Öffentliches Gesundheitswesen

Apotheker als GMP-Inspektoren

Eine in DAZ 2005, Nr. 24, S. 58 begonnene Info-Serie des Bundesverbandes der Apotheker im öffentlichen Dienst (BApÖD e.V.) will die vielfältigen Tätigkeitsfelder für Apothekerinnen und Apotheker jenseits von Offizin oder Industrie näher beleuchten. In dieser Folge wird der Bereich des GMP-Inspektionswesens vorgestellt.

 

Föderale Vielfalt

Eine wichtige Aufgabe im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ist die Überprüfung der ordnungsgemäßen Herstellung und Prüfung der Arzneimittel nach dem internationalen GMP-Standard (GMP = Good Manufacturing Practice, Gute Herstellungspraxis für Arzneimittel). Diese Aufgabe wird von spezialisierten Apothekern wahrgenommen.

Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Arzneimittelgesetzes (AMGVwW) bestimmt grundsätzlich, dass GMP-Inspektionen von Personen durchgeführt werden sollen, welche die Approbation als Apotheker besitzen. Die 16 deutschen Bundesländer, die im Hinblick auf ihre Fläche, ihre Einwohnerzahl und die Bedeutung ihrer Pharmaindustrie sehr heterogen sind, haben die GMP-Überwachung unterschiedlich organisiert. So finden sich in den starken Pharmaländern Baden-Württemberg und Hessen zentralisierte, auf GMP spezialisierte Inspektorate, in vielen anderen Bundesländern dezentrale Inspektorate, die neben GMP weitere Aspekte der Arzneimittelsicherheit abdecken müssen (z. B. Apotheken-, Heilmittelwerbe-, Betäubungsmittelwesen, klinische Prüfung von Arzneimitteln, Risikomanagement bei Arzneimittelzwischenfällen).

Gesicherte Inspektionsqualität (?)

1999 wurde, unter dem Druck internationaler Verpflichtungen zwischen der Europäischen Union und verschiedenen Handelspartnern (sog. Mutual-Recognition-Abkommen mit der Schweiz, Australien, Neuseeland, Kanada) in Deutschland ein bundeseinheitliches Qualitätssicherungssystem eingeführt, mit weitgehenden Konsequenzen für die Arbeit und Transparenz des GMP-Inspektionswesens. Die Kernpunkte des QS-Systems betreffen klare Anforderungen an

  • die Aus- sowie die laufende Fortbildung von GMP-Inspektoren;
  • die Planung, Durchführung, Berichterstattung sowie die Nachverfolgung (Follow-up) von GMP-Inspektionen;
  • eine einheitliche Bewertung von GMP-Mängeln;
  • ein einheitliches Vorgehen im Fall des Managements von Risiken (Rapid Alert System, RAS);
  • die einheitliche Ausstellung von Herstellungs- und Einfuhrerlaubnissen, Zollbescheinigungen sowie Exportzertifikaten;
  • die regelmäßige Durchführung interner Qualitätsaudits;
  • die Verantwortung der obersten Leitungen für die Sicherstellung der erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen.

Zur Sicherstellung der notwendigen länderübergreifenden Kommunikation zwischen den GMP-Inspektoraten wurden so genannte Expertenfachgruppen (EFG, siehe Kasten) geschaffen, die regelmäßig bei der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG, Bonn) zusammenkommen, um Konsens in Fachfragen zu erzielen, Arbeitshilfen (Verfahrensanweisungen, Aides mémoire) zu entwickeln sowie internationale GMP-Dokumente zu kommentieren.

Von den in den Expertenfachgruppen erarbeiteten Dokumenten wurde bislang nur ein kleiner Teil öffentlich bekannt gemacht. Dies soll sich zukünftig ändern. Wenn die schwierige Konsensfindung beendet sein wird, sollen Interessierte unter www.zlg.de insbesondere die als "Aides mémoire" bezeichneten Inspektionsleitfäden einsehen können, aber auch die wichtigsten Verfahrensanweisungen.

Spezialist oder Generalist?

Die immer spezielleren Anforderungen an die Sachkunde eines GMP-Inspektors, verstärkt durch eine täglich wachsende internationale Dokumentenflut, stellen jede Behörde vor das Problem eines qualifizierten Engagements. Eine zeitnahe und fundierte Stellungnahme zu den in der Regel in englischer Sprache kursierenden GMP-Dokumenten ist nur mit Spezialisten zu bewältigen. Andererseits kann es sich kein Bundesland leisten, für jedes der pharmazeutischen Spezialgebiete – vom Heilwasser bis zur Gentechnik-Arznei – einen oder mehrere Spezialisten bereit zu halten. Insbesondere im täglichen Verwaltungsgeschäft mit seiner Vielfalt allgemeiner Anfragen erweist sich der Generalist mit breiter Erfahrung als unverzichtbar und dem Spezialisten überlegen.

Internationale Aufgaben

Das Anforderungsprofil an einen GMP-Inspektor hat sich in den letzten Jahren stark geändert. Während sich früher Inspektionsreisen auf den überschaubaren Rahmen eines Regierungsbezirkes beschränkten, häufen sich inzwischen Inspektionsaufträge im Ausland. Solche Auslandsinspektionen fallen insbesondere aus folgenden Gründen an:

  • die Herstellung importierter Arzneimittel – oder Wirkstoffe menschlichen, tierischen, gentechnischen oder mikrobiellen Ursprungs – erfolgt in einem Drittstaat, mit dem kein MRA-Abkommen besteht. Alle zwei bis drei Jahre sind Nachinspektionen durchzuführen;
  • es handelt sich um ein zentral zugelassenes Arzneimittel, dessen Herstellung in einem Drittstaat (z. B. USA) erfolgt. Vor der Zulassung durch die European Medicines Agency (EMEA, London) ist eine GMP-Abnahmeinspektion des Herstellers erforderlich. Nach der Zulassung fallen alle zwei Jahre Routine-Inspektionen an.

Zu den Mindestqualifikationen eines GMP-Inspektors für Auslandseinsätze zählen:

  • solide Fachkenntnisse in den anfallenden Spezialgebieten;
  • überdurchschnittliche Sprachkenntnisse;
  • diplomatisches Geschick;
  • Organisations- und Improvisationstalent;
  • robuste Gesundheit.

Europäische Zusammenarbeit

Nicht nur unplanbare Auslandseinsätze mit engen EMEA-Vorgaben für die Fertigstellung des Inspektionsberichts bringen Unruhe in die GMP-Inspektorate. Gleiches gilt für die ebenso spontanen wie terminlich drängenden Anforderungen nach Bescheinigungen sowie die nicht mehr überschaubare Zahl von EU-Dokumenten zu diversen GMP-Aspekten.

Die rasch von 15 auf 25 Mitglieder gewachsene Europäische Union steht unter dem Druck, ihren Exportpartnern einen einheitlichen, qualitätsgesicherten GMP-Inspektionsstandard darzulegen. Sie versucht, dies auf verschiedenen Wegen voran zu treiben, beispielsweise

  • Joint Inspections Programme (JIP) – die gemeinsame Durchführung von GMP-Inspektionen unter Beteiligung von Inspektoren aus verschiedenen Mitgliedstaaten, mit dem Ziel der Erhöhung von Qualität, Vertrauen und Transparenz;
  • Joint Audit Programme (JAP) – die wechselseitige Überprüfung der Qualität der GMP-Inspektorate, mit dem Ziel des Nachweises der Erfüllung der EU-Qualitätsvorgaben.

Blick nach vorn

Es gehören keine besonderen prophetischen Gaben dazu, für die Zukunft des deutschen GMP-Inspektionswesens folgende nüchterne Prognosen zu treffen:

  • Es muss gelingen, die vielen verschiedenen Beteiligten an der Arzneimittelüberwachung – insbesondere Zulassungsbehörden, amtliche Untersuchungsstellen, GMP-Inspektorate, Veterinärüberwachung – ressortübergreifend zu vernetzen;
  • Es muss gelingen, in der GMP-Inspektion ein international überzeugendes Qualitätssicherungssystem zu leben;
  • Die deutschen GMP-Inspektorate müssen sich in Projekte der EU stärker einbringen als bislang.

Der BApÖD hat in der Vergangenheit – insbesondere unter seinem Vorsitzenden Rudolf Völler – unermüdlich auf dringenden Handlungsbedarf hingewiesen, vor hemmenden föderalen Eitelkeiten gewarnt, einen klaren politischen Willen der diversen Verantwortlichen gefordert. Die BApÖD-Prognosen waren realistisch, fanden leider bislang aber nicht im erforderlichen Umfang Gehör. Die Verantwortungsträger in Deutschland scheinen mit dem von der EU vorgegebenen Tempo nicht Schritt halten zu können. Die qualifizierten und engagierten GMP-Inspektoren brauchen die Unterstützung der Politik – sonst wird die deutsche Pharmazie schlicht abgehängt. Und dies wäre eine weitere peinliche Episode im Verfall der einstigen "Weltapotheke Deutschland".

 

Für den Bundesverband der Apotheker im öffentlichen Dienst:
Pharmaziedirektor Dr. Michael Schmidt, Pfeiferstr. 15, 72108 Rottenburg

Expertenfachgruppen mit GMP-Relevanz

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