Umfrage

Krebs: Haut und Schleimhäute

Immer häufiger wird die Apotheke mit onkologischen Fragestellungen konfrontiert. Apotheken, die durch intensive die Kompetenz ihrer Patienten fördern wollen, haben sich im Adexa-Netzwerk Patientenkompetenz zusammengeschlossen und nehmen an bestimmten Fortbildungsveranstaltungen teil. Im Bereich der onkologischen Dermopharmazie wird das aktuelle Fortbildungsangebot aufgrund einer Umfrage erweitert, die die DAZ unter dem Titel "Betreuung von Krebspatienten in der Apotheke" im September 2004 durchgeführt hatte.

Dermopharmazeutische Fragestellungen sind in der beratungsintensiven Apotheke nicht nur häufig, sondern auch besonders anspruchsvoll, weil die vielen Teilbereiche der Dermopharmazie jeweils spezielles Fachwissen und das Beherrschen unterschiedlicher Stile der Kundenberatung erfordern.

Einer dieser Teilbereiche ist die onkologische Dermopharmazie. Im Vordergrund der Beratung stehen dabei Fragen, die mit den Folgen der Krebserkrankung oder Krebstherapie, die sich in an der Haut oder den Schleimhäuten manifestieren, zu tun haben. Die Besonderheiten der onkologischen Dermopharmazie ergeben sich aus vier Tatsachen.

  • Erstens verbringt der Krebspatient heute immer kürzere Therapiezeiten beim Arzt, und die Entlassungen aus stationärer Behandlung erfolgen früher. Daher wird der Apotheker immer öfter als erster mit diesen Symptomen konfrontiert.
  • Zweitens werden leichtere Befunde an Haut und Schleimhäuten vom Arzt oder Patienten zunächst nicht selten bagatellisiert. Solche Befunde können jedoch Vorboten außerordentlich gravierender Komplikationen sein, weshalb ihre rechtzeitige und richtige Deutung so wichtig ist.
  • Drittens ist es für den Kunden und den Berater psychologisch nicht immer einfach, intimere dermatologische Themen in der Apotheke zur Sprache zu bringen.
  • Viertens ist die Therapie von Haut- und Schleimhautläsionen, besonders bei Patienten mit Abwehrstörungen, notorisch undankbar.

Fragen und Antworten der Umfrage

Da wir das Fortbildungsprogramm für Beratungs-Apotheker an den aktuellen Defiziten und Bedürfnissen des Apothekenpersonals ausrichten, haben wir in der DAZ Nr. 39 vom 23. September 2004 eine Umfrage zum Thema "Krebs – Haut und Schleimhäute" durchgeführt. Hier veröffentlichen wir die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

 

  • Sprechen Krebspatienten selbst in Ihrer Apotheke Haut-/Schleimhautprobleme spontan an?

 

Nein, nie 0% Selten 33% Gelegentlich 64% oft 3%

 

  • Sprechen Sie selbst Ihre onkologischen Patienten im Rahmen der pharmazeutischen Beratung und Betreuung gezielt auf Haut-/Schleimhautprobleme an?

 

Nie 9% Nur bei Beschwerden 47% Selten 30% Regelmäßig 12%

Bei allen folgenden Fragen waren Mehrfachantworten möglich.

 

  • Welche sind nach Ihrer Erfahrung die häufigsten Symptome, die auf eine Schädigung der Haut und Hautanhangsorgane hinweisen?

 

Infekte (Entzündung; Rötung; Akne; Bläschen; Pilze; etc.) 36% Verbrennungen (im Zusammenhang mit Strahlentherapie) 36% Haarausfall; Störungen des Nagelwachstums 24% Rötungen (Reizungen; Juckreiz; Verfärbungen; Narben) 9% Hand-Fuß-Syndrom 8% Sonstige (Nekrosen; Schuppungen; Schmerzen; Schwellungen etc.) 17%

 

  • Welche sind nach Ihrer Erfahrung die häufigsten Symptome, die auf eine Schädigung der Schleimhäute (Mund, Rachen, Magen/Darm, Blase) hinweisen?

 

Durchfälle, Erbrechen, Übelkeit, Bauchkrämpfe 46% Mundtrockenheit, Geschmacksstörungen, Karies 31% Entzündungen (Soor, Brennen, Rötungen, Schluckstörungen etc.) 26% Blutungen 17% Verschiedene (Rhagaden, Aphthen, Dysurie, Inkontinenz etc.) 21%

 

  • Welche Mittel wenden Sie (entweder auf Verordnung des Arztes oder in eigener Regie) bei chemo-/radiotherapeutisch behandelten Krebspatienten zur Prophylaxe von Hautschäden vor allem an?

 

Panthenol (Bepanthen) 36% Calendula 13% Kamille 12% Salvia 8% Öle 6% Weitere 17 Einzelnennungen, jede weniger als 5%

 

  • Desgleichen zur Prophylaxe von Schleimhautschäden

 

Panthenol (Bepanthen) 38% Salvia 21% Kamille 18% Chlorhexidin 14% Eiswürfel, weiche Zahnbürste, weiche Nahrung, Enzyme, Vitamine, Selenase, Betaisodona, Salbei und weitere 2 Einzelnennungen, jede weniger als 5%

 

  • Desgleichen zur Therapie von Schäden der Mundschleimhaut

 

Panthenol (Bepanthen) 40% Chlorhexidinpräparate, Hexetidinpräparate 25% Salicylatpräparate 21% Salviapräparate 21% Desinfizienzien 21% Kamillenpräparate 21% Nystatin 14% Lokalanästhetika 12% Weitere 13 Einzelnennungen, jede weniger als 5%

 

  • Desgleichen zur Therapie von Schäden der Darmschleimhaut

 

Tees 33% Symbioflor 7% Weitere 14 Einzelnennungen, jede weniger als 5%

 

  • Desgleichen zur Therapie von Schäden der Blasenschleimhaut

 

Tees 13% Methioninpräparate 8% Phytopräparate (Solidago, Birke, Kamille, Orthosiphonblätter etc.) 5% Weitere 16 Einzelnennungen, jede weniger als 5%

 

  • Welche Themen wären Ihnen wichtig für ein Intensiv-Fortbildungsseminar zur dermopharmazeutischen Betreuung von Patienten?

 

Prophylaxe von Haut-/Schleimhaut-Schäden 73% Therapie von Haut-/Schleimhaut-Schäden 66% Schädigungspotenzial von Zytostatika und Prävention 47% Prävention/Therapie von Strahlenschäden 22% Technik der Gesprächsführung mit Kunden 22% Guidelines zur Anwendung von Mitteln der Komplementärmedizin 15% Krebsnachsorge 10%

Schlussfolgerungen

Zunächst möchten wir uns im Namen des Netzwerks Patientenkompetenz bei allen Teilnehmern an dieser Umfrage bedanken [1]. Die Umfrage hat uns wertvolle Hinweise in Bezug auf den Nachholbedarf in der onkologischen dermopharmazeutischen Beratung geliefert.

Betrachten wir die Antworten auf die oben rekapitulierten Fragen der Erhebung und die eingegangenen freien Kommentare, so ergeben sich folgende Defizite des Wissens:

  • Häufigkeit, Charakteristik und rechtzeitige Erkennung von Haut- und Schleimhautproblemen in der Onkologie,
  • Prophylaxe und Pharmakotherapie,
  • Gesprächsführung im Bereich Dermopharmazie,
  • Patientenberatung zum eigenverantwortlichen präventiven Verhalten.

 

Ein Beratungsgebiet mit besonderen Herausforderungen

Die Dermopharmazie wurde in der Umfrage als sehr schwieriges Beratungsgebiet mit vielen Unsi- cherheiten bezeichnet. Es wurde besonders betont, dass das Angebot der dermatologischen Therapeu- tika kaum zu überblicken ist und dass der Apothe- kenangestellte, wenn er nicht außerordentlich spe- zialisiert ist, meistens nicht beurteilen kann, wie solide die Wirksamkeitsansprüche dieser Präparate wissenschaftlich fundiert sind.

Es besteht in dieser Hinsicht eine Parallele zur Be- ratung zu Vitaminen, Antioxidanzien und anderen Mikronährstoffen, ein Gebiet, das heute äußerst kontrovers diskutiert wird. Aus diesem Grunde wurde von Teilnehmern an dieser Umfrage auch angeregt, im Rahmen des Netzwerks der Beratungs-Apotheken für die dermopharmazeutische Beratung ähnliche Beratungshilfen und Program- me zu etablieren, wie diese bereits für Mikronähr- stoffe existieren [2]. Entsprechendes ist in Vorbe- reitung.

 

Präventive Evidenz-basierte Beratung

Das A und O der onkologischen Dermopharmazie besteht in der Prävention von Haut- und Schleim- hautschäden. Sind diese Schäden erst einmal ma- nifest geworden und sind Haut- und Schleimhaut- defekte bereits superinfiziert und chronifiziert, ist ihre Therapie wirklich schwierig.

Die Umfrage hat Hinweise darauf gegeben, dass erhebliche Wissenslücken in Bezug auf die Mög- lichkeiten der Prophylaxe bestehen. Mehrere Per- sonen haben in ihren Fragebögen angegeben, es gebe keine etablierten, wissenschaftlich fundierten Daten für eine Evidenz-basierte Beratung im Fachbereich der onkologischen Dermopharmazie. Diese Aussage ist nicht zutreffend. Es ist zwar nicht immer einfach, an diese Daten zu kommen, aber es gibt sie.

Dazu zwei Beispiele von Präparaten deren Wirk- samkeit zur Schleimhautprotektion in der Onko- therapie wissenschaftlich fundiert ist und auf die nicht verzichtet werden sollte:

  • Die Cyclophosphamid-assoziierte hämorrhagische Zystitis (Oxazaphosphorin-Urotoxizität) kann mit Sicherheit durch das Antidot Mesna verhütet werden [3].
  • Das Escherichia-coli-Lysat Colibiogen verfügt ebenso über eine Evidenz-basierte Indikation zur Prävention der Chemotherapie-induzierten Toxizität der Darmschleimhaut [4].

 

Tumor- und Therapie-assoziierte Haut- und Schleimhautsymptome

Die Kenntnis von Zeichen dermatologischer Mani- festationen bei Krebserkrankungen und Krebs- therapien sind nach dieser Umfrage zu schließen beim beratenden Apothekenpersonal recht gut.

Wenn hier eine Wissenslücke erkennbar ist, dann sowohl bezüglich der Früherkennung dieser Mani- festationen, als auch der Einschätzung des Grades ihrer Bedrohlichkeit. Gerade letzteres ist beson- ders wichtig, da von dieser Einschätzung viel ab- hängen kann.

In der Umfrage wurde zum Beispiel von nur ganz wenigen der Antwortenden das Frühsymptom der Mundtrockenheit und des verminderten Speichel- flusses als Warnsignal einer drohenden Mukositis angegeben. Korrespondierend dazu wurden auch die Möglichkeiten der Therapie der Xerostomie,

z. B. mit dem künstlichen Speichel Saliva, nicht genannt.

Bei der Einschätzung des Grades der Bedrohlich- keit der Frühsymptome spielt nicht nur das Sym- ptom an sich eine wichtige Rolle, sondern auch der Zeitpunkt seines Auftretens. Zeigen sich beispiels- weise schon innerhalb weniger als 3 bis 5 Tagen nach Abschluss eines Chemotherapiestoßes Pete- chien an den abhängigen Körperpartien, weist die- ser Umstand auf eine ganz andere Dramatik der Hämatotoxizität hin, als wenn sich diese Mikro- blutungen erst nach 10 bis 14 Tagen einstellen würden. Das gleiche gilt auch für andere Haut- und Schleimhautsymptome, wie auch für Fieber- zustände.

 

Psychologische Aspekte der Beratung

Ein in der Umfrage immer wieder abgegebener Kommentar lautete, die Kunden würden ihre Haut- und Schleimhautprobleme immer zu spät zur Sprache bringen. Dieser Aussage steht gegen-

über, dass nur 12% der Apotheker und Apotheken- angestellten Themen der Haut- und Schleimhaut- symptomatik bei ihren Kunden aktiv ansprechen. In der Regel sind die Symptome von außen nicht sichtbar, müssen also vom Personal aus der Thera- pie bzw. rezeptierten Medikation erschlossen werden.

 

Seminare des Netzwerks Patientenkompetenz 2005 

Evidenz basierte Komplementärmedizin in der Onkologie 12./13. März, Pharmazeutisches Institut, Universität Bonn

 

Patienten mit Krebs – Förderung der Patientenkompetenz als gemeinsame Aufgabe von Ärzten und Apotheken 18./19. Juni, beta Institut, Augsburg

Evidenz-basierte Mikronährstoff-Beratung 19./20. November, Pharmakol. Institut für Naturwissenschaftler, Universität Frankfurt/M.

Infos und Anmeldung bei Barbara Neusetzer ADEXA – Referat Fortbildung und Messen Sakrower Landstr. 112a, 14089 Berlin Tel. (0 30) 36 28 48 04, Fax (0 30) 36 28 49 04 fortbildung@adexa-online.de www.adexa-online.de

Das beratende Apothekenpersonal trägt bei der auf Prophylaxe und Früherkennung ausgerichteten dermopharmazeutischen Beratung des Krebspa- tienten eine große Verantwortung. Es kann und  darf nicht warten, bis der Kunde seine Beschwer- den spontan schildert. Haut- und Schleimhäute ge- hören zu den Intimorganen, über die Patienten nicht so offen zu reden gewohnt sind. Das beraten- de Apothekenpersonal muss daher aktiv auf den Kunden zugehen. Wie diese Kundenansprache einfühlsam, diskret und dennoch zielführend erfolgen kann, will allerdings gelernt sein und soll speziell in den dermopharmazeutischen Fortbildungskur- sen des Netzwerks geübt werden.

Darüber hinaus bietet das Netzwerk Patientenkom- petenz im Jahr 2005 weitere Fortbildungen zur Förderung der Beratungskompetenz im Bereich Komplementärmedizin in der Onkologie und

zur Evidenz basierten Mikronährstoffberatung an (siehe Kasten).

Danksagung:

Wir danken der Stiftung Patientenkompetenz [5] für die finanzielle Unterstützung des Programms Onkologische Dermopharmazie, in dessen Rahmen die Umfrage durch- geführt wurde.

Literatur

[1] Nagel G., Neusetzer B., Höckel M.: Das BVA- (ADEXA-) Netzwerk Patientenkompetenz. Dtsch. Apoth. Ztg. 143, 2052 –  2058 (2003).

[2]  Nagel G., Theobald S.: Neue Datenbank: Antioxidanzien indi- viduell auswählen. Pharm. Ztg. 148, 2434 – 2437 (2003).

[3] Höckel M. et. al.: Der Krebspatient in der Apotheke. Stuttgart 2003.

[4] Unger C. et. al.: Double-blind randomized placebo-controlled phase III study of an E. coli extract plus 5-Fluorouracil versus 5-Fluorouracil in patients with advanced colorectal cancer.

[5]Stiftung Patientenkompetenz: www.stiftung-patientenkompetenz.org.

 

 

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Gerd Nagel Haldensteig 10, CH-8708 Männedorf E-Mail: gerd.nagel@compatence.com

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