Die Seite 3

Die Bombe

Bis Mitte September will der Arzneimittelhersteller Pfizer den Großhändlern Zeit geben, um ihre Angebote einzureichen, auf deren Grundlage dann Pfizer die Zusammenarbeit mit den Großhändlern neu regeln will, zu Konditionen, die das neue Pfizer-Konzept zur Apothekendirektbelieferung erfüllen (siehe auch unseren Bericht und Kommentar sowie das Interview mit Pfizers Chefjurist Michael Klein in DAZ Nr. 31, S. 17). Mit dem neuen Vertrag zwischen Großhändler und Pfizer – Pfizer spricht hier von "Partnern" – will der Arzneimittelhersteller die vollständige Kontrolle über seine Produkte, vom Werkstor bis in die Apotheke, erreichen. Der Großhändler wird zum Spediteur und Datenlieferant degradiert, er kauft die Ware nicht mehr von Pfizer, sondern übernimmt nur noch die reine Logistikfunktion und die Datenmeldungen wie z. B. tägliche Übermittlung aller Warenbewegungen. Das Magazin "Der Spiegel" von dieser Woche überschrieb seinen Beitrag über das Pfizer-Vorhaben: "Kontrolle über jede Pille". Mit der Unterschrift unter einen Pfizer-Vertrag wird der Großhändler nicht mehr der Großhändler sein, der er früher war.

Als Grund für die Umstellung auf die Direktbelieferung mittels "Partner" nennt Pfizer den Versuch, Arzneimittelfälschungen besser abwehren zu wollen und die Lieferfähigkeit zu erhöhen. Zugegeben, dieser Arzneimittelhersteller hat Produkte im Programm wie Viagra und Sortis bzw. Lipitor, die weltweit gerne gefälscht werden. Da ist Pfizer gebranntes Kind. Zudem besteht in Ländern wie England und Österreich eine Nachfrage nach Pfizer-Produkten zu niedrigeren Preisen – so versucht schon mal ein Importeur, Pharmahändler oder auch Apotheker Profite zu machen: Der Spiegel zitiert beispielsweise den Pharmahändler A.C.A. Müller in Gottmadingen, der bei Apothekern damit wirbt, dass mehrere tausend Euro zusätzlich im Monat drin sind, wenn er über Apotheken solche Produkte aufkauft.Vier- bis sechsmal pro Monat erhalte er Lieferungen in der Größenordnung von 25.000 bis 70.000 Euro – von einigen Apotheken. Da wundert es natürlich nicht, wenn bisweilen Lieferengpässe bestehen, weil Ware von Apothekern aufgekauft und mit Profit ins Ausland verschachert wird. Das schmerzt Pfizer. Doch Fälschungen und Zwischenhandel lassen sich auch anders in den Griff bekommen, dies rechtfertigt meiner Meinung nach nicht den massiven Eingriff in die Vertriebsstrukturen, wie Pfizer es jetzt vorhat.

Sollte sich Pfizer mit dieser Vertriebsmethode durchsetzen und ein paar Großhändler finden, die sich hier amputieren lassen, dann hat dies Folgen. Wie aus Insiderkreisen zu erfahren war, beäugen bereits andere Hersteller den Pfizer-Deal und stehen in den Startlöchern: Setzt sich Pfizer durch, dann werden sofort weitere große Pharmahersteller diesem Modell folgen.

Für den Apotheker bedeutet dies, dass sein Großhändler nicht mehr Ansprechpartner für Konditionen ist, sondern der jeweilige Hersteller, der dann über sämtliche Abverkaufszahlen und Warenströme seiner Produkte in jeder Apotheke verfügt. Falls Apotheker jetzt wittern sollten, dass die Konditionen besser sind als beim Großhandel, dann dürften sie hier allerdings einem Irrglauben aufsitzen. Rabatte von Herstellern an Apotheken – das passt nicht in die laufende öffentliche und politische Rabattdiskussion.

Beim Großhandel herrscht derzeit gespenstische Ruhe. Von keinem Großhändler war zum Pfizer-Papier eine Stellungnahme zu bekommen. Pfizer will nur mit wenigen (großen?) Großhandlungen einen Vertrag schließen. Erfüllt ein Großhändler nicht die gewünschten Bedingungen, wird er von Pfizer nicht beliefert. Das sieht nach gewollter Ausdünnung aus. Damit wird möglicherweise kleineren Großhandlungen der Garaus gemacht.

Nach meinem Dafürhalten kratzt das Pfizer-Ansinnen gewaltig am Selbstverständnis des Großhandels. Wie gesagt: Ein Großhändler nach dem Geschmack von Pfizer ist nicht mehr derselbe Großhändler, der er einmal war – auch nicht in seiner Beziehung zur Apotheke.

Das Szenario lässt sich weiter ausmalen: Sollte Pfizer sein Modell durchsetzen und andere Hersteller diesem Beispiel folgen, würde sich der Markt auf ausgewählte Großhändler zuspitzen – alle anderen Großhändler wären dann keine Vollsortimenter mehr. Aber auch der Pfizer-Konzern sollte bedenken: Wird der große paneuropäische Großhandel noch stärker, kann er den Spieß umdrehen und dann für Pfizer und Co. die Konditionen diktieren.

Bei all diesen Szenarien komme ich zu dem Schluss: Das ist eine Bombe mit gigantischer Sprengkraft. Letztendlich könnte sie unser gesamtes System aus den Angeln heben und der Entwicklung in Richtung Ketten Vorschub leisten. Jetzt kommt es darauf an, dass der Großhandel standhaft bleibt und sich nicht dem Pfizer-Diktat unterwirft.

Von Seiten der ABDA wünsche ich mir eine deutliche Stellungnahme zum Pfizer-Papier. Oder zündelt man dort schon in der Hoffnung, so den einen oder anderen unliebsam gewordenen Großhändler ausbooten zu können?

Peter Ditzel

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