Schwerpunkt Hormonersatztherapie

Hormone als Arzneimittel für Frauen

Sehr viele Frauen verhüten mit oralen Kontrazeptiva oder wenden in der Postmenopause eine Hormonersatztherapie an. Zur Notfallverhütung kommt hin und wieder die "Pille danach" zur Anwendung. Nutzen und Risiken der "Hormone im Leben einer Frau" waren das Thema des 2. Pharmazeutischen Kollegs 2005, das die Landesapothekerkammer Sachsen gemeinsam mit dem Institut für Pharmazie der Universität Leipzig veranstaltete.

 

Nebenwirkungen von oralen Kontrazeptiva

In Deutschland verhüten ca. 9,1 Millionen Frauen; von ihnen wenden 6,6 Millionen die nach wie vor sicherste Methode der oralen Kontrazeption an. Da hormonelle Kontrazeptiva als hochwirksame Medikamente auf alle Organsysteme im Körper wirken, ist es nicht überraschend, dass es häufig zu unerwünschten Wirkungen kommt. Zwar sind die meisten Nebenwirkungen zu vernachlässigen, doch gibt es einige, die lebensbedrohend sein können, z.B. Thromboembolien bei Frauen mit Gerinnungsstörungen. Ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko besteht, wenn Frauen über 35 Jahre Kontrazeptiva mit hohen Estrogengehalten einnehmen. Rauchen und gleichzeitige Einnahme von oralen Kontrazeptiva hat nachweislich einen negativen Effekt auf die Morbidität und Mortalität.

Der Zusammenhang zwischen der Entstehung eines Karzinoms und der Einnahme von Kontrazeptiva ist derzeit noch nicht geklärt. Studien lassen vermuten, dass Estrogene das Brustkrebsrisiko erhöhen, aber gleichzeitig das Risiko, an Gebärmutterkrebs zu erkranken, senken. Eine Metaanalyse von 1996 ergab, dass das Brustkrebsrisiko bei Frauen, die in den letzten zehn Jahren orale Kontrazeptiva eingenommen haben, leicht erhöht ist. Dem widerspricht jedoch eine Studie aus dem Jahr 2002, bei der das Risiko unverändert war. Empfohlen wird auf jeden Fall eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung.

Arzneimittelinteraktionen von oralen Kontrazeptiva

Orale Kontrazeptiva interagieren u.a. mit Antiepileptika, Psychopharmaka, Analgetika, Antimykotika, Antibiotika und H2-Antagonisten.

So kommt es bei gleichzeitiger Gabe der Antiepileptika Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin oder Primidon aufgrund einer Enzym-Induktion zu einer verstärkten Metabolisierung der oralen Kontrazeptiva, d.h. der kontrazeptive Schutz weist eine Lücke auf. Gleiches gilt für Antibiotika. Daher ist während einer Antibiotika-Therapie sowie bis 14 Tage danach zusätzlich zur hormonellen Kontrazeption eine nichthormonelle Verhütung erforderlich, um einen ausreichenden Schutz zu gewährleisten.

Auch pflanzliche Präparate enthalten Wirkstoffe, die Nebenwirkungen oder Arzneimittelinteraktionen hervorrufen können, was vielen Patienten allerdings nicht bewusst ist. So induziert Johanniskraut Cytochrom-P450-Enzyme (z.B. CYP3A4) und P-Glykoprotein. Wechselwirkungen von Johanniskraut mit oralen Kontrazeptiva sind beschrieben, doch ist die klinische Relevanz dieser Befunde noch weitgehend unklar.

Auch einige Erkrankungen vermindern die Wirksamkeit von oralen Kontrazeptiva, insbesondere gastrointestinale Erkrankungen, weil durch sie die Resorption beeinträchtigt wird. Auch Essstörungen verringern durch verstärkte Metabolisierung den kontrazeptiven Schutz.

Fazit: Wenn die orale Kontrazeption wegen Arzneimittelinteraktionen unsicher ist, soll zusätzlich auf andere Weise verhütet werden.

 

Hormonersatztherapie im Klimakterium

In der Hormonersatztherapie postmenopausaler Frauen kommen Estradiol, Estriol und konjugierte Estrogene sowie Phytoestrogene zum Einsatz. Hitzewallungen, die bei ca. 74% dieser Frauen auftreten, können bei besonders starken Beschwerden sehr effektiv durch die Gabe eines Estrogens gemindert wer- den. Das Estrogen muss immer mit einem Gestagen kombiniert werden, wenn die Frau einen intakten Uterus besitzt. Da Tibolon ein Gestagen mit estrogenen Eigenschaften ist, kann es als Monotherapie verabreicht wer- den. Zur Behandlung der urogenitalen Beschwerden, insbesondere der vaginalen Atrophie, wird eine lokale Estrogentherapie empfohlen.

Zwei große klinische Studien beschäftigten sich mit der Hormonersatztherapie: die Women’s Health Initiative Study (WHI) und die Heart and Estrogen/ Progestin Replacement Study (HERS). Ergebnisse der Hormonersatztherapie waren eine Verbesserung der vasomotorischen Symptome und der subjektiven Schlafqualität sowie eine Abnahme von Knochenbrüchen. Depressionen, die bei 76% der Studienteilnehmerinnen auftraten, besserten sich nur bei Frauen mit Hitzewallungen. Auf Demenz und Kognition zeigte die Hormonersatztherapie keinen bzw. einen negativen Einfluss.

Bei der Hormonersatztherapie

(Estrogen allein oder Estrogen in Kombination mit Gestagen oder Tibolon) ist das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, erhöht. Weiterhin traten bei den Studienteilnehmern vermehrt Herzinfarkte, Schlaganfälle und Thromboembolien auf. Deshalb soll eine Hormonersatztherapie nur bei besonders starken Wechseljahresbeschwerden durchge- führt und vierteljährlich über- prüft werden. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) empfiehlt, eine Hormonersatztherapie so niedrig dosiert wie nötig und so kurz wie möglich durchzuführen. Bei einer kürzlich durchgeführten Befragung von Frauenärzten

(n = 400) waren jedoch 80%

von ihnen der Meinung, dass die Risiken der Hormonersatztherapie überbewertet werden (Studie des WIdO).

Für die Behandlung von Harnwegsinfekten, Inkontinenz und Libidoverlust ist eine Hormon- ersatztherapie nach der momentan widersprüchlichen Studienlage nicht geeignet. Den Einsatz von Phytoestrogenen hat die Hormone und Krebs

Die wichtigsten Risikofaktoren für Brustkrebs sind das Geschlecht (weiblich) und das Al- ter. Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass eine Hormonersatztherapie das Brustkrebsrisiko leicht erhöht. Das Ausmaß ent- spricht z. B. dem einer frühen ersten Menarche, einer späten ersten Geburt oder einer späten Menopause. Auffallend ist, dass das Risiko mit der Dauer der Hormonexposition korreliert.

Unter gestörten physiologischen Bedingungen können die Estrogene zu toxischen Substanzen abgebaut werden: Es bilden sich Catecholestrogene, deren Brenz- catechingruppe sehr schnell zum o-Benzochinon dehydriert wird. Das Redoxverhalten dieser Metaboliten führt zur Bildung reaktiver Sauerstoffspezies, welche die DNA oxidativ schädigen können. Weiterhin können die toxischen Estrogenmetaboliten die DNA über eine Michael- Reaktion oder über radikalische Mechanismen alkylieren.

Beim Estrogenmetabolismus werden aber auch Substanzen gebildet, die antikarzinogen wirken. Beispielsweise besitzt das 2-Methoxyestradiol interessante antiangiogenetische Eigenschaften.

Der Estrogenmetabolismus ist durch äußere Faktoren leicht beeinflussbar. Dazu gehört vor allem das Rauchen: Raucherinnen bilden mehr Catecholestrogene und weniger antikarzinogen wirkende 2-Methoxyestrogene.

Fazit: Rauchen fördert die Bildung toxischer Estrogenmetaboliten.

 

Die „Pille danach“

Die „Pille danach“ besteht aus zwei Tabletten. Ihre Wirkung liegt im Wesentlichen  darin, dass sie den Eisprung verzögert oder ganz verhindert. Möglicherweise kann sie, je nach Einnahmezeitpunkt im Monatszyklus, den Transport der Eizelle oder die Einnistung beeinflussen. Da die „Pille danach“ nur innerhalb eines befristeten Zeitraumes wirkt, müssen die Tabletten innerhalb von 72 Stunden, vorzugsweise in den ersten zwölf bis 24 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr, eingenommen werden. Die rechtzeitige Einnahme der „Pille danach“ verhindert etwa neun von zehn Schwangerschaften – je früher sie nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen wird, umso höher ist ihre Wirksamkeit.

Die „Pille danach“ ist kein Verhütungsmittel. Deshalb kann im selben Monatszyklus später erneut ein Eisprung stattfinden und eine Schwangerschaft möglich sein, wenn kein sicheres Kontrazeptivum angewandt wird.

Fazit: Je früher die „Pille danach“ nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen wird, umso höher ist ihre Wirksamkeit.

Die „Pille danach“ bewirkt kei- nen Schwangerschaftsabbruch, ist also nicht mit dem Präparat Mifegyne® vergleichbar. Sie hat nach derzeitigem Wissensstand auch keinen Einfluss auf die Entwicklung des Embryos, wenn der Abort missglückt ist. Stillende Mütter sollen die „Pil- le danach“ direkt nach dem Stil- len einnehmen und den nächsten Stilltermin auslassen, da ein ge- ringer Teil des Hormons in die Muttermilch übergeht.

Karen Nieber, Bettina Priewe,
Cornelia Rufke

Quelle
Prof. Dr. Karen Nieber: „Orale Kontrazep- tion: Risiken und Arzneimittelinteraktio- nen“; Cornelia Rufke: „Hormonersatzthera- pie im Klimakterium“; Bettina Priewe:
„Estrogenmetabolismus und Krebsentste- hung“, Dipl.-Psych. U. Schulze: „Die ‚Pille danach’“. Referate auf dem 2. Pharmazeu- tischen Kolleg 2005 über „Hormone im Leben einer Frau“ in Chemnitz, Dresden und Leipzig, veranstaltet von der Landes- apothekerkammer Sachsen und dem Insti- tut für Pharmazie der Universität Leipzig.

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