Arzneimittel und Therapie

Alitretinoin zur Behandlung des Kaposi-Sarkoms

Jetzt kommt eine topische Therapieoption zur Behandlung des Aids-assoziierten Kaposi-Sarkoms auf den Markt: das 0,1%-ige Alitretinoin-Gel Panretin®. Das Gel wird über zwölf Wochen zwei- bis viermal am Tag auf die Läsionen aufgetragen.

Alitretinoin (Panretin® Gel) ist angezeigt für die topische Behandlung von Hautläsionen bei Patienten mit Aids-bedingtem Kaposi-Sarkom, wenn:

  • die Läsionen frei von Ulkus oder Lymphödem sind, und
  • eine Behandlung von Eingeweide-Kaposi-Sarkom nicht erforderlich ist, und
  • die Läsionen nicht auf eine systemische Antiretrovirus-Therapie ansprechen, und
  • eine Radio- oder Chemotherapie nicht adäquat ist.

Das Kaposi-Sarkom

Das disseminierte Kaposi-Sarkom ist ein bösartiger Tumor, der durch viele, über die gesamte Haut verteilte dunkelrote bis braune Gefäßtumoren charakterisiert ist. Vornehmlich werden Spaltlinien der Haut, Schleimhäute im Mund- und Genitalbereich befallen. Die anfangs lediglich kleinen, hellroten Flecken entwickeln sich mit der Zeit zu derben braunroten bis bläulichen Knoten. Die Knoten neigen dazu, Geschwüre zu bilden. Die Größe der Tumoren schwankt zwischen stecknadel- bis handtellergroß. Sie können auch innere Organe durchsetzen und dort zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen. Die Flecken an der Haut können über Monate und Jahre persistieren. Die Erkrankung kann aber auch rasch fortschreiten und in schweren Fällen letal verlaufen. Neben der Bedrohung durch eine mögliche Progression empfinden die meisten Betroffenen die stigmatisierenden Hautläsionen als deutliche Einschränkung ihrer Lebensqualität.

Wenn ein Kaposi-Sarkom auftritt, ist das Stadium Aids erreicht. Meist sind dann auch die Helferzellen bereits stark abgefallen. Jetzt wird häufig der Beginn einer Behandlung mit HIV-Medikamenten empfohlen. Durch die antiretrovirale Therapie kann es zu erheblichen Verbesserungen, ja sogar vollständigen Heilungen des Kaposi-Sarkoms kommen. Vermutlich wirken die HIV-Medikamente nicht direkt gegen das Kaposi-Sarkom, sondern durch eine Verbesserung des Immunstatus.

Zur Therapie des Kaposi-Sarkoms standen bisher invasive Behandlungsmöglichkeiten wie Bestrahlung mit Röntgen- oder Laserstrahlen oder chirurgische Eingriffe sowie systemische Therapien (z. B. Interferon oder Chemotherapeutika wie Daunorubicin und Doxorubicin) zur Verfügung. Wenn die Kaposi-Sarkome nicht zu groß sind (kleiner als 1 cm), können sie mit flüssigem Stickstoff vereist werden, so dass das Tumorgewebe durch die Kälte zerstört wird.

Panretin® bietet eine Behandlungsoption zur topischen Anwendung. Das Gel wird über zwölf Wochen zwei- bis viermal am Tag auf die Läsionen aufgetragen.

Selektiver Wirkungsmechanismus

Alitretinoin (9-cis-Retinsäure) ist ein mit Vitamin A verwandtes, natürlich vorkommendes endogenes Hormon. Sein Wirkungsmechanismus unterscheidet sich von dem anderer Retinoide: Es aktiviert intrazellulär selektiv die Retinoid-Rezeptoren RAR und RXR. Diese Rezeptoren beeinflussen nicht nur die Zellfunktionen, sondern haben direkten Einfluss auf die Apoptose und hemmen das Wachstum von Tumorzellen. Alitretinoin bindet an alle bekannten Subtypen der intrazellulären Retinoid-Rezeptoren.

Sobald die Rezeptoren aktiviert sind, agieren sie als ligandenabhängige Transkriptionsfaktoren und regulieren die Expression spezifischer Gene. Dadurch werden Zelldifferenzierung und -proliferation gesteuert, und zwar sowohl bei normalen Zellen als auch bei neoplastischen Zellen.

Wahrscheinlich weist Panretin® Gel nur lokale therapeutische Wirkungen auf, ihm kommt demnach keine Rolle bei der Vorbeugung gegen oder die Behandlung von Eingeweide-Kaposi-Sarkom zu.

Gute Ansprechraten

Eine multizentrische, randomisierte und doppelblinde Untersuchung mit 268 Patienten zeigte beim primären Endpunkt (Reduktion der Kaposi-Läsionen) eine statistisch signifikante Überlegenheit von Alitretinoin im Vergleich zum wirkstofffreien Gel. In einem Beobachtungszeitraum von bis zu 28 Wochen sprachen 49% (90/184) aller mit Alitretinoin therapierten Patienten auf die Behandlung an. Dabei wurden Behandlungserfolge auch bei Patienten erzielt, die einer systemischen Therapie gegenüber refraktär waren. Bei einer Analyse der Ergebnisse der Patienten mit antiretroviraler Therapie (inklusive Proteaseinhibitoren) zeigte sich, dass die Effektivität von Panretin® unabhängig war von der Anzahl der gleichzeitig verabreichten antiretroviralen Arzneimittel.

Zweimal täglich zwölf Wochen lang

Es wird empfohlen, Panretin® Gel anfänglich bis zu zwölf Wochen anzuwenden. Das Gel wird auf die Kaposi-Sarkom-Hautläsionen aufgetragen, und zwar so, dass jede Läsion mit reichlich Gel bedeckt wird. Vor und nach dem Auftragen sind die Hände zu waschen; das Tragen von Handschuhen ist nicht erforderlich. Das Gel muss drei bis fünf Minuten trocknen, bevor es mit Kleidung bedeckt wird.

Okklusivverbände sind zu vermeiden. Ein Auftragen des Gels auf die die Läsionen umgebende normale Haut ist sorgfältig zu vermeiden. Das Gel darf nicht auf die Augen, nahe den Augen oder den Schleimhäuten aufgetragen werden. Duschen, Baden oder Schwimmen ist mindestens drei Stunden nach dem Auftragen zu vermeiden.

Zu Beginn sollten die Patienten Panretin® Gel zweimal pro Tag auf die Hautläsionen auftragen. Die Anwendungshäufigkeit kann je nach der Verträglichkeit, die die einzelnen Läsionen zeigen, auf drei bis viermal pro Tag gesteigert werden, wobei zwischen den Dosissteigerungen eine Wartezeit von mindestens zwei Wochen einzuhalten ist. Tritt eine lokale Hautreizung an der Anwendungsstelle auf, so kann die Anwendungshäufigkeit reduziert werden.

Bei Läsionen, die inerhalb von zwölf Wochen auf die Behandlung angesprochen haben, kann die Anwendung fortgesetzt werden, vorausgesetzt, dass sich das Ansprechen verbessert oder gleich bleibt und das Produkt nach wie vor vertragen wird. Spricht eine Läsion vollständig an, so sollte kein Panretin® Gel mehr auf die ansprechende Läsion aufgetragen werden.

Keine Aufnahme in den Organismus

Alitretinoin wird aus dem Gel nicht in nachweisbarem Maß in den Körper aufgenommen. Um das zu untersuchen, wurden die Konzentrationen von 9-cis-Retinsäure im Plasma während klinischer Studien bei Patienten mit Aids-bedingten Kaposi-Sarkom-Hautläsionen nach wiederholter mehrfach täglicher Anwendung von Panretin® Gel über einen Zeitraum von bis zu 60 Wochen ausgewertet. Eine Untergruppe dieser Patienten wurde während der Behandlung von bis zu 64 Läsionen im Zeitraum von bis zu 44 Wochen weiter beobachtet. Dabei waren die Plasmakonzentrationen an 9-cis-Retinsäure bei Patienten mit Kaposi-Sarkom nach Anwendung des Alitretinoin-Gels mit den Plasmakonzentrationen der natürlich vorkommenden 9-cis-Retinsäure bei unbehandelten Individuen vergleichbar. Systemische Nebenwirkungen sowie Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sind daher nicht zu erwarten.

Nebenwirkungen: lokale Hautreaktionen

Als Nebenwirkungen traten lediglich leichte bis moderate Hautreaktionen auf, die aber oft auf eine Überapplikation zurückzuführen und lokal begrenzt waren. Zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen an der Anwendungsstelle kam es bei 69,1% der Patienten. Typischerweise beginnt die dermale Toxizität als Erythem; wird die Behandlung mit Panretin® Gel fortgesetzt, so kann es zu einer Verstärkung des Erythems und Bildung eines Ödems kommen. Bei einem starken Erythem, Ödem und Blasenb ildung kann die dermale Toxizität die Behandlung einschränken.

Wechselwirkungen mit anderen Topika

Die Anwendung anderer topischer Produkte auf behandelten Kaposi-Sarkom-Läsionen ist zu vermeiden. Zwischen den Alitretinoin-Anwendungen kann Mineralöl aufgetragen werden, um starke Trockenheit oder starken Juckreiz zu verhindern. Mindestens zwei Stunden vor oder nach der Anwendung von Panretin® Gel darf jedoch kein Mineralöl aufgetragen werden.

Es ist nicht zu empfehlen, dass Patienten Panretin® Gel gleichzeitig mit Produkten verwenden, die DEET(N,N-Diethyl-m-toluamid) enthalten, einen häufigen Bestandteil von Insektenabwehrmitteln. Tierversuche zur Toxikologie zeigten, dass die Toxizität von DEET zunahm, wenn dieses einen Bestandteil der Formulierung darstellte.

Nicht während der Schwangerschaft anwenden

Während der Schwangerschaft ist Panretin® Gel kontraindiziert, da Alitretinoin bei systemischer Anwendung bei Schwangeren den Fötus schädigen kann. Es ist zur Zeit nicht sicher, wie stark eine topische Behandlung mit Panretin® Gel die 9-cis-Retinsäurekonzentrationen im Plasma bei weiblichen Kaposi-Sarkom-Patienten über den natürlichen Spiegel hinaus erhöhen würde. Deshalb sollte Alitretinoin von Schwangeren nicht angewendet werden. Gebärfähige Frauen müssen während der Behandlung mit Panretin® Gel sowie einen Monat nach dem Absetzen der Behandlung eine verlässliche Form der Empfängnisverhütung anwenden.

Sonnenschutz beachten

Die Klasse der Retinoide wurde mit Lichtempfindlichkeit in Verbindung gebracht. Bei der Anwendung von Panretin® Gel in klinischen Studien wurde über Lichtempfindlichkeit nichts berichtet. Die Patienten müssen jedoch darauf hingewiesen werden, dass die behandelten Flächen dem Sonnenlicht oder anderem ultraviolettem (UV-) Licht (wie Bräunungslampen) so wenig wie möglich ausgesetzt werden sollten.

Es wird empfohlen, darauf zu achten, dass die tägliche Aufnahme von Vitamin A mit der Nahrung nicht den empfohlenen Wert für die diätetische Aufnahme überschreitet. hel

 

Quelle
Fachinformation zu Panretin® Gel, Stand November 2004.
Walmsley, S., et al.: Treatment of AIDS- related cutaneous Kaposi’s sarcoma with topical alitretinoin (9-cis-retinoic acid) gel. J. AIDS 1999; 22:235-246.

Das Kaposi-Sarkom

1872 wurde das Kaposi-Sarkom erstmals von dem Wiener Dermatologen Moritz Kaposi beschrieben. Die Erkrankung, ein bösartiger Tumor, war bis Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts außerordentlich selten. Seit der Ausbreitung von Aids (acquired immunodeficiency syndrome) hat sich das Kaposi-Sarkom verändert und ist zunehmend aggressiver geworden.

Heute werden zwei Formen des Kaposi-Sarkoms unterschieden:

  • Das klassische idiopathische (das heißt: ohne Ursache entstandene) Kaposi-Sarkom, das Kaposi 1872 beschrieben hat.
  • Das disseminierte Kaposi-Sarkom tritt bei 30 Prozent aller an Aids Erkrankten auf. Es ist sehr viel häufiger und aggressiver. Der Tumor kann in jeder Phase der Entwicklung von einer HIV-Infektion bis zur Aids-Erkrankung entstehen.

Steckbrief: Alitretinoin Handelsname/Hersteller: 

Panretin Gel (Zeneus Pharma, München) Einführungsdatum: April 2005 Zusammensetzung: 1 g enthält 1 mg Alitretinoin (0,1 %). Hilfsstoffe: Ethanol, Macrogol 400, Hydroxypropylcellulose, Butylhydroxytoluol Packungsgrößen, Preise und PZN: 60 g, 1594,06 Euro, PZN 2260679 Stoffklasse: Weitere Antineoplastika Indikation: Panretin® Gel ist angezeigt für die topische Behandlung von Hautläsionen bei Patienten mit Aids-bedingtem Kaposi-Sarkom (KS), wenn die Läsionen frei von Ulkus oder Lymphödem sind, und eine Behandlung von Eingeweide-KS nicht erforderlich ist, und die Läsionen nicht auf eine systemische Antiretrovirus-Therapie ansprechen, und eine Radio- oder Chemotherapie nicht adäquat ist. Dosierung: Panretin® Gel wird auf die Kaposi-Sarkom-Hautläsionen aufgetragen, und zwar so, dass jede Läsion mit reichlich Gel bedeckt wird. Vor und nach dem Auftragen sind die Hände zu waschen; das Tragen von Handschuhen ist nicht erforderlich. Das Gel muss drei bis fünf Minuten trocknen, bevor es mit Kleidung bedeckt wird. Okklusivverbände sind zu vermeiden. Ein Auftragen des Gels auf die die Läsionen umgebende normale Haut ist sorgfältig zu vermeiden. Das Gel darf nicht auf die Augen, nahe den Augen oder den Schleimhäuten aufgetragen werden. Duschen, Baden oder Schwimmen ist mindestens drei Stunden nach dem Auftragen zu vermeiden. Zu Beginn sollten die Patienten Panretin® Gel zweimal pro Tag auf die Hautläsionen auftragen. Die Anwendungshäufigkeit kann je nach der Verträglichkeit, die die einzelnen Läsionen zeigen, auf drei bis viermal pro Tag gesteigert werden, wobei zwischen den Dosissteigerungen eine Wartezeit von mindestens zwei Wochen einzuhalten ist. Die Anwendungshäufigkeit ist für jede einzelne Läsion festzulegen. Tritt eine lokale Hautreizung (dermale Toxizität) an der Anwendungsstelle auf, so kann die Anwendungshäufigkeit wie reduziert werden. Gegenanzeigen: Patienten, die auf Retinoide im Allgemeinen, Alitretinoin oder einen der Hilfsstoffe überempfindlich reagieren; bei Schwangerschaft und während der Stillzeit; bei der Behandlung von KS-Läsionen in unmittelbarer Nähe von anderen Hautstörungen Nebenwirkungen: Im Zusammenhang mit der Anwendung von Panretin® Gel bei AIDS-bedingtem Kaposi Sarkom traten unerwünschte Arzneimittelwirkungen beinahe ausschließlich an der Anwendungsstelle auf. Sehr häufig: Ausschlag, Pruritus, Hautstörungen, Schmerzen; häufig: Parästhesie, Ödem, Blutungen, peripheres Ödem, exfoliative Dermatitis, Hautulkus, Hautverfärbung, trockene Haut, Austritt von Serumflüssigkeit. Wechselwirkungen: Die Anwendung anderer topischer Produkte auf behandelten Kaposi-Sarkom-Läsionen ist zu vermeiden. Es ist nicht zu empfehlen, dass Patienten Panretin® Gel gleichzeitig mit Produkten verwenden, die DEET(N,N-Diethyl-m-toluamid) enthalten, einen häufigen Bestandteil von Insektenabwehrmitteln. Die Möglichkeit von Arzneimittelwechselwirkungen mit systemisch angewendeten Arzneimitteln ist gering. Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Bei der Anwendung von Panretin® Gel in klinischen Studien wurde nichts über Lichtempfindlichkeit berichtet; die Patienten müssen jedoch darauf hingewiesen werden, dass die behandelten Flächen dem Sonnenlicht oder anderem ultraviolettem (UV-) Licht (wie Bräunungslampen) so wenig wie möglich ausgesetzt werden sollten. Es wird empfohlen, darauf zu achten, dass die tägliche Aufnahme von Vitamin A mit der Nahrung nicht den empfohlenen Wert für die diätetische Aufnahme überschreitet. Alitretinoin kann dem Fötus schaden; gebärfähige Frauen müssen während der Behandlung mit Panretin® Gel sowie einen Monat nach dem Absetzen der Behandlung eine verlässliche Form der Empfängnisverhütung anwenden.

 

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