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Altes Rezept – neuer Ärger

Komplizierte Rabatte, geldgierige Apotheker, überteuerte Generika, eine Aut idem-Regel, die niemand versteht, die übliche Portion Neid und Missgunst, alles kräftig miteinander vermischt - fertig ist der Wahlkampfbrei. Mit diesem Rezept hat der bisherige Regierungsberater und frisch gebackene Bundestagskandidat Professor Lauterbach in der vorigen Woche mal wieder die Medienmaschine gegen die Apotheker in Gang gesetzt (s. auch Montagsausgabe der DAZ vom 25. Juli).

Versuchen wir, die Zutaten zu entwirren: Stein des Anstoßes waren Naturalrabatte auf Generika, "geschenkte Packungen" genannt, die zum vollen Preis abgerechnet werden. Leider fehlt stets der entscheidende Hinweis, dass Natural- und Barrabatte wirtschaftlich gleichbedeutend sind und sich nur durch die Art der Berechnung unterscheiden. Ob beim Kauf von neun Packungen eine zehnte zusätzlich ohne Berechnung geliefert wird oder bei zehn berechneten Packungen ein Rabatt von zehn Prozent gewährt wird, läuft auf den gleichen Einstandspreis hinaus. Und ein "Geschenk" ist die zusätzliche Packung sowieso nicht, denn das wäre sie nur, wenn sie unabhängig vom Kauf der anderen Packungen gewährt würde. Doch werden die wirtschaftlich gleichbedeutenden Barrabatte offenbar auch von Lauterbach als das akzeptiert, was sie sind, nämlich als eine vom Gesetzgeber vorgesehene Form des Preiswettbewerbs zwischen den Handelsstufen zur Honorierung von Rationalisierungsleistungen. Festpreise gegenüber den Endverbrauchern sind wegen des Verbraucherschutzes im Umgang mit der sensiblen Ware Arzneimittel erforderlich, aber auf den vorgelagerten Handelsstufen ist Preiswettbewerb sinnvoll. Das ist der Normalfall in unserem Wirtschaftssystem und hat sich auch bei Arzneimitteln seit Jahrzehnten bewährt. Der lautstark behauptete Schaden für die Krankenkassen kann gar nicht eintreten, weil die Abgabepreise feststehen und eine Weitergabe von Einkaufsvergünstigungen nicht vorgesehen ist, ob sie nun in bar oder in Naturalform berechnet werden.

Darum ist dies auch keine Bereicherung der Apotheken. Diese könnten ihre ständig zunehmenden Leistungen für die Patienten auch für die Krankenkassen - Stichwort Hausapotheken - kaum erbringen, wenn sie nicht über das in der Preisverordnung vorgesehene Honorar hinaus von Einkaufsvergünstigungen profitieren würden. Dass die Hersteller solche Rabatte bieten, spricht für die Logik des Systems und den funktionierenden Wettbewerb. Der Gesetzgeber hat dies offenbar anerkannt und diesen bewährten Teil des Preisbildungssystems daher auch mit dem GMG nicht geändert.

Diese Zusammenhänge sind in einer oft auf Überschriften reduzierten Medienwelt schwer zu vermitteln, aber uns bleibt keine andere Wahl. Die jüngsten Hinweise der ABDA auf größere gezahlte Rabatte der Apotheker an die Krankenkassen sind inhaltlich richtig und wahrscheinlich auch kurzfristig hilfreich, gehen aber am wesentlichen Problem vorbei. Denn entscheidend sind die Konzepte und Ziele der "Rabatte" und nicht die Höhe ihrer Beträge. Wenn wir dies nicht vermitteln, könnte es uns so ergehen wie schon 1999 den niederländischen Kollegen. Deren Fixhonorar war zunächst unter Berücksichtigung erwarteter Rabatte kalkuliert worden. Später wurde in einer Medienkampagne "entdeckt", wie viel Rabatt die Apotheken erhalten. Aufgrund des öffentlichen Drucks wurde letztlich in den Niederlanden eine teilweise Weiterleitung der ursprünglich für die Apotheker eingeplanten Rabatte eingeführt.

In der jüngsten Medienoffensive aus dem Hause Lauterbach kam noch der erschwerende Vorwurf hinzu, die Rabatte würden die Apotheker zur Abgabe besonders hochpreisiger Generika verleiten, wenn die Substitution freigegeben ist. Wie dies mit der rigiden, geltenden Aut idem-Regel überhaupt möglich sein soll, wüssten die Apotheker sicher gerne - in den Medien wird es nicht erläutert. Hochpreisige Generika können zumeist nur abgegeben werden, wenn sie ausdrücklich verordnet oder im Rahmen des neuen Rabattvertrages mit der Barmer geliefert werden, aber dann zahlt die Industrie einen Rabatt an die Krankenkasse.

Auch die Arzneimittelhersteller bekamen bei dieser Gelegenheit Schelte: Die Preise der Generika seien in Deutschland im Vergleich zu den Originalen höher als im Ausland. Dabei wurde aber das Festbetragssystem in Deutschland ignoriert, das schon lange zu intensivem Wettbewerb und einem so hohen Marktanteil der Generika geführt hat, dass die Preise der Originale längst weitgehend auf Generikaniveau gesunken sind.

Die Analyse der jüngsten Kampagne gegen die Apotheker offenbart damit in erster Linie viel Polemik. Doch je komplizierter unser Gesundheitswesen wird, umso schwerer sind die Hintergründe zu erläutern und zu verstehen. Dass sich alle Beteiligten damit künftig mehr Mühe geben, wünscht sich

Thomas Müller-Bohn

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