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Weitere Reformen unumgänglich

BERLIN (ri). Breite Zustimmung fand das Motto der von Gehe initiierten 13. Apotheken-Informationstagung, die am 15. Juni in Berlin stattfand: "Modernisierung des Gesundheitssystems – der Umbau geht weiter". In seiner Einführung betonte Professor Dr. Dieter Benatzky, dass der Umbau bereits eingeleitet und nicht mehr umkehrbar sei.

Dass die Modernisierung weitergehen muss, zeigt auch das Urteil des Sachverständigenrates. Demnach leidet das deutsche Gesundheitssystem unter "Überversorgung, Unterversorgung, mangelnder Effizienz, und ist außerdem zu teuer."

Benatzky listete folgende Stichpunkte auf, die nach Überzeugung des Sachverständigenrates Verbesserungen herbeiführen sollen:

  • Rationalisierungsmaßnahmen sollten weiter ausgeschöpft werden.
  • Die Verbesserung der Qualität der Pharmakotherapie muss voranschreiten.
  • Die Rabattabschöpfung bei Generika muss auf den Prüfstand.
  • Die dezentralen Verhandlungsmöglichkeiten sollten genutzt werden. Benatzky problematisierte diese Vorschläge dahingehend, dass sie möglicherweise den Weg in die Listenmedizin darstellen. Der Referent untersuchte auch die Entwicklung der ständig im Fokus der Kritik stehenden Ausgaben durch die Arzneimittel und legte Zahlen vor, wonach beispielsweise die Anzahl der Packungen von 1992 bis 2004 kontinuierlich von 1 200 Mio. Packungen auf 845 Mio. gesunken sind. Die Arzneimittelausgaben bezüglich der gesamten GKV-Gesundheitsausgaben gingen im selben Zeitraum um 1,4 Prozentpunkte zurück.

    Positives Image

    Benatzky machte den Apothekern auch dahingehend Mut, dass der Berufsstand immer noch über ein hervorragendes Image bei der Bevölkerung verfüge und der viel zitierte Schublandezieher ein Mythos sei. Auf die Frage einer entsprechenden Erhebung, ob es voll zutreffe, dass der Apotheker ein Schubladenzieher sei, antwortete niemand der interviewten Menschen, dass dies "vollkommen zutrifft". 82 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass dies "nicht zutrifft". Grundsätzlich warnte der Referent Apotheker in Sachen Filialisierung davor, in blinden Aktionismus zu verfallen: "Die Filialapotheke darf auf keinen Fall die Stammapotheke schwächen."

    Mit Blick auf die Pharmaindustrie, die sich in einem Konzentrationsprozess auf immer weniger Unternehmen befindet, stellte Benatzky die kritische Frage, ob eine Liberalisierung des Gesundheitswesens nicht auch eine Oligopolisierung zur Folge hätte. Ebenso sei zu fragen, ob die Aufhebung des Mehr- und Fremdbesitzverbotes tatsächlich noch ein Anliegen der Gesundheitspolitik sein könne.

    Wolfgang Mähr, Geschäftsführer der Gehe Pharmahandel GmbH prognostizierte, dass jede neue Regierung gleich welcher Couleur "nach den Wahlen eine Beschleunigung der Reformen betreiben wird". Aus seiner Sicht ist nur sicher, dass nichts sicher ist. Der Gehe-Geschäftsführer sieht große Veränderungen auf die Apotheker zukommen, da die Distributionswege und das Arzneimittel politisch unter Druck stehen. Mähr betonte, dass trotz aller Trends zur Liberalisierung und Deregulierung der Werterhalt der deutschen Apotheke im Vordergrund stehen müsse. Der Großhandel sei am Erhalt der Apotheke interessiert – zumal den Großhandel mit den Apotheken eine Schicksalsgemeinschaft verbinde.

    Apotheker müssen

    argumentieren Der CDU-Abgeordnete Jens Spahn, der auch Mitglied im Gesundheitsausschuss ist, warnte in Bezug auf die Rolle des Mehrbesitzes, der Versandapotheke und der mächtiger werdenden Krankenhausapotheken, "sich nicht der Illusion hinzugeben, dass diese Entwicklungen zurückgedreht werden". Obwohl er auch die Meinung vertritt, dass in der aktuellen Situation eine weiter Liberalisierung nicht notwendig sei, sagte er im Hinblick auf das Fremd- und Mehrbesitzverbot: "Es müssen diejenigen zuerst argumentieren, die den Schutz für sich reklamieren, und nicht diejenigen, die die Freiheit wollen."

    Klaus Kirschner, SPD, kritisierte die Trennung der Versicherungssysteme in GKV und PKV: "Diese Trennung ist ein antiquiertes Prinzip. Die Gesunden und gut Verdienenden gehen zur privaten Versicherung, so dass deren Beiträge in der GKV fehlen."

    Dr. Dieter Thomae, FDP, plädierte für einen privaten Versicherungsschutz mit sozialem Ausgleich und erklärte im Hinblick auf eine Änderung der derzeitigen Regelung zum Mehrbesitz, dass er "keinen Handlungsbedarf" sehe. Es gelte vielmehr, das Ergebnis der aktuellen Regelungen langfristig zu beobachten, bevor man neue Maßnahmen in die Wege leite. Des Weiteren sprach er sich dafür aus, das Sachleistungsprinzip abzuschaffen und mit Kostenerstattungen für mehr Kostentransparenz zu sorgen.

    Privaten Versicherungslösungen mit entsprechenden Tarifen erteilte Birgitt Bender, Bündnis 90/Die Grünen, eine Absage: "Da reden wir mal über kranke und alte Menschen. Wir wollen das Solidaritätsprinzip nicht zerschlagen." Die Grünen-Politikerin machte sich auch dafür stark, dass apothekenpflichtige Arzneimittel "auch weiterhin im Fachgeschäft angeboten werden – das hat etwas mit Arzneimittelsicherheit zu tun!"

    ABDA-Vizepräsident Friedemann Schmidt betonte, dass die Apotheken längst nicht mehr Teil des Problems bei der Gesundheitspolitik sei, sondern Teil der Lösungen. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass sich das Image der deutschen Apotheker in jüngster Zeit wesentlich verbessert habe. An die Ärzte gewandt sagte Schmidt: "Wir werden nicht dulden, dass die Mediziner die Arzneimitteldistribution übernehmen." Als ein zentrales Anliegen für die Zukunft nannte er den Ausbau der Weiterbildung. So soll etwa die zusätzliche Qualifikation "Fachapotheker für die Arzneimittelberatung" eingeführt werden. Die Beratungsleistungen sollen künftig mit einer problembezogenen Kommunikationspauschale abgegolten werden.

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