Aus Kammern und Verbänden

Apotheker vor der Wahl

Die zukünftige Gestaltung und Finanzierung des Gesundheitswesens sind auch zentraler Punkt des Bundestagswahlkampfes. Auf Einladung des Sächsischen Apothekerverbandes (SAV) stellten sich am 1. September in Dresden Kandidaten der Parteien im Rahmen eines gesundheitspolitischen Podiums den kritischen Fragen der Apotheker. Obwohl alle anwesenden Politiker ein Loblied auf die inhabergeführte Apotheke anstimmten, konnten einige konkrete Zukunftsängste der Apotheker nicht zerstreut werden.

Am 1. September, wenige Tage vor den vorgezogenen Neuwahlen, warben Bundestagsabgeordnete von CDU, SPD und FDP im großen Saal der sächsischen Landesärztekammer für ihre gesundheitspolitischen Programme. Die Vorsitzende des SAV, Monika Koch, stellte die bisherigen Funktionen der einzelnen Politiker vor und erklärte ihre Zufriedenheit mit dem Umstand, dass die Abwesenheit der Vertreterin des Bündnis 90/Grüne, Eva Jähnigen, durch die Geburt eines neuen sächsischen Bürgers begründet sei. Wie sich dessen zukünftiger Schutz im Krankheitsfall darstellen wird, war anschließend Gegenstand einer angeregten, von Dr. Ulrich Bethge, SAV-Geschäftsführer, moderierten Diskussion.

Kostenexplosion gibt es nicht

Bethge erklärte, dass der starke Anstieg der Arzneimittelkosten durchaus vorhersehbar gewesen sei. Sachsen liege dabei mit 12 Prozent knapp über dem Bundesdurchschnitt. Hauptursache sei keine Kostenexplosion, sondern der Wegfall des Herstellerrabatts sowie Befreiungen von der Zuzahlung.

Dr. Marlies Volkmer, Hautärztin, Bundestagsabgeordnete der SPD und Mitglied im Gesundheitsausschuss, betonte ebenfalls, dass die Preisentwicklung im Moment keine Rolle spiele. Diese sei mit minus 0,3 Prozent sogar rückläufig. Ausgabensteigernd wirkten Strukturkomponenten wie der Anstieg der verordneten Packungen, die Markteinführung neuer und preisintensiver Arzneimittel und die steigende Zahl der Zuzahlungsbefreiungen.

Volkmer sieht einen wichtigen Ansatz bei der Kostenreduktion in der Arbeit von Qualitätszirkeln zur Optimierung des Verordnungsverhaltens. Nicht jedes neue Medikament verbessere die Therapie. Andererseits könne ein Wachstum im Arzneimittelbereich durchaus zu langfristigen Einsparungen der Kosten im Gesundheitswesen führen. Der Blick solle sich laut Volkmer auf die Gesamtausgaben richten. Die SPD setze weiterhin auf die freiwillige Steuerung der GKV und ihrer Vertragspartner und plane keine weiteren Einschränkungen bei den Leistungen.

Auch CDU/CSU setzt auf Selbstverwaltung

Auf die Selbstverwaltung und steuernde Kraft der Leistungserbringer setzt auch die CDU/CSU, wie Maria Michalk, Bundestagsabgeordnete und ebenfalls Mitglied im Gesundheitsausschuss, betonte. Man stehe zur momentanen Regelung der Zuzahlungsbefreiung, müsse sich aber über die finanziellen Konsequenzen in strukturschwachen Gebieten im Klaren sein. Vor allem die steigende Arbeitslosigkeit wirke sich negativ auf Gesundheit und Wohlbefinden aus. Die Union wolle die Ergebnisse des medizinischen Fortschritts weiterhin allen Versicherten zugute kommen lassen.

Andererseits könne über das Prämienmodell ihrer Partei zukünftig nur die notwendige medizinische Versorgung abgedeckt werden. Michalk verteidigte das zuerst als Kopfpauschale eingeführte und viel kritisierte Konzept als gerechteste Lösung. Jeder zahle den gleichen Betrag in Höhe von 169 Euro zur Krankenversicherung, der Arbeitgeberanteil würde bei 6,5 Prozent der Bruttolohnsumme festgelegt und die Beitragsfreiheit der Kinder aus Steuermitteln ausgeglichen. Die private Krankenversicherung in ihrer heutigen Form gebe es dann in Zukunft nicht mehr, sie solle nur noch als Zusatzangebot bestehen.

FDP will den Systemwechsel

Der potenzielle Koalitionspartner steht hingegen für die völlige Privatisierung im Gesundheitswesen, wie Dr. Eibe Hinrichs, Geschäftsführer eines Krankenhauses und gesundheitspolitischer Sprecher der sächsischen FDP betonte. Alle Bürger sollten aus den unterschiedlichen Angeboten der Privatkassen wählen dürfen und die Versicherten beim Kassenwechsel ihre Altersrückstellungen mitnehmen dürfen.

Jeder Patient solle seine Arzt- und Apothekenrechnung selbst bezahlen und bei der Kasse zur Erstattung einreichen. Die Befürchtungen der Apotheker, ihr Geld künftig nur noch über Inkassobüros oder "schwarzgekleidete Herren" eintreiben zu können, hielt Hinrichs für unbegründet und verwies auf die Praxis bei Zahnärzten und Handwerkern.

Private Kassen bei SPD ein Auslaufmodell

Volkmer äußerte Kritik an diesem rein privatwirtschaftlichen System. Die bereits vorhandene Spannung zwischen Ethik und Wirtschaftlichkeit bei den Heilberufen würde so unerträglich. Alle Bürger müssten den Zugang zu einer umfassenden medizinischen Versorgung haben und das Modell der solidarischen Krankenversicherung stoße immer noch auf eine breite Zustimmung in der Bevölkerung.

Die SPD wolle mit ihrem Konzept einer Bürgerversicherung, deren Beiträge sich nach wie vor an der wirtschaftlichen Leistungskraft orientierten, die Situation der GKV stabilisieren und die Qualität der Behandlung sicherstellen. Eine Vollversicherung als Privatpatient wäre in Zukunft nicht mehr möglich. In diesem Punkt waren sich SPD und CDU/CSU näher als letztere mit ihrem gewünschten Koalitionspartner FDP.

Problem Mehrwertsteuer

Einigkeit über alle Parteigrenzen hinweg herrschte bei der Frage nach einer Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel. Das sei in der nächsten Legislaturperiode bei der momentanen Finanzlage des Bundes nicht durchsetzbar.

Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nach der Wahl scheint dagegen bei SPD und CDU/CSU beschlossene Sache zu sein. Michalk erwartet im Falle einer Unionsmehrheit die Anhebung um zwei Prozentpunkte, was bei Arzneimitteln zu Mehrausgaben in Höhe von 400 Millionen Euro führen würde. Laut Michalk sind bei der SPD ganz andere Zahlen im Gespräch, was Volkmer weder bestätigte noch dementierte. Die FDP, so Hinrichs, sei strikt gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Nein zum Fremdbesitz

Besonders brennende Fragen der sächsischen Apotheker waren die nach einer möglichen Ausweitung des Mehrbesitzes oder der Zulassung von Fremdbesitz, der Entlassung der nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus der Apothekenpflicht sowie nach staatlicher Kontrolle des Versandhandels.

Von den anwesenden Politikern waren hier zwar beruhigende Worte, aber wenig Konkretes zu hören. Unisono wurde die inhabergeführte Apotheke als Garant für wohnortnahe und sichere Arzneimittelversorgung und -beratung gepriesen. Die hohe Regelungsdichte, der man unter dem Stichwort Bürokratieabbau eigentlich den Kampf angesagt hätte, wäre im Bereich des Gesundheitswesens ein hohes Gut. Dem Fremdbesitz erteilten alle Parteienvertreter daher eine Absage, ebenso dem Verkauf rezeptfreier Arzneimittel außerhalb der Apotheken.

Die Klage der Apotheker über mangelnde Transparenz beim Versandhandel fand keine Antworten. So blieb unklar, warum die Zulassungskriterien, die laut Michalk dem AMG entsprächen, durch die Politik nicht öffentlich gemacht würden. Schließlich gebe es starke Hinweise auf verdeckten Fremdbesitz, den die Kontrollbehörden aufdecken könnten.

Ob es Pläne zu einer Ausweitung des Mehrbesitzes gibt, wurde nicht direkt angesprochen. Volkmer betonte, dass die SPD den Mehrbesitz so beschränkt habe, dass die persönliche Kontrolle des Inhabers gewährleistet bleibe. Sie könne allerdings nicht ausschließen, dass Wirtschaftspolitiker die nun etwas geöffnete Tür ganz aufstoßen wollten.

Volkmers Behauptungen, durch die Filialbildung sei das befürchtete Apothekensterben verhindert worden und würden die Gewinne wieder steigen, stießen auf Protest. Die wirtschaftliche Lage habe sich nicht verbessert, die Personalkosten wären überdurchschnittlich gestiegen und viele unwirtschaftliche Standorte würden nur aus Konkurrenzschutz aufrecht erhalten, so die Vorsitzende des SAV.

Von der Ärzteschwemme zum Ärztemangel

Der Ärztemangel, ein großes Problem für Apotheken in den neuen Bundesländern, stand als letzter Punkt zur Diskussion. Die Politik habe nach der Wende die Weichen falsch gestellt, indem vor einer drohenden Ärzteschwemme gewarnt und die Niederlassungsfreiheit beschränkt wurde, beklagte Volkmer, die selbst als Hautärztin tätig war. Der Wechsel von Ärzten in andere Berufsfelder wurde propagiert und gefördert.

Außerdem wirkten sich das schlechter werdende Image des Arztberufes sowie die niedrigere Vergütung in den neuen Bundesländern negativ aus. Vor allem im ländlichen Raum fänden viele Niedergelassene, die aufgrund einer Sonderregelung bis zum 70. Lebensjahr praktiziert hätten, nun keine Nachfolger mehr. Junge Ärzte seien inzwischen abgewandert, die Ausbildungszahlen gesunken.

Hinrichs propagierte die Anwerbung qualifizierter und gut deutsch sprechender Ärzte aus den Nachbarländern. Tschechien hätte der Abwerbung allerdings schon einen Riegel vorgeschoben.

Volkmer sieht die Entwicklung für Sachsen positiv. In einem Projekt der Universität Leipzig begleiteten die inzwischen wieder zahlreicheren Medizinstudenten Patienten einer Hausarztpraxis über längere Zeit. Auch die in Sachsen durch KV und GKV vergebenen Sicherstellungszuschläge für Praxisgründungen in strukturschwachen Gebieten würden greifen. Medizinische Versorgungszentren könnten jungen Ärzten eine risikoarme Alternative zur eigenen Praxis bieten.

Abschließend gab Bethge allen Politikern zu bedenken, dass die über 1000 sächsischen Apotheken als starker Wirtschaftsfaktor und Anbieter zahlreicher wohnortnaher und familienfreundlicher Arbeitplätze langfristig bessere Rahmenbedingungen durch die Politik brauchen.

Ute Kubisch

 

"Mit der Mär vom alten Mütterlein, das seine Arzt-

rechnung nicht bezahlen kann, braucht man der FDP nicht zu kommen."

Dr.EibeHinrichs

 

"Es besteht durchaus ein Unterschied zwischen

einem tropfenden Wasserhahn und einer schweren Erkrankung."

Dr.MarliesVolkmer

 

"Durch die Filialen wird das Siechtum mancher

Apotheken nur verlängert."

MonikaKoch

 

"Der heutige Ärztemangel beruht auf einer eklatan-

ten Fehleinschätzung der KV’en in den 90er Jahren."

Dr.MarliesVolkmer

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