DAZ aktuell

Weder Bürgerversicherung noch Prämie

KIEL (tmb). Die alljährlich am Vorabend der Kieler Woche stattfindende gesundheitspolitische Diskussion des Kieler Fritz-Beske-Instituts für Gesundheitssystemforschung beschäftigte sich am 17. Juni mit der bevorstehenden Bundestagswahl. Moderiert von Prof. Dr. Fritz Beske analysierten Vertreter der Krankenkassen und Leistungserbringer die Konzepte der Parteien und äußerten nahezu einmütig die Erwartung, es werde weder eine Bürgerversicherung noch ein Gesundheitsprämiensystem eingeführt.

Für Hans-Peter Küchenmeister, Präsident der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein, der als Vertreter der CDU sprach, erfüllt die Gesundheitsprämie die wesentlichen Ziele, die Gesundheitskosten möglichst von der Arbeit abzukoppeln, die Beiträge transparent zu machen und dabei niemanden zu überfordern. Durch die gleichen Beiträge würden alle Versicherten den gesetzlichen Kassen gleich viel wert sein, der soziale Ausgleich werde über die Steuern und damit über das einzige angemessene System abgewickelt. Außerdem bleibe die PKV als wichtiger Wettbewerber weiter bestehen. Dies sei im Sinn der sozialen Marktwirtschaft, dagegen sei die Bürgerversicherung ein reines Staatssystem.

Dr. Hellmut Körner, SPD, Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerium, meinte, beide Systeme würden nicht in reiner Form umgesetzt. Es gehe darum, die Bemessungsgrundlage im Sinn der Bürgerversicherung zu verbreitern und den Anstieg der Beiträge zu begrenzen. Auf der Angebotsseite sollte Transparenz geschaffen werden, um Wettbewerb zu ermöglichen. Dabei könne es keine Planungssicherheit geben. Die Krankenversicherung müsse Fortschritt bieten, aber den Leistungskatalog überprüfen und nicht zwingende Leistungen herausnehmen. Das System sei mit Ansprüchen überladen und habe sich daher nicht entwickeln können, aber es sei noch leistungsfähig.

Weiterentwicklung gefragt

Dr. Hans Jürgen Ahrens, Vorsitzender des AOK-Bundesverbandes, meinte, ein so massiver Eingriff wie die Bürgerversicherung oder das Prämiensystem könne nicht im Dissens zwischen den beiden großen Parteien stattfinden, sondern es müsse einen langfristig tragfähigen Kompromiss geben. Für die Krankenversicherungen forderte er Klarheit über den Leistungskatalog und mehr Gestaltungsmöglichkeiten außerhalb von Kollektivverträgen, beispielsweise Verträge mit Gesundheitszentren, Bonusmodelle und Zusatzversicherungen. Durch Qualitätsberichte werde die Transparenz über die Erfolge der Leistungserbringer verbessert. Außerdem müsse es ein neues Präventionsgesetz geben, in dem einheitliche Ziele definiert sind und bei dem die Politik nicht über das Geld der gesetzlichen Krankenversicherung verfügt.

Übereinstimmend mit Dr. Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender der DAK, forderte Ahrens, die Politik solle die Verschiebebahnhöfe aus der Krankenversicherung beenden, mit denen andere Sicherungssysteme gestützt werden. Den Grund für die Verschiebebahnhöfe sieht Rebscher in der Verschuldung der öffentlichen Haushalte. Angesichts dieser Entwicklung und der jüngsten Erfahrungen mit dem Präventionsgesetz sei keinesfalls zu erwarten, dass künftig in umgekehrter Richtung Milliardenbeträge aus dem Steueraufkommen in die Finanzierung der Krankenversicherungen gemäß einem Gesundheitsprämienkonzept fließen. Daher sei diese Idee nicht zu verwirklichen.

Auf der Ausgabenseite sollte die Politik die Ergebnisse des Wettbewerbs anerkennen. Der Wettbewerb sei nur als Suchverfahren für die optimale Lösung legitimiert. Dann müsse es aber auch zeitlich befristet möglich sein, neue Lösungen auszuprobieren und dabei Ungleichheiten zu akzeptieren. Wegen der Vielzahl der Verträge sei es künftig nötig, die Transaktionskosten wettbewerblicher Vertragsmodelle und den Nachweis ihrer Wirkungen zu diskutieren.

Dr. Heinz Michael Mörlein, Vorsitzender der Vertreterversammlung der KBV, forderte, den Wettbewerb der Vertragssysteme vollständig umzusetzen und auch die KV als Partner für sektorenübergreifende Verträge zuzulassen. Im Interesse der Qualitätssicherung sollten nur solche Ärzte in die Vertragssysteme aufgenommen werden, die sich den diesbezüglichen Anforderungen stellen. Mörlein konstatierte, dass die Krankenkassen im Rahmen von Verträgen zur Integrierten Versorgung mehr an die Leistungserbringer zahlen und fragte, warum dies nicht auch in der Regelversorgung möglich sei.

Grenzen für Veränderungen

Dr. Rainer Hess, Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), hält die Einführung einer Gesundheitsprämie für realistisch, falls die CDU eine so große Mehrheit erhalte, dass sie ihre Wahlaussagen einlösen müsse. Doch seien die meisten Strukturen im Gesundheitswesen bis zum Jahr 2008 durch die bisherigen Entscheidungen festgelegt. Eine Rationierung im Gesundheitswesen sei politisch nicht durchsetzbar. Der Wettbewerb dürfe als Suchprozess nur für neue Versorgungsformen, aber nicht für die Regelversorgung gelten.

Der Gemeinsame Bundesausschuss solle den Leistungskatalog bereinigen und die ambulante und die stationäre Versorgung einheitlich regeln. Hess beklagte, dass der Ausschuss für die ihm zugewiesene Aufgabe beschimpft werde. Bei der künstlichen Ernährung wende sich der Ausschuss gegen die allgemeine Indikation Mangelernährung, weil anderenfalls viele Pflegeheimbewohner nicht mehr gefüttert, sondern künstlich ernährt würden.

In der weiteren Diskussion zeichnete sich eine klare Zustimmung zur Gesundheitskarte ab. Ein weiteres Thema war die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung. Dies bezeichnete Beske als eine der wichtigsten künftigen Aufgaben im Gesundheitswesen, doch leider habe sich die Bundesgesundheitsministerin hierzu nicht geäußert.

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