dem Einschreibungsschein zu uns. Wir selbst machen keine Reklame für die Hausapotheke."

Gerd Gatermann, Passagen-Apotheke, Duisburg:

Gerd Gatermann war zunächst gutwillig und wollte seine Apotheke in den Hausapothekervertrag einschreiben, hatte dann aber schlechte Erfahrungen mit der Barmer gemacht: "Ich war zuerst mit dabei und habe auch hier vor Ort mit der Barmer direkt verhandelt. Dort wurde mir aber gesagt, dass die Aufnahme nur über die Apothekervereine möglich ist. Als ich dann erfahren habe, dass man einen kostenpflichtigen Kurs absolvieren muss, habe ich mich entschieden nicht mitzumachen." Der politisch aktive Apotheker machte sich dann Gedanken grundsätzlicher Natur und kam zu einem negativen Urteil: "Ich halte das Hausapothekenmodell für einen absoluten Blödsinn - das ist eine kleinere Variante der Taler-Apotheke. Die ganze Konstellation ist ungut: Der eine Apotheker ist Barmer-Apotheker und der andere nicht - früher wäre seitens der Apothekerkammern in so einem Fall ein Verfahren fällig gewesen. Aber heute gibt es ja scheinbar keine Wettbewerbsbeschränkungen mehr. Ich bin dagegen und weiß, dass ich nicht alleine stehe. Die meisten Apotheker machen ja nur mit, weil sie meinen, ihnen würde nichts anderes übrig bleiben. Außerdem finde ich es nicht gut, dass wir ausgerechnet mit der Barmer, der höchst verschuldeten Krankenkasse (Spiegel Nr. 44, 2004) in Deutschland einen Vertrag machen. Aber gut, ich bin ja ohnehin als alter Kritikaster bekannt."

Gila Ochmann, Rosen Apotheke München:

Die Rosen Apotheke in München ist in den Barmer-Integrationsvertrag eingeschrieben und die approbierte Mitarbeiterin Gila Ochmann empfindet das auch als eine Selbstverständlichkeit. Die Umsetzung findet sie ganz gut geregelt: "Bei uns sind zwei Personen mit diesem Thema betraut. Am Anfang war es mit ein bisschen mehr Arbeit verbunden, weil wir Seminare und Fortbildungen besuchen mussten. Aber in der Zwischenzeit hält sich der Aufwand in Grenzen und ich kann sagen dass es jetzt ganz gut läuft. Mittlerweile haben wir ca. 30 Medikationsprofile erstellt." Apothekerin Ochmann findet, dass man das Verhältnis von Aufwand und Ergebnis differenziert betrachten muss: "Für unsere recht große Apotheke in der Stadt mit noch relativ wenigen Einschreibungen steht der Aufwand schon noch in Relation zum Ergebnis, insbesondere was die Kundenbindung angeht. Obwohl ich zum Thema Kundenbindung auch sagen muss, dass unsere Kundenkarte mit den drei Prozent Rabatt das größere Lockmittel ist. Für eine kleine Dorfapotheke könnte das Hausapothekenmodell aber mit sehr viel mehr Aufwand verbunden sein - in finanzieller Hinsicht bezweifle ich, ob sich das rechnet."

Wolfram Kunz, Pinguin-Apotheke, Sindelfingen-Maichingen:

Der Inhaber der Pinguin-Apotheke war am Anfang gutwillig, änderte aber seine Meinung und hat nun ein sehr kritisches Verhältnis in Bezug auf die Hausapotheken: "Zu Beginn habe ich sogar die Seminare mitgemacht. Die Honorierung empfinde ich aber als Witz, zumal sie nicht einmal kostendeckend ist - ich bin kein Sklave!" Insbesondere auf die Rolle der Barmer ist Kunz schlecht zu sprechen: "Es ärgert mich, dass die Darstellung der Leistungen insgesamt so rüberkommen, als gingen sie ausschließlich auf das Konto der Barmer, während in Wahrheit wir Apotheker alles umsonst machen. Beim zweiten Flyer der Barmer war nicht ein einziger Hinweis dahingehend enthalten, dass wir Apotheker überhaupt beim Hausapothekenmodell beteiligt sind - das fand ich unglaublich! Anfangs hatte uns die Kasse doch immer erzählt, dass es bei der Integrierten Versorgung um die Stärkung des Apothekers und um die Betonung der pharmazeutischen Leistungen geht. Und dann steht in dem besagten Flyer, dass die Kunden sich bei Fragen zu Medikamenten an Mitarbeiter von Hexal wenden oder sich im Internet schlau machen sollen! Wenn Apotheker schon als Galeerensklaven rudern, dann muss man doch darauf hinweisen, wer da am Ruder sitzt! Ich kann unsere Standesvertretung in dieser Sache nicht verstehen."

Unsere Fragen zum Hausapothekenmodell

  • Ist Ihre Apotheke in den Barmer-Vertrag eingeschrieben?
  • Falls Sie mit "nein" antworten: warum haben Sie sich gegen eine Teilnahme entschieden?
  • Ist der Arbeitsaufwand für Ihr Apothekenteam durch die Teilnahme merklich gestiegen?
  • Wie viele Medikationsprofile haben Sie schon erstellt?
  • Gab es schon konkrete Fälle, bei denen Sie Rücksprache mit dem behandelnden Arzt hielten, bzw. wurden Sie wegen Fragen zu einzelnen Patienten auch schon von Seiten der Mediziner kontaktiert?
  • Steht der Aufwand in Relation zum Ergebnis (Imagegewinn, Kundenbindung, finanzielle Vergütung)?
  • Funktioniert die Vergütung reibungslos?
  • Werden Sie von Kunden auf das Hausapothekenmodell angesprochen?
  • Machen Sie Kunden auf das Barmer-Hausapothekenmodell aufmerksam?

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