Arzneimittel und Therapie

Sinnvolles Adjuvans oder sinnloses Nahrungsergänzungsmittel?

Seit einiger Zeit werden Präparate mit Zimt oder Zimtextrakt als diätetisches Lebensmittel oder als Nahrungsergänzungsmittel zur Unterstützung bei der Behandlung des Diabetes mellitus angeboten. Arzneimittelkritiker lehnen solche Präparate ab, da mit ihnen in die Therapie der komplizierten Stoffwechselkrankheit Diabetes eingegriffen wird, ohne dass harte Daten zu solchen Präparaten vorliegen. Und wenn die Hersteller auf Wirkungen hinweisen, stellt sich die Frage, warum solche Präparate nicht als Arzneimittel auf den Markt kommen.

Wir sprachen mit Prof. Dr. H.P.T. Ammon, Pharmakologe und Experte in Sachen Diabetes.

 

DAZ:

Herr Professor Ammon, in letzter Zeit wird in vielen Schriften, auch Boulevardzeitschriften, für Zimt Reklame als diätetisches Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel zur Prävention bzw. zur Behandlung der Zuckerkrankheit des Typ 2 gemacht. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat unter Ihrem Namen in unserer Zeitschrift letztlich ein Statement herausgegeben, das von der Verwendung von Zimt als Antidiabetikum und Prophylaktikum abrät. Dieser Ansicht ist zum Teil heftig widersprochen worden. Was halten Sie von der Angelegenheit?

Ammon:

Zimt ist keine Nahrung, sondern ein Gewürz. Es dient der Verbesserung des Geschmacks. Der Körper leidet in keiner Phase unter einem Zimtmangel. Zimt kann daher nach den neuen Richtlinien auch nicht als Nahrungsergänzungsmittel angesehen werden.

DAZ:

Müsste man dann Zimt als Arzneimittel deklarieren, das auch unter die Kriterien des Arzneimittelgesetzes fällt?

Ammon:

Wird Zimt zur Prävention oder zur Behandlung des Diabetes eingesetzt, dann ist er als Arzneimittel einzustufen. In letzterem Fall unterliegt er dann den Anforderungen des Arzneimittelgesetzes.

DAZ:

Warum glauben Sie, dass die Anwendung von Zimt für den Diabetiker problematisch sein könnte?

Ammon:

Die jetzige übliche Anwendung von Zimtkapseln zur Prävention und Regulation des Blutzuckerspiegels bei Diabetes stellt meines Erachtens eine Gefahr für die Betroffenen dar. Denn:

  • Die Produkte sind nicht standardisiert.
  • Man kennt den eigentlichen oder die eigentlichen Wirkstoffe nicht.
  • Bei Langzeitanwendung von Dosen, die über dem täglichen Gebrauch liegen, erheben sich möglicherweise toxikologische Probleme. Auf diese Gefahr, generell bei Gewürzen, wird in Publikationen hingewiesen. Es ist also absolut notwendig im Sinne der Sicherheit der Anwendung von Arzneimittel definierte Produkte einer toxikologischen Prüfung nach dem Arzneimittelgesetz zu unterziehen.

DAZ:

Aber Zimt wirkt doch Blutzucker senkend.

Ammon:

Das wird auch nicht bestritten.

DAZ:

Und Zimt ist doch schon sehr lange als wohlschmeckendes Gewürz im Gebrauch und man hat nie etwas von unerwünschten Wirkungen gehört.

Ammon:

Es ist ein Unterschied, ob man ein Gewürz in hohen Dosen jeden Tag über Jahre und vielleicht noch länger einnimmt oder ob es sporadisch der Nahrung zugesetzt wird. Im ersteren Fall muss überprüft werden, ob sich nicht toxische Wirkungen einstellen können, wie dies kürzlich in einer Publikation über asiatische Gewürze in den Raum gestellt wurde.

DAZ:

Abgesehen davon, ob nun Zimt Blutzucker senkend wirkt oder nicht, toxikologisch bedenklich ist oder nicht, wie sehen Sie die derzeitige Anwendung der auf dem Markt befindlichen Produkte für den Diabetiker selbst?

Ammon:

Zur Situation des Diabetiker selbst:

Zuckerkrankheit ist eine komplizierte Stoffwechselerkrankung, die insbesondere in späteren Jahren zu erheblichen Folgeerscheinungen führt. Diese sind u. a. Herzinfarkt, Schlaganfall, Erblindung, Amputationen. Es ist daher das Bestreben von Tausenden von Wissenschaftlern auf der Welt, Diagnose- und Behandlungsrichtlinien zu erforschen, die diesem Unheil von Folgeerkrankungen entgegenwirken. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft hat diesem komplizierten Metier Rechnung getragen, indem sie im Jahre 1995 eine eigene Fachbezeichnung, "Diabetologe DDG", unter anderem für Internisten, geschaffen hat. Dafür müssen sich interessierte Ärzte einer speziellen Fortbildung in einer von der DDG anerkannten Einrichtung unterziehen. Die DDG hat dafür gesorgt, dass – zur Unterstützung der Tätigkeit der Ärzte – auch Apotheker in zertifizierten Kursen mit dieser Krankheit und ihrer Behandlung vertraut gemacht werden. Weiterhin sind auf Initiative der Deutschen Diabetes Gesellschaft Diabetesberater/beraterinnen, Diabetesassistenen/assistentinnen, Diätberater/beraterinnen etabliert worden. Alle zusammen versuchen, diese Krankheit nach dem neuesten Stand der Wissenschaft in den Griff zu bekommen.

In den Medien wird eine erhebliche Werbung für Zimtprodukte zur Regulation des Blutzuckerspiegels betrieben. Der Laie wird versuchen, auf diese Werbung einzugehen und sich – nicht kontrolliert durch sachkundige Beratung und Behandlung – mit solchen Präparaten zu versorgen. Dabei besteht die Gefahr, dass er ein nicht standardisiertes Produkt bekommt, das Präparat einmal einnimmt, einmal weglässt. Damit kann die Behandlung seiner Zuckerkrankheit nicht gesteuert werden. Er geht deswegen unter Umständen gar nicht oder unregelmäßig zum Arzt und entzieht sich damit den etablierten, in Langzeit und Out-come-Untersuchungen geprüften Therapieverfahren. Oder er ergänzt das Therapieschema des Arztes durch zusätzliche Einnahme von Zimtpräparaten, womit die Gefahr besteht, dass vom Arzt nicht kontrollierbare Hypoglykämien auftreten können.

DAZ:

Sie bleiben also bei Ihrer Ablehnung von Zimtpräparaten?

Ammon:

Ja, wir können den Diabetiker nicht unkontrolliert Nahrungsergänzungsmitteln, die in diesem Fall keine sind, überlassen. Die Behandlung und Führung des Diabetikers gehört in die Hand des Fachmanns.

DAZ:

Herr Professor Ammon, vielen Dank für das Gespräch!

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