Arzneimittelqualität

Qualitätsgesicherter weltweiter Arzneimitteltransport

Der Transport von sensiblen Arzneimitteln, wie etwa komplexen kühlpflichtigen Produkten aus menschlichem Blut oder Impfstoffen, stellt neben der fachlichen Herausforderung vor allem ein rechtliches Problem dar, weil es an eindeutigen gesetzlichen und sonstigen Regelungen mit verbindlichem Charakter fehlt. Dies kann beim Transport in Übersee problematisch sein, wie die folgende Untersuchung zeigt.

In keinem einschlägigen Werk werden umfassende und somit auch problemlos einhaltbare Vorgaben zu Konditionen und zur Dokumentation der Qualitätssicherung von Arzneimitteln beim Transport gemacht. Stattdessen findet man Hinweise, die sich teilweise inhaltlich wiedersprechen. Auch vage Angaben wie etwa "... die Kühlkette darf nur kurz unterbrochen werden ..." sind nicht wirklich hilfreich für den Hersteller, der für die Qualität seiner Produkte bis zur Übergabe an den Abnehmer (Apotheke, Transfusionszentrale, Krankenhaus) sogar im Sinn einer persönlichen Haftung des Herstellungsleiters verantwortlich ist.

Weit dehnbare Rechtsgrundlagen

Die allgemeine Problematik des Transports von Arzneimitteln liegt in der weit dehnbaren vorgegeben Gesetzeslage (Tab. 1). Die Anforderungen an die Qualität des Arzneimitteltransports, wie sie in § 17 Abs. 2 ApBetrO und in § 6 der Betriebsverordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe stehen, geben sowohl den Internetapotheken als auch den Arzneimittelgroßhändlern einen großen Spielraum.

Im Bereich Lagerung und Arzneimitteltransport von Erythrozytenkonzentraten sind die Anforderungen seitens des Gesetzgebers im Vergleich zu anderen Arzneimitteln höher. Die hier geltenden "Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)" des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer und des Paul-Ehrlich-Instituts (kurz: Hämotherapierichtlinien, 2000) stellen gemäß § 12 Transfusionsgesetz (TGF, 1998, 1. Änderung 02/2005) den allgemein anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik dar. Aktuelle Änderungen werden in Voten oder Empfehlungen des Arbeitskreises Blut des Robert Koch-Instituts bekannt gegeben, die durch die explizite Erwähnung im TFG verbindlich sind.

Der Blutspendedienst muss konform der von der Bundesoberbehörde (Paul-Ehrlich-Institut, Bundesamt für Sera und Impfstoffe) erteilten Zulassung arbeiten. Gemäß Arzneimittelgesetz und Betriebsverordnung für pharmazeutische Unternehmer liegt die Verantwortung für die Sicherheit und Qualität der Blutkonserven und somit für die exakte Einhaltung aller Gesetze, Richtlinien und sonstigen Auflagen beim Hersteller und beim pharmazeutischen Unternehmer.

Bei kühlpflichtigen Erythrozytenkonzentraten wird die Stabilität der Produkttemperatur als wichtigster Parameter angesehen. In den Hämotherapierichtlinien wird eine Transporttemperatur von r1 bis r10 °C vorgeschrieben und die Lagertemperatur auf r4 °C w2 °C festgesetzt. Die Transportdauer wurde hier nicht berücksichtigt, sodass theoretisch ein Transport bei 1 bis 10 °C während der gesamten Haltbarkeit der Präparate (49 Tage bei Verwendung der stabilisierenden Additivlösung PAGGS-M, Phosphat-Adenin-Guanosin-Glucose-Saline-Mannitol, Abb. 1) möglich ist.

Der vom Europarat publizierte "Guide to the Preparation, Use and Quality Assurance of Blood Components" (9th ed., 2003), der den Charakter einer Empfehlung hat, setzt für den Transport ein engeres Temperaturfenster von r4 °C w2 °C, was der Lagerungstemperatur gemäß Hämotherapierichtlinien entspricht, erlaubt aber für maximal 24 h den Temperaturbereich von r6 bis r10 °C. Auch hier wurde die generelle Transportdauer nicht begrenzt.

Kühlmethoden während des Transports

Der Transport zellulärer Blutkomponenten innerhalb Deutschlands mit einem klimatisierten Pkw, passiver Kühlbox und Kühlelementen sowie einer Transportdauer unter zwölf Stunden ist unkritisch. Im Gegensatz dazu stellt der militärische weltweite Bluttransport bei extremen Umgebungstemperaturen, z.B. nach Afghanistan oder Ostafrika, besondere Anforderungen sowohl an die Logistik als auch an die Überwachung der Arzneimittelqualität (Abb. 2). Hier muss mit einer Transportdauer bis zu zwei Tagen und, je nach Jahreszeit, mit extremer Hitze oder Kälte gerechnet werden.

Grundsätzlich gibt es zwei Ansätze zur Problemlösung:

  • Wenn eine unterbrechungsfreie Stromzufuhr sichergestellt werden kann, bietet sich eine aktiv gekühlte Transportbox mit nur geringer Wandisolierung und mit automatischer Temperaturmessung und -aufzeichnung an.
  • Bei militärischen Transporten mit mehrfachem Umladen der Fracht und Nutzung von Pkw, Lkw, Panzer, Flugzeug, Boot oder Hubschrauber stellt die passive Kühlmethode ohne Stromversorgung und mit einer starken Isolierung der Transportbox die Methode der Wahl dar.

Test der Transportbehälter

Es wurden mehrere kommerziell erhältliche Transportbehälter (zur aktiven oder passiven Kühlung) unter definierten experimentellen Rahmenbedingungen in einer Klimasimulierungskammer unter Anwendung eines standardisierten Packprotokolls getestet.

Aktiv gekühlte Transportbehälter erwiesen sich als ungeeignet, da ein permanenter Anschluss an eine geeignete Stromquelle nicht gewährleistet und überwachbar war. Die Isolierbox RCB 25 E (Dometic, vormals Elektrolux, Vianden, Luxemburg) mit einem Fassungsvermögen von bis zu 40 Erythrozytenkonzentrat-Packungen (EK) erlaubte ein Verladen und Bedienen durch eine Einzelperson. Ein standardisiertes Packprotokoll umfasste von oben nach unten Einzelschichten von gefrorenen Kühlelementen (s30 °C, Anzahl abhängig von den klimatischen Bedingungen im Zielland), Styropor, Kühlakkumulatoren (r4 °C), Noppenfolie, EK und die gleichen Komponenten ohne Eis in umgekehrter Reihenfolge. Herkömmliche Interprodukt-Temperaturlogger mit Messpunkten alle 10 Minuten ermöglichten eine ausreichende Überwachung.

Ergebnis: Unter Einhaltung der Vorbereitungsprozedur konnte die in den Hämotherapierichtlinien geforderte Transporttemperatur von r1 °C w 10 °C für 56 bzw. 96 Stunden sichergestellt werden, sofern die Außentemperaturen innerhalb von s10 °C und r40 °C lagen.

Zusätzliche Parameter, wie die überproportionale Temperaturzunahme durch Sonneneinstrahlung, Beschädigung der Erythrozyten durch Luftdruckwechsel, Einfluss von Erschütterungen und Luftfeuchtigkeit auf die Zellstabilität oder eine maximale Transporttemperatur von r10 °C statt r6 °C sind Gegenstand gegenwärtiger Untersuchungen.

Anstoß für gesetzliche Regelungen

Aus unserer Sicht bedarf der Transport von empfindlichen und kühlpflichtigen Arzneimitteln aus menschlichem Blut sowie von anderen vergleichbaren Arzneimitteln dringend einer konsequenten gesetzlichen Regelung, um die therapeutische Qualität zu sichern. Die hier mitgeteilten und weitere experimentelle Evaluierungen sollen dazu Anstoß und Hilfestellung bieten. Einige von der Industrie angebotenen Messinstrumente erlauben eine weitgehende Qualitätsüberwachung und -dokumentation diverser relevanter Parameter mit nur einem Gerät.

Zur möglichst raschen Realisierung dieser hohen Ziele ist auch der Blick in andere Bereiche hilfreich, wo es um den Transport von leicht verderblichen Waren über große Entfernungen und längere Zeiträume geht, etwa in der Lebensmittelbranche. Im Bereich des Transports von Blutprodukten ist uns bislang nur eine weitere Arbeitsgruppe bekannt, die sich mit dieser Problematik auseinandersetzt (Rentas et al., US Army [10]).

Danksagung:

Die Autoren danken sehr herzlich Herrn Prof. Dr. H. Kiesewetter und Herrn PD Dr. A. Pruß vom Institut für Transfusionsmedizin der Charité Berlin und Herrn Prof. Dr. W.-K. Roth vom DRK Blutspendedienst Baden-Württemberg-Hessen in Frankfurt/Main für ihre umfassende fachliche Unterstützung sowie Frau I. Friedrich vom Blutspendedienst der Bundeswehr Koblenz für ihre herausragende medizinisch-technische Mitarbeit bei diesem Projekt.

Literatur
[1]    Brandt D: Wärmeisolierbehälter für den Transport von Blut- konserven. Wehrmed Wehrpharm 1984;8:98 – 102.
[2]    Brandt D: Transport von Blutprodukten und kühlpflichtigen Arzneimitteln – eine logistische Herausforderung. Wehrmed Wehrpharm 1998;22:100 – 103.
[3]    Brandt D, Putzker M, Bohnen H, Thöle A: Temperature con- trol management during transport of red blood cells (RBC) over one to several days. Infusionsther Transfus Med 1999;26[Suppl.1]:59.
[4]    Brandt D, Putzker M, Bohnen H, Thöle A: Temperature con- trol management during transport of red blood cells (RBC) over one to several days. Clin Lab 2000;46:13 – 16.
[5]    Klose T, Bohnen H, Putzker M: Transport von Blutprodukten im In- und Ausland: Qualitätssicherung durch Temperatur- überwachung. Institutskolloquium, Prof. Dr. L. Zöller, Zentra- les Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Koblenz, 2.12.2003.
[6]    Klose T, Pruß A, Kiesewetter H, Roth W-K, Bohnen H, Putz- ker M: Quality assurance for long lasting transports of red blood cell concentrates on extreme environmental demand. Transfus Med Hemother 2004;31:365 – 370.
[7]    Klose T, Bohnen H, Putzker M. Ensuring the quality of red blood cells during long lasting transport on extreme environ- mental demand. Transfus Med Hemother 2004; Abstract 37. Jahreskongress DGTI:43.
[8]    Putzker M, Bohnen H, Thöle A, Brandt D: Pharmaceutical safety of red blood cells (RBC) from whole-blood donation in a military transfusion center. Clin Lab 2002;48:1 – 3.
[9]    Putzker M, Thöle A, Bartling C, Brandt D: Versorgung mit Blutprodukten im Auslandseinsatz. Wehrmed Wehrpharm 2002;26:51 – 54.
[10]     Rentas FJ, Macdonald VW, Houchens DM, Hmel PJ, Reid TJ. New insulation technology provides next-generation contai- ners for „iceless“ and lightweight transport of RBCs at 1 to 10 °C in extreme temperatures for over 78 hours. Transfusion 2004;44:210 –  216.
[11]    Schennach H, Amann EM, Temmel H, Schönitzer D: Evaluati- on of a temperature indicator for the monitoring of RBC. Infus Ther Transfus Med 2002;29[Suppl 1]:46 – 47.

Der Autor

Stabsapotheker Thomas Klose (Jg. 1972) studierte Pharmazie an der Humboldt-Universität Berlin. Danach Tätigkeiten in der pharmazeutischen Industrie und in öffentlichen Apotheken. Seit 2003 beim Blutspendedienst der Bundeswehr Leiter der Qualitätssicherung. Anschrift: Stabsapotheker Thomas Klose, Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Blutspendedienst, Andernacher Str. 100, 56070 Koblenz

Weltweiter Einsatz

Der Blutspendedienst der Bundeswehr Koblenz versorgt weltweit die eigenen Feldlazarette im Rahmen internationaler friedenserhaltener Einsätze, sowie militärische und zivile Krankenhäuser in Deutschland mit Erythrozytenkonzentraten.

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